lignoma
Die Form ist das Bestimmbare an der Materie. Das Bestimmbare an der Materie ist ihre Form. Form ist die Spur des Handelns an der Materie. - Was sollte es darüber hinaus für eine 'Dialektik von Stoff und Form' noch geben?
Zwischen Stoff und Form können Sie nicht überall unterscheiden? Darauf
zielt obige Bemerkung ab: Was an einer Sache Stoff ist und was Form,
hängt davon ab, was Sie vorab als Stoff aufgefasst haben. Denn das ist es, woraus Sie etwas machen wollen; die Formgebung legt fest, was daraus wird. Ob es sich dabei um einen 'mate- riellen' Stoff handelt oder einen bloß gedachten, ist Nebensache.
23. 7. 17
Ist nun der Begriff Stoff oder Form? Wie man's nimmt. Betrachten wir ihn nach seiner Herkunft, ist er Stoff. Er ist Qualitas: das, was gemeint ist; eine Vorstellung. Allerdings eine bestimmte Vorstellung. Und das ist Form an ihm. Bestimmt wurde er nämlich durch Entgegensetzung, und die ist nicht Qualitas, sondern Verhältnis.
Betrachten wir den Begriff, wie er ist,
nämlich in seinem Verhältnis zum, nach seinem Platz im System der Ver-
nunft, so ist er ein Relatives; seinerseits bestimmt durch ein Ganzes,
das selber Qualitas und in Hinblick auf das er nur Form ist.
Es ist einfach der Unterschied von transzendentaler und pp. natürlicher Auffassungsart: Im natürlichen Bewusst- sein
ist der Begriff der seiende harte Kern der Bedeutung. In
transzendentaler Betrachtung ist er das an sich Wirkliche: gewolltes
Tun, das aus der Zeit gefallen und zum Gedankending geronnen ist.
Schlicht gesprochen: Stoff ist Bestimmbares; Form geben ist bestimmen.
Dienstag, 30. April 2019
Montag, 29. April 2019
Reines Wollen.
Ein Gefühl ist mir nur möglich, inwiefern im System der Sensibilität eine Veränderung vorgeht, und aus dieser entsteht eine objektive Erkenntnis. Diese aber ist nicht möglich außer infolge eines Handelns, in wiefern ich mich als Ursache denke. Ich denke mich aber als Ursache, wenn ich das Mannigfaltige des Erfolgs beziehe auf das reine Wollen. Dieses Wollen ist ein ursprünglich Bestimmtes, nicht aber ein empirisch Bestimmtes oder Bestimmendes; ein reines Wollen, inwiefern es sich als Sollen äußert.
____________________________________________________________
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 152
Nota I. - Es wird nicht behauptet, zuerst hätten die Menschen einen reinen Willen, danach würde er durch mannigfaltige dialektische Operationen zu einem empirischen. - Hier geht es immer um die Erklärung des Bewusstseins aus der wirklichen Vorstellungstätigkeit. Das Grundschema ist immer dies: Ich finde mich als dieses oder jenes tuend oder getan habend. Ich muss daraus schließen, dass ich es gekonnt habe. Diese An- schauung wird mir zum Begriff eines Vermögens. So muss der wirklich Wollende seinem wirklichen Wollen die Fähigkeit zum Wollen voraussetzen: Die konkrete Vorstellung ist nicht ohne die reflexive Hpostase der abstrak- ten Vorstellung "möglich"; d. h. möglich ist sie schon, solange ich nicht denke; wenn ich aber denke, muss ich so denken.
22. 7. 17
Nota II. - In ihrem ersten, analytische Gang hat die Wissenschaftslehre am Grunde der Vernünftigkeit das sich-selbst-setzende Ich aufgefunden. Solange es sich noch nicht gesetzt hat, ist es eo ipso unbestimmt. Mehr kann der kritische Verstand nichts über es aussagen. Wie kommt es also dazu, 'sich' zu 'setzen'? Wissen kann ich es nicht. Ich müsste mir schon eine Freiheit herausnehmen: Ich müsste etwas postulieren. Ich unterstelle - hypo- stasiere - ihm eine Vor-Bestimmtheit, ich behaupte: Es muss schlechterdings wollend gewesen sein, bevor es ge- wesen ist.
Jedem andern steht es so frei wie mir, dem Proto-Ich eine Vorbestimmtheit anzudichten. Beweisen kann er seine so wenig wie ich meine. Unterscheiden lassen sie sich erst ex post, nämlich an den Resultaten, die sie möglich machen. Welches Postulat gelten soll, ist eine schlechterdings praktische Frage.
Das Postulat ist nicht bloß Noumenon, aber Phänomen ist es auch noch nicht, es schwebt zwischen beiden. Und so sagt Fichte: "Wenn man von etwas an sich reden könnte, so wäre es der reine Wille."
JE
Nota. Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.
Sonntag, 28. April 2019
Ganz und auf einmal.
"Wenn wir zu unserer Hauptaufgabe zurückkehren, so werden wir sehen, dass noch nichts gewonnen ist":* Das hören wir immer wiedermal in seinem Vortrag. Es bedeutet nur, dass das Entwerfen des Gesamtmodells des vernünftigen Bewusstseins nicht Stück für Stück, durch schrittweises Aufhäufen positiv bestimmter Bausteine geschieht, sondern dass spekulativ die Bedingungen aufgesucht werden, unter denen ein Gesamtmodell mög- lich würde; und eine jede gilt nicht für sich, sondern nur unter der Prämisse, dass das Gesamtmodell wirklich zu- stande kommt; also hypothetisch, bedingt, "problematisch".
Sollte am Ende das Gesamtmodell doch nicht gelingen, war alles vergeblich und entfällt. Das heißt: Gültig wird es erst zum Schluss, aber dann 'ganz und auf einmal'. Nicht die Einzelnen begründen das Ganze, sondern das Ganze rechtfertigt die Einzelnen; damit sie es begründen können.
Ob etwas aber ein Ganzes ist (d. h. sein soll) oder nur ein Teil, ist Sache der Reflexion - nämlich ihrer ersten und einfachsten Form, der Anschauung.
*) Fichte, WL nova methodo, S. 161
21. 7. 17
Oder andersrum: Das wirkliche Vernunftsystem, das Gegenstand der Kritik ist und von dem die transzenden- tale Analyse ausgeht, ist uns als System gegeben. Es begegnet uns auf einmal und mit einem Schlag.
So lässt es sich freilich nicht darstellen. Es besteht virtualiter aus Begrifffen und Schlussregeln; Regeln für das Schließen von Einem auf das Folgende, Regeln für das Aneinanderknüpfen in der Zeit. Denn so, wie es ist, ist das System geworden, historisch. Wenn ich es so darstellen wollte, müsste ich die Begriffe so darstellen, wie sie gewesen sind, bevor sie begriffen wurden.
So lässt es sich freilich nicht darstellen. Es besteht virtualiter aus Begrifffen und Schlussregeln; Regeln für das Schließen von Einem auf das Folgende, Regeln für das Aneinanderknüpfen in der Zeit. Denn so, wie es ist, ist das System geworden, historisch. Wenn ich es so darstellen wollte, müsste ich die Begriffe so darstellen, wie sie gewesen sind, bevor sie begriffen wurden.
Das tut die Wissenschaftslehre und das macht ihre Besonderheit aus: Sie demonstriert, wie die Begriffe aus Vor- stellungen hervorgegangen sind, sein müssen, weil anders sie als gegeben und vom Himmel gefallen vorausgesetzt werden müssten, was entgegen der Aufgabe ist. Auch die transzendentale Rekonstruktion des Systems der Ver- nunft muss also ein Nacheinander darstellen. Es ist das genetische Nacheinander der Gehalte, in dem das ideale Aus einander so dargestellt wird, als ob es realiter geschehen sei. Im realen Aus- und Nacheinander der Gehalte müsste die Form des Schließens hinzukommen - und mit ihr die Dauer in der Zeit; denn das Schließen ist ein Tun und dauert als solche wirklich; während die Gehalte nur gedacht sind.
Kurz gesagt, das System der Wissenschaftslehre stellt das genetische Auseinander der Gehalte logisch dar als ein Nacheinander unter Absehung vom historischen Moment der Tätigkeit. Es stellt dar eine Zeit ohne Dauer.
Der Nachteil ist, dass da, wo es noch unfertig ist, nicht einfach weitergebaut werden wie das zweite Geschoss aufs erste. Solange nicht alles fertig ist, ist auch kein Teil fertig.
Vorstellen wird als kontinuierlich geschehendes Tun aufgefasst; der Begriff ruht und ist für sich selbst.
Nota. Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.
Samstag, 27. April 2019
Reale und ideale Tätigkeit.
Das Wollen - Streben, Trieb, Einbildungskraft - ist ursprünglich eines und dasselbe. Das Quantum Energie, das im Fühlen am Objekt hängenbleibt, werden wir ipso facto als reale Tätigkeit bezeichnen, den überschießenden freien Teil nennen wir die ideale. (Wenn sie sich reflektierend selber dem Gefühl zuwendet, geschieht dies aus Freiheit.)
- Die Wissenschaftslehre schaut dem gemeinen Bewusstsein zu und beschreibt, wie es tatsächlich verfährt; allerdings nicht in Zeit und Raum, sondern in einem idealen Modell, wo alles zugleich geschieht, wenn auch Eines als genetisch bedingt durch das Andere. Es ist daher ganz in der Ordnung, wenn uns die eine oder andere Etappe in dieser Darstellung aus unserer eigenen Erfahrung bekannt vorkommt - sobald wir nämlich Raum und Zeit wieder hinzudenken.
An dieser Stelle erinnern wir uns an das, was Schiller den "ästhetischen Zustand" nannte: Im ästhetischen Zu- stand sei der Mensch "gleich Null". Die ästhetischen Qualitäten, die wir wahrnehmen, sind unmittelbar im 'Ge- fühl' - soweit die 'reale' Tätigkeit, die sich hier 'begrenzt' vorkommt. Hinzu tritt die 'ideale' Tätigkeit, die das Ge- fühl anschaut; doch an der Stelle hält sie inne - aus Freiheit: Die ideale Tätigkeit hält sich selbst zurück, mit ande- ren Worten: der ästhetische Zustand tritt nur ein, wenn er beabsichtigt wird.
Doch im Normalfall unserer tätglichen Geschäfte fährt die ideale Tätigkeit fort.
31. 7. 17
Reale Tätigkeit ist das lebendige Vorstellen. Da geschieht alles. Ideal nennen wir das Vorstellen des Vorstellens. Genauer gesagt: die Vorstellung vom Vorstellen - denn da geschieht nichts, da ist alles. Es ist im Begriff 'zur Ruhe gebracht'.
Oder anders: Erhalten bleibt das Resultat der Tätigkeit, geschwunden ist das geschehende Tun - und folglich der Tätige. Das Resultat der Tätigkeit ist ihr Zweck. Wenn Tun und Tätiger geschwunden sind, muss nicht gefragt werden, ob der realisierte Zweck zugleich der beabsichtigte ist, denn er ist es, der ist. Angeschaut werden konn- te das lebendige Tun; der realisierte Zweck kann nur begriffen werden (und ebenso der intendierte, aber womög- lich verfehlte Zweck: Er wird begriffen, 'als ob' er realisiert wäre).
Freitag, 26. April 2019
Dynamische Darstellung, statische Kritik.
spandau-arcaden
Die genetische Darstellung unterscheidet sich von der historischen so: In ihr ist nicht von zeitlichem Nach- einander die Rede, sondern von sinnhaften Bedingungsverhältnissen.
Von der logischen Darstellung unterscheidet sie, dass sie keine (durch wen? mit welchem Recht?) definierten Begriffe verwendet, denn die sind statisch und lassen sich nur durch die Schlussregeln verknüpfen, doch die sind rein formal. Die Absicht, in der sie verknüpft werden, kommt unkontrolliert von außen. Die Anwendung der Logik ist willkürlich, aber sie verbirgt es.
In der genetischen Darstellung gehen dagegen Vorstellungen aus einander hervor, das Vorstellen ist lebendige Tätigkeit, die selber absieht und die, nachdem sie A gesagt hat, B sagen müsste - sofern sie nicht ganz aufhören will. Ihr Forstschreiten ist notwendig. Die logische Darstellung ist statisch, die genetische ist dynamisch. Und wenn es darum geht, das Bewusstsein aus sich zu verstehen, ist die dynamische am Platz; aber nur da.
27. 7. 17
Real ist, was sich dynamisch darstellen lässt - weil nur das Handeln real ist.
Die ontologische Frage wäre damit geklärt.
Doch was es taugt ist damit nicht entschieden. Ob das Handeln gut oder schlecht war, erweist sich an seinem Resultat. Was immer die Absicht gewesen sein mag - als Zweck erweist sich allein das Ergebnis. Es ist das, was zu bewerten ist; nicht das Tätige am Handeln, sondern ein zur Ruhe Gekommenes. Eine geronnene Handlung. Der realisierte Zweck ist als solcher Begriff.
Nicht zur Darstellung der Handlung brauchen wir den Begriff, sondern zu ihrer Bewertung. Der Standpunkt der Kritik ist ein statischer.
Das ist wohl zugleich das Schwierige an der Transzendentalphilosophie. Nicht nur wechselt sie unentwegt zwi- schen erster und zweiter semantischer Ebene. Obendrein ist ihr Modus auf der ersten Ebene ein dynamischer - Vorstellen; und auf der zweiten ein statischer: Begriff. Das ist jederzeit zu unterscheiden: Dynamisch ist das zu Messende, statisch ist das Maß.
Die genetische Darstellung unterscheidet sich von der historischen so: In ihr ist nicht von zeitlichem Nach- einander die Rede, sondern von sinnhaften Bedingungsverhältnissen.
Von der logischen Darstellung unterscheidet sie, dass sie keine (durch wen? mit welchem Recht?) definierten Begriffe verwendet, denn die sind statisch und lassen sich nur durch die Schlussregeln verknüpfen, doch die sind rein formal. Die Absicht, in der sie verknüpft werden, kommt unkontrolliert von außen. Die Anwendung der Logik ist willkürlich, aber sie verbirgt es.
In der genetischen Darstellung gehen dagegen Vorstellungen aus einander hervor, das Vorstellen ist lebendige Tätigkeit, die selber absieht und die, nachdem sie A gesagt hat, B sagen müsste - sofern sie nicht ganz aufhören will. Ihr Forstschreiten ist notwendig. Die logische Darstellung ist statisch, die genetische ist dynamisch. Und wenn es darum geht, das Bewusstsein aus sich zu verstehen, ist die dynamische am Platz; aber nur da.
27. 7. 17
Real ist, was sich dynamisch darstellen lässt - weil nur das Handeln real ist.
Die ontologische Frage wäre damit geklärt.
Doch was es taugt ist damit nicht entschieden. Ob das Handeln gut oder schlecht war, erweist sich an seinem Resultat. Was immer die Absicht gewesen sein mag - als Zweck erweist sich allein das Ergebnis. Es ist das, was zu bewerten ist; nicht das Tätige am Handeln, sondern ein zur Ruhe Gekommenes. Eine geronnene Handlung. Der realisierte Zweck ist als solcher Begriff.
Nicht zur Darstellung der Handlung brauchen wir den Begriff, sondern zu ihrer Bewertung. Der Standpunkt der Kritik ist ein statischer.
Das ist wohl zugleich das Schwierige an der Transzendentalphilosophie. Nicht nur wechselt sie unentwegt zwi- schen erster und zweiter semantischer Ebene. Obendrein ist ihr Modus auf der ersten Ebene ein dynamischer - Vorstellen; und auf der zweiten ein statischer: Begriff. Das ist jederzeit zu unterscheiden: Dynamisch ist das zu Messende, statisch ist das Maß.
Donnerstag, 25. April 2019
Das Absolute ist Anfang und Ende.
Das Absolute braucht die Transzendentalphilosophie doppelt: zuerst als Ausgangs-, dann als Fluchtpunkt der Vernunft. Dazwischen liegt immer nur Bestimmen; am Anfang die absolute Freiheit, am ewig offenen Ende der absolute Zweck.
*
Das Wirkliche kann nicht absolut sein, denn dann wäre, weil es zugleich ein Mannigfaltiges ist, zwischen ihm kein Leben möglich, und das ist Veränderung. Veränderungen können nur zwischen Relativen geschehen.
Andererseits ist Relatives nur im Verhältnis zu Absolutem möglich. Und soll die Veränderung eine Richtung haben, zwischen zwei Absoluten: hin zu dem einen, fort zu dem andern. Eins immer nur in Rücksicht auf das andere.
Wie auch anders? Vorstellen - wahrnehmen, denken, erfahren - ist bestimmen. Bestimmen hat nur eine Richtung. Doch geschieht sie immer nur durch Entgegensetzung. Ich kann nichts Relatives denken, ohne ein Absolutes vorauszusetzen. (Wenn ich zwei Absolute denke, dürfen sie selber zu einander in keinem Verhältnis stehen und sich nicht bedingen, sonst wären sie nicht absolut. Aber die Relativen müssen in Bezug zu Absoluten stehen, sonst wären sie nicht relativ.) Anfang und Ende bedingen einander nicht. Doch was immer relativ ist - leben - hat einen Anfang und ein Ende, sonst wäre es absolut.
*
Man könnte nun meinen, Leben sei absolut, ewig sei nur die Veränderung und das Beharrende (der Begriff) sei nur Schein. Dann wäre Veränderung unveränderlich und eigentlich wäre alles nur Wiederholung. Dann allerdings gäbe es keine Richtung.
Denn es käme zu keiner Bestimmung und alles bliebe ohne Sinn.
Mittwoch, 24. April 2019
Dem reinen Wollen entspricht ein reiner Zweck.
Augsburger Allgemeine
Der letzte Grund, auf den die Wissenschaftslehre in ihrem ersten, analytischen Teil stößt, ist das Noumenon des Wollens-überhaupt. Aus dieser Triebkraft allein ist der wirkliche Gang der Intelligenz zu erklären (=der zweite, synthetische Gang der Wissenschaftslehre).
Wollen ist aber stets Wollen von Etwas, wollen setzt einen Zweck, an dem es sich bestimmen kann. Dem Nou-menon des Wollens-überhaupt steht daher das Noumenon eines Zwecks-überhaupt gegenüber. Sowenig wie jenes ist er aber bestimmt; er ist bestimmbar, und dieses unendlich. Zweck-überhaupt ist die nicht erschöpfba-re Idee des Absoluten, und der Gang der Intelligenz wäre ohne sie ohne Richtung und könnte eine Vernunft nie ergeben.
aus Meine Emendation der Wissenschaftslehre.
Das ist kein rein-logischer Gewaltakt; nicht weil es den Begriff Wollen-schlechthin geben kann, 'muss' es logi- scherweise den Begriff des Zwecks-schlechthin geben; und 'daher' müsse die Sache 'das Absolute' (in den Vor- stellungen) wirklich vorkommen.
Sondern im zweiten, rekonstruierenden Gang der Wissenschaftslehre ist das Wollen-schlechthin sachliche Be- dingung des Vorstellens. Das Was des Wollens ist das schlechthin Bestimmbare, das Zubestimmende. Das wirkliche Vorstellen ist immer nichts anderes als ein Fortschreiten in der Bestimmung - des Zwecks. Dieser Fortschritt geht ins Unendliche und der Zweck-schlechthin bleibt auf ewig unbestimmt, weil bestimmbar. Ob er als solcher im Bewusstsein tatsächlich vorkommt, ist unerheblich: Er kann vorkommen, wenn man will; dar- auf kommt es an.
20. 7. 17
Zum Grundbestand des bürgerlichen Weltverständnisses gehört nach allgemeinem Übereinkommen das Fort- schrittssprinzip. Es ist nach postmoderner Auffassung dessen Erbsünde. Es ist aber zugleich Folge und Bedin- gung seiner Vernünftigkeit.
Sofern nämlich Vernünftigkeit im Prinzip der Freiheit begründet ist. Freiheit ist die Unbedingtheit des Bestim- mens, und Bestimmen ist Charakter der Tätigkeit. Ist das Bestimmen unbedingt, so sind seine Möglichkeiten unerschöpflich: Wären sie einmal erschöpft, so würde es schließlich bedingt und wäre die längste Zeit frei gewe- sen. Tätigkeit ist unendlich perfektibel, das bedeutet die Fortschrittsidee. Eine perfekte Unendlichkeit ist aber ein Paradox. Fortschritt geschieht durch Fortschreiten. Käme er einmal zu Stande, so wäre die Freiheit erschöpft.
Erschöpfte Freiheit, das war die Charakteristik der Postmoderne. 'Auf ihren Begriff gebracht' wurde sie durch Donald Trump.
Der letzte Grund, auf den die Wissenschaftslehre in ihrem ersten, analytischen Teil stößt, ist das Noumenon des Wollens-überhaupt. Aus dieser Triebkraft allein ist der wirkliche Gang der Intelligenz zu erklären (=der zweite, synthetische Gang der Wissenschaftslehre).
Wollen ist aber stets Wollen von Etwas, wollen setzt einen Zweck, an dem es sich bestimmen kann. Dem Nou-menon des Wollens-überhaupt steht daher das Noumenon eines Zwecks-überhaupt gegenüber. Sowenig wie jenes ist er aber bestimmt; er ist bestimmbar, und dieses unendlich. Zweck-überhaupt ist die nicht erschöpfba-re Idee des Absoluten, und der Gang der Intelligenz wäre ohne sie ohne Richtung und könnte eine Vernunft nie ergeben.
aus Meine Emendation der Wissenschaftslehre.
Das ist kein rein-logischer Gewaltakt; nicht weil es den Begriff Wollen-schlechthin geben kann, 'muss' es logi- scherweise den Begriff des Zwecks-schlechthin geben; und 'daher' müsse die Sache 'das Absolute' (in den Vor- stellungen) wirklich vorkommen.
Sondern im zweiten, rekonstruierenden Gang der Wissenschaftslehre ist das Wollen-schlechthin sachliche Be- dingung des Vorstellens. Das Was des Wollens ist das schlechthin Bestimmbare, das Zubestimmende. Das wirkliche Vorstellen ist immer nichts anderes als ein Fortschreiten in der Bestimmung - des Zwecks. Dieser Fortschritt geht ins Unendliche und der Zweck-schlechthin bleibt auf ewig unbestimmt, weil bestimmbar. Ob er als solcher im Bewusstsein tatsächlich vorkommt, ist unerheblich: Er kann vorkommen, wenn man will; dar- auf kommt es an.
20. 7. 17
Zum Grundbestand des bürgerlichen Weltverständnisses gehört nach allgemeinem Übereinkommen das Fort- schrittssprinzip. Es ist nach postmoderner Auffassung dessen Erbsünde. Es ist aber zugleich Folge und Bedin- gung seiner Vernünftigkeit.
Sofern nämlich Vernünftigkeit im Prinzip der Freiheit begründet ist. Freiheit ist die Unbedingtheit des Bestim- mens, und Bestimmen ist Charakter der Tätigkeit. Ist das Bestimmen unbedingt, so sind seine Möglichkeiten unerschöpflich: Wären sie einmal erschöpft, so würde es schließlich bedingt und wäre die längste Zeit frei gewe- sen. Tätigkeit ist unendlich perfektibel, das bedeutet die Fortschrittsidee. Eine perfekte Unendlichkeit ist aber ein Paradox. Fortschritt geschieht durch Fortschreiten. Käme er einmal zu Stande, so wäre die Freiheit erschöpft.
Erschöpfte Freiheit, das war die Charakteristik der Postmoderne. 'Auf ihren Begriff gebracht' wurde sie durch Donald Trump.
Dienstag, 23. April 2019
Materiallogisch.
Es ist ärgerlich, dass als Logik seit vielen Generationen nur noch die formale Richtigkeit der Verknüpfung definierter Begriffe verstanden wird; das bringt manche Unsicherheit des Ausdrucks mit sich. Gr. logos heißt Wort, Sinn, Verstand, Bedeutung, und kommt von legein, das lesen, auflesen und durchschauen bedeutet. 'Logisch' sollte sich also auf alles beziehen, auf das diese Bezeichnungen zutreffen, und das ist ziemlich viel. Sein Gegensatz wäre nicht 'unlogisch', sondern faktisch - nämlich sofern man sich ein Faktum ohne seine Bedeutung denkt.
Denken kann man letzteres, aber, und das ist hier der springende Punkt, man kann es sich nicht vorstellen. Die Verengung des Begriffs Logik auf das korrekte Schließen aus gegebenen Begriffen setzt offenbar die Gegeben- heit der Begriffe notwendig voraus. Dann wären sie logisch das 'Erste'.
Das ist aber eine grundlose Annahme. Material-logisch beruhen die Begriffe auf Gehalten, und diese Gehalte sind Vorstellungen, die in begriffliche Form gebracht werden müssen, um sie operabel zu machen. Die Operalibili- tät der Begriffe macht ihre Form aus, die Vorstellungen sind der Stoff. Daher ist eine Darstellung der Art und Weise, wie sich sachlich eine Vorstellung aus der andern entwickelt, wie die eine in der andern Vorstellung schon enthalten sein mag, ohne als solche deutlich angeschaut worden zu sein - eigentlich ist eine solche Darstellung in einem eminenteren Sinn logisch zu nennen als die bloß-formale, in der Begriffe durch Schlussketten miteinan- der verknüpft werden.
Aber unser Sprachgebrauch lässt das nicht zu. Fichte hat das materiallogische Verfahren der Wissenschaftslehre daher genetisch nennen müssen, und es sah aus, als handle es sich zwischen logischer und historischer Betrach- tung um eine eigenständige Kategorie. In philosophischer Hinsicht erheblich ist aber die einfache Unterschei- dung zwischen historisch-faktischer und materiallogischer Betrachtung. Die formallogische Untersuchung ist ein Derivat, ein Reflexionsmittel zum Behuf des kritischen Geschäfts.
23. 7. 17
Nachtrag. Die formale Logik untersucht lediglich, durch welche Denkoperationen die Wahrheit einer Aussage auf eine andere Aussage übertragen werden kann. Danach, was Wahrheit ist, fragt sie dabei nicht, das muss sie voraussetzen, sonst braucht sie gar nicht erst anzufangen.
In dieser negativen Hinsicht hat die logische Demonstration allerdings einen sachlichen, nämlich kritischen Sinn: Nicht was das Wahre ist, nicht einmal, was wahr ist, fragt die Logik. Sie hat die ganz abstrakte, rein for- male Voraussetzung, dass ein Satz gilt. Was aber Geltung ist, kann man nicht fragen, weil sie eben... rein formal ist, ohne sachliche Bestimmung. Man kann allenfalls fragen, welche Form ein Satz haben muss... 'damit er gel- ten kann'?
Wenn er gelten soll.
Ob es Wahrheit gibt, kann man fragen. Nicht, ob es Geltung gibt: Man würde, man könnte keine Sätze sagen, wenn sie nicht gelten sollten. Das ist eine pragmatische Bedingung, aber sie ist absolut. Und sie ist nicht formal, sondern material. Die formale Logik setzt voraus, dass festgestellt ist, unter welchen Bedingungen ein Satz gel- ten kann, gelten soll, gelten muss. Diese Feststellung trifft die Wissenschaftslehre. Deren Logik ist material.
Montag, 22. April 2019
Das Mysterium des Anfangs.
Es ist das Mysterium des Anfangs. Der Anfang lässt sich nicht diskursiv denken, nicht begreifen, nämlich nicht auf seine Bedingungen zurückführen, denn die wären 'vor' dem Anfang, was widersinnig ist. Der Anfang lässt sich nur anschauen, nämlich actu: indem ich ihn mache.
Vom Urknall und dem Anfang von Raum und Zeit ist ja hier nicht die Rede. Es geht um den Anfang des Vor- stellens, aus dem Vorstellen tritt die Wissenschaftslehre an keiner Stelle hinaus; sie darf gar nicht anders als im- manent argumentieren.
29. 7. 17
Das Mysterium des Anfangs ist das Mysterium der Freiheit. Freiheit sei das Vermögen, absolut anzufangen, sagt Kant. Freiheit und Anfangen sind Wechselbegriffe, wer die eine leugnet, leugnet das andere.
Im sinnlichen Bereich lässt sich der Anfang umstandslos leugnen - ganz einfach, weil er nichts erklärt, doch um Erklärungen geht es beim positiven Wissen: Die sinnliche Welt ist das Reich der Kausalität und eo ipso der De- termination.
Der Urknall als Gegenstand der Naturlehre ist allerdings ein Paradox. Doch aufzulösen ist es nicht durch spe- kulative Philosophie, sondern durch die Naturlehre selbst. Ihr Zweck sind diskursive Sätze, ihre Mittel sind Begriffe. Sie wird ihre Begriffe hinreichend sophistizieren müssen. Vorstellen kann man sich ihre Sätze schon lange nicht mehr.
Eine übersinnliche Welt lässt sich dagegen ohne Anfang gar nicht erst denken. Übersinnlich sind im Unterschied zu den Dingen deren Bestimmungen. Wären sie nicht irgendwann unvermittelt - 'von außen' - zu den Dingen hinzu gekommen, wären sie deren Bestandteil und ließen sich nicht von ihnen unterscheiden.
Schlaumeier mögen sagen: Sie waren schon immer in oder an den Dingen - es hat sie nur niemand erkannt. Ja, dann muss wohl einmal einer mit dem Erkennen angefangen haben. Wie das? Indem er mit den Dingen etwas an- fangen wollte... Die Bestimmung, die er an dem Ding vorgefunden hat, ist Etwas: im Positiven oder Negativen die Absicht, in der er anfangen wollte. Er hat sie also nicht am Ding vor-, sondern in das Ding hinein gefunden. Was in ihm 'an sich' war, mag es in Ewigkeit bleiben und wird es nie zu Etwas bringen.
Sonntag, 21. April 2019
Das Übersinnliche ist Schema des Handelns.
Das Schema fürs Übersinnliche ist das Handeln.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 113
Nota I. - Im Übersinnlichen sind keine Dinge abgebildet, sondern das, was man mit ihnen tun kann. Die Begriffe der Dinge bezeichnen ihre möglichen Zwecke.
25. 7. 17
Nota II. - Handeln ist das erste Ursprüngliche. Zu Bewussstsein kommt es in der Reflexion. Im Begriff gerinnt das Handeln zu Sein und zerfällt in einen Tätigen und einen Gegenstand - und dazwischen, als das Vermittelnde, einen Zweck. Tätiger und Gegenstand sind sinnlich; bloß vorgestellt ist der Zweck. Er ist kein wirkliches Sein. Als seiend gedacht, ist er das Übersinnliche.
So muss die Reflexion ihre drei Teile wieder zusammenfügen, um ein wirkliches Handeln denken zu können. Der dritte, der nichtsinnliche Bestandteil ist kein Etwas, sondern lediglich Schema.
JE
Samstag, 20. April 2019
Die Realität des Absoluten ist die Suche danach.
The Holy Grail
Der unendliche Raum wird (nach Fichte) so konstruiert, dass an den je gegebenen endlichen Raum jedesmal wieder ein endlicher Raum angefügt wird. Das absolute Objekt des Strebens wird so konstruiert, dass zu jedem gegebenen Objekt der freien Wahl wieder ein nächstes Objekt der freien Wahl hinzugefügt wird. Die Idee des Endzwecks wäre also der Inbegriff aller möglichen Zweckbegriffe, die indes unendlich viele und als solche nicht bestimmbar sind. Real ist, was anschaubar ist, die Realität des Absoluten ist die Suche danach.
6. 8. 17
Alle Tätigkeit ist bestimmen. Die Ursache des Bestimmens ist das Wollen. Es ist der Wille zur Selbstbestimmung, eine prädikative Qualität. Sie ist Ursache ihrer selbst und als solche an sich unbestimmt. Als schlechthin unbe- stimmt ist sie ursprünglich absolut. Ihr sich-selbst-Bestimmen ist daher unendlich.
Der unendliche Raum wird (nach Fichte) so konstruiert, dass an den je gegebenen endlichen Raum jedesmal wieder ein endlicher Raum angefügt wird. Das absolute Objekt des Strebens wird so konstruiert, dass zu jedem gegebenen Objekt der freien Wahl wieder ein nächstes Objekt der freien Wahl hinzugefügt wird. Die Idee des Endzwecks wäre also der Inbegriff aller möglichen Zweckbegriffe, die indes unendlich viele und als solche nicht bestimmbar sind. Real ist, was anschaubar ist, die Realität des Absoluten ist die Suche danach.
6. 8. 17
Alle Tätigkeit ist bestimmen. Die Ursache des Bestimmens ist das Wollen. Es ist der Wille zur Selbstbestimmung, eine prädikative Qualität. Sie ist Ursache ihrer selbst und als solche an sich unbestimmt. Als schlechthin unbe- stimmt ist sie ursprünglich absolut. Ihr sich-selbst-Bestimmen ist daher unendlich.
Bestimmen heißt der Tätigkeit einen Zweck setzen. Unendliche Tätigkeit ist daher unendliches Zwecksetzen. Setzen eines nie als endlich setzbaren Zwecks. Ein unendlicher Zweck ist ein absoluter Zweck. Der Weg des Vorstellens führt von einem absolut unbestimmten Wollen zu einem absolut unbestimmten Zweck. Merke: Eine angebrochene Unendlichkeit bleibt so unendlich, wie sie je war. Für einen absolut Wollenden ist ein absolut un- bestimmter Zweck ein unendlich bestimmbarer Zweck. Er kommt ihm nachträglich vor, als habe er ihn immer schon gehabt.
Nota. - Das sind keine Begriffsbestimmungen, sondern Vorstellungen, die nur so machbar sind.
Nota. - Das sind keine Begriffsbestimmungen, sondern Vorstellungen, die nur so machbar sind.
Freitag, 19. April 2019
Geist ist Deutung des Gefühls.
Das Vermögen dieser Umwandlung ist die Ein- bildungskraft. – Sie ist Bildnerin. Ich rede nicht von ihr, inso- fern sie ehemals gehabte Vorstellungen wieder hervorruft, verbindet, ordnet, sondern indem sie überhaupt etwas erst zu einer Vorstellung macht. – Sie ist insofern Schöpferin des eigenen Bewußtseins. Ihrer, in dieser Funk/tion , ist man sich nicht bewußt, gerade weil vor dieser Funktion vorher gar kein Bewusstsein ist. Die schaffende Einbildungskraft. Sie ist Geist.
Resultat. Dieses Bild müssen wir selbst bilden.
Nun muss im Ich das liegen, was sie bildet.
(Wo ist der eigentliche philosophische Beweis dafür, dass die Einbildungskraft etwas im Ich zum Gegenstande haben müsse? - - Sie ist tätig - aber nicht auf das Ich, sondern auf ein Nicht-Ich. - Das Ich ist schon, wenigstens virtualiter, hevorgebracht, denn sowie sie ihr Produkt vorhält, hält sie es dem Ich vor. Das Ich wird aber nur durch Unterscheidung von einem Nicht-Ich hervorgebracht. Mithin muss ein solches zu Unterscheidendes vor- handen sein: und zwar im Ich vorhanden sein. -
Wie und warum im Ich? - Es kann nur durch ein Vermögen des Ich vom Ich unterschieden werden; mithin muss es Gegenstand dieses unterscheidenden Vermögens sein - also schon in diesem Vermögen liegen. - Eine Qualität, eine prädikative, des Ich.
Die (schaffende) Einbildungskraft selbst ist Vermögen des Ich. (Könnte sie nicht das einzige Grundvermögen des Ich sein? - Nein, darum nicht, weil das Produkt derselben vom Ich unterschieden wird: also auch nach ihrer Funktion noch ein Ich da ist.) Also es muss einen höhern Grund ihres Schaffens im Ich geben. - (Heißt im Grund das gleiche als: Es muss nocht etwas übrig bleiben, was Substrat des Ich ist, auf welches das Produkt der Einbil- dungskraft bezogen wird, und das ist offenbar das Fühlende, und im Gefühl liegt mithin der Urstoff des [sic], was die Einbildungskraft bildet. ... ___________________________________________________________________________________
J. G. Fichte, in Von den Pflichten der Gelehrten, Hamburg 1971 [Meiner], S. 126f.; desgl. in Gesamtausgabe II/3,
S. 297f.
Nota I. - Geist ist toto genere Einbildungskraft. Aber das Ich ist nicht Geist (vom empirischen Individuum ganz zu schweigen). Wenn die Einbildungskraft nicht etwas vorfindet, das sie dem Ich ein/bilden kann, ist sie arbeits- los. Nicht das, was sie vorfindet, bildet die Einbildungskraft, sondern das, was sie vorgefunden hat: was es ist, das es bedeutet.
Vorgefunden hat sie das krude Sinnesdatum: Gefühl. Das ist der Stoff, an dem die Einbildungskraft arbeitet. Er ist, auch ohne Einbildungskraft; er ist lediglich nicht dieses oder jenes.
*
So apodiktisch wie an dieser Stelle hat es Fichte meines Wissens nie wieder ausgesprochen. Natürlich: Denn es ist ein Ergebnis des Systems, das er doch erst noch auszuarbeiten hatte. Und wenn er es auch je fertig ausgearbei- tet hätte: Eine "feste Terminologie" ist der Wissenschaftslehre fremd, weil sie nicht erlernt, sondern nur selbst- gedacht werden kann. Für didaktische Zusammenfassungen dieser Art gibt es gar keine Berechtigung.
Daher kommt die hier wiedergebene Stelle auch nirgends in seinen Veröffentlichungen, aber auch - nicht in seinen mündlichen Vorträgen vor! Sie stammt vielmehr aus seinen eigenen Aufzeichnungen, die er zur Vorbe- reitung seiner öffentlichen Vorträge Über Geist und Buchstaben in der Philosophie angefertigt hat, die an die Pflichten der Gelehrten anschlossen. Diese Vorträge selbst sind nicht überliefert, wohl aber eine spätere Ausarbeitung für Schillers Zeitschrift Horen, die auf ihre Art selber Geistesgeschichte gemacht hat.
Dass er sie in dieser Form nie wiederholt hat, hat seinen guten philosophische Grund. Wer aber - wie ich - hi- storisch deutlich machen will, was Fichte wirklich gemeint hat, darf sie in der Darstellung ganz nach vorn setzen.
21. 8. 17
Nota II. - Eigentlich ist das Gefühl die Grenze zwische Ich und Nichtich, zwischen Subjekt und Objekt. Es ge- hört schon dem Ich an - aber verursacht doch durch das Nichtich. Allerdings nicht vom Nichtich aus eigner Ab- sicht, sondern durch den Widerstand, den es der tätigen Absicht des Ich entgegengesetzt hat. Es ist die ursprüng- liche Realität, aber ist doch bloß Vermittlung. Es ist die ursprüngliche Realität meiner Vorstellung. Vermittlung ist es für den kritischen Philosophen.
JE
Donnerstag, 18. April 2019
Kritisch ist die Alltagsvernunft; Philosophie ist kritizistisch.
...es ist gar nicht wahr, dass die Täuschung, die Dinge in Zeit und im Raum für Dinge an sich zu halten, unver- meidlich sei. Es ist allerdings notwendig, so auf sie zu handeln, als ob sie es wären; denn / unsere Handlung selbst geht durch das Medium der Vorstellung hindurch; man kann nicht handeln, ohne das Bild seiner Hand- lung sich vorzuhalten. Aber die Handlung und das Behandelte müssen notwendig aus demselben Reflexions- punkte angesehen werden.
Denn die technisch praktische Täuschung ist unvermeidlich. Kein Experiment, kein Kunstprodukt ist möglich, ohne die Formen der Sinnlichkeit dem Gegenstande zuzuschreiben, weil man sie in der Handlung sich selbst zuschreiben muss - aus einem Grunde, den ich zu seiner Zeit und an seinem Orte bestimmt darlegen werde. Es ist notwendig, so auf sie zu handeln, aber es ist gar nicht notwen- dig, sie so zu denken, wenn man sie bloß denkt, um sie zu denken.
Diese Täuschung im Denken gründet sich auf die bloße Gewohnheit, auf dem niedrigsten Punkte der Refle- xion zu bleiben. Diese Gewohnheit kann durch eine neue, durch fortgesetztes gründliches Nachdenken und durch stete Aufmerksamkeit auf sich selbst zu erwerbende Gewohnheit aufgehoben werden. Das Handeln zieht uns stets auf jene niedrige Stufe herab; aber bei der geringsten Reflexion auf sich selber kann man in jedem Augenblicke sich wieder ganz klar bewusst werdenb, dass man nur in der Welt der Erscheinungen lebe; durch die geringste Reflexion auf sich selber kann man sich wieder in das Gebiet der reinen Vernunft und der reinen Wahrheit erheben und wenigstens seinem Geiste nach in einer höheren Welt wandeln.
_______________________________________________________________________________________J. G. Fichte, "Über den Unterschied des Geistes und des Buchstabens in der Philosophie" in Von den Pflichten der Gelehrten, Hamburg 1971 [Meiner], S. 73f.
Nota I. - Im Handeln und für das Handeln ist die realistische Auffassung der Welt unumgänglich, und da wir den größten Teil der Zeit, den wir auf der Welt sind, mit handeln beschäftigt sind, ist sie gewissermaßen die richtige: Das wirkliche Handeln ist nur auf dem niedrigsten Reflexionspunkt möglich. Wenn ich momentan neben das Leben trete und mich und mein Handeln bedenke, nehme ich den Gesichtspunkt des Philosophen an, und ich werde ihn nicht gleich wieder vergessen, sobald ich er- neut ans Handeln gehe. Ich begebe mich wissentlich auf die realistische Auffassung herab und handle so als ob.
24. 8. 17
Nota II. - Kritisch ist Vernunft an sich, kritisch ist auch der gesunde Menschenverstand, er lässt sich kein X für ein U vormachen und geht Hütchenspielern nicht au den Leim. Anders könnten Verständigungshindernisse nicht dauerhaft aus dem Weg geräumt werden und wäre gesellschaftlicher Verkehr nicht möglich. Kritisch ist ein Den- ken, das bei jeder Bestimmung nach dem Grund fragt; aber natürlich nur bei Fragen, die strittig sind, andernfalls wäre es Zeitverschwendung.
Eine höhere Form der Alltagsvernunft ist die Wissenschaft. Sie fragt nach den Gründen der Bestimmungen systematisch, ohne besondern Anlass - sie macht ihre Gegenstände erst strittig.
Nach ihrer Berechtigung zum Fragen fragt sie freilich nicht jedesmal: Das wäre Zeitverschwendung. Dass sie gerechtfertigt ist, muss sie immer schon voraussetzen. Sie ist Wissenschaft des Wirklichen, sie ist keine Philo- sophie.
Philosophie ist die Feiertagsform der Vernunft. Sie kommt nach dem Alltag und vor dem Alltag. Einkehr und Erbauung sind Sache von Kunst und Religion; sie dienen der Reinigung und der Fortsetzung des Alltagschäfts mit erneuerter Energie. Kenner und Genießer behaupten sie als Selbstzweck.
Besinnung in eigentlicher Bedeutung, als Heraus- oder Hineinfindung von Sinn, nämlich des Zwecks der Zwecke, betreibt die Philosophie; feiertags, denn alltags bliebe sonst fürs Geschäft keine Zeit. Sie ist nicht bloß kritisch, sondern kritizistisch, indem sie nach der Rechtfertigung der Vernunft selber fragt. Die aber hängt problematisch in der Luft. Sie muss sich allezeit neu rechtfertigen, durch die Tat, ihre Rechtfertigung hat sie als Zweck vor Augen und hätte sie doch gern als Grund im Rücken.
Selbstzweck wie Kunst und Religion kann sie daher nie werden.
JE
Mittwoch, 17. April 2019
Vernunft, dogmatisch oder kritisch.
Osmar Schindler
"Ich meine, vernünftig zu denken, wenn ein Anderer, dem ich vor-denke, gar nicht anders kann, als mir nach-zu-denken und mir beizustimmen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder, ich lasse es drauf ankommen; das wäre die pragmatische, die 'findende', die problematische Version. Oder ich nehme eine prä-etablierte Überein- stimmung an, die eine andere Möglichkeit gar nicht offen lässt und einen wirklichen Andern gar nicht braucht; das ist die dogmatische Version..."
Fichte hat zwischen der pragmatisch-problematischen Auffassung, wonach die Vernunft sich aktual ergibt im wirklichen Verkehr vernunftbegabter Menschen - und insofern im besten Fall als proiectum aufzufassen ist -, und der dogmatischen Auffassung eines apriorischen Programms, das sich mittels vernünftig wirkender Individuen selbst verwirklicht, lange geschwankt; wobei in den früheren, sürmischen Jahren die Neigung zur aktualistisch-problematischen Version zu überwiegen scheint. Es war erst Jacobis Eingreifen in den Atheismusstreit, das ihn bewogen hat, sich schließlich für die dogmatische Variante zu entscheiden.
Von einer an sich seienden Vernunft vor der Zeit und vor ihrem "Erscheinen" in der Endlichkeit kann man nichts weiter wissen, nicht, wo sie herkommt, noch, worauf sie hinauswill. Da kann man nur glauben. An eine problematische Verunft, die auch scheitern mag, kann man nicht glauben, sondern man müsste sich ihrer jeden Tag neu vergewissern: Man muss wissen. Nämlich wo sie herkommt und worauf sie hinausläuft.
Her kommt sie aus der Fähigkeit der Menschen, wertend zu urteilen; das ist ihr ästhetisches Vermögen. Hinaus läuft sie auf eine ewig prozessierende Verständigung der Menschen über ihre gemeinsamen, nämlich öffentlichen Angelegenheiten; überall da, bis wohin die Notwendigkeiten reichen und ab wo frei gewählt werden kann: Von da an kann man fröhlich streiten.
19. 5. 2014
Vernunft und Dogma, das ist doch ein Widerspruch! Glauben ist das Gegenteil von Wissen, und Vernunft und Wissen sind Wechselbegriffe.
Und doch verfährt jedes aktuelle vernünftige Argument dogmatisch. Es setzt Vernunft als tiefsten Grund und als ultimativen Maßstab als gegeben voraus.
Sie muss deshalb nicht, wie Kant es nennt, dogmatist isch sein - indem sie sich als unhintergehbar und unbe- gründbar ausgäbe. Das zu zeigen, hielt Kant für seine Lebensaufgabe.
Aber der dogmatische Rationalismus hat seine Kritik überstanden, er entsteht mit dem Alltagsgebrauch der Vernunft jederzeit neu, die Kritik führt einen Stellungskrieg oder sie geht unter.
Heute ist sie wiedermal weitgehend untergegangen und Vernunft gilt als Denken mit Bügelfalte. Wer in einer philosophischen Diskussion ernstlich mit der Vernunft operierte, bekäme nicht einmal Widerspruch, sondern spöttische Blicke und spitze Bemerkungen.
Vernunft, die sich mit ihrem Alltagsgeschäft begnügt - und dazu gehört die Wissenschaft toto coelo -, ist nur halb. Sie stößt überall an Grenzen, die sie nicht überschreiten darf, und wirkt trocken und prosaisch. Wer "wei- tergehen" will, lässt sie hinter sich - anything goes - und öffnet Obskurantismus und Schwindel aller Art Tür und Tor.
Vernunft kommt erst zu sich, wenn sie sich ihrer Voraussetzungen annimmt. Und prompt findet sie, dass... sie keine hat als den freien Willen zu sich selbst. Ihre Begründung liegt nicht hinter ihr, sondern hat sie sich jederzeit voraus zu setzen: dass Wahrheit sein soll; und Schritt für Schritt neu zu setzen. Ihre Mühen sind keine Grenzen, sondern zu nehmende Hürden.
Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
"Ich meine, vernünftig zu denken, wenn ein Anderer, dem ich vor-denke, gar nicht anders kann, als mir nach-zu-denken und mir beizustimmen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder, ich lasse es drauf ankommen; das wäre die pragmatische, die 'findende', die problematische Version. Oder ich nehme eine prä-etablierte Überein- stimmung an, die eine andere Möglichkeit gar nicht offen lässt und einen wirklichen Andern gar nicht braucht; das ist die dogmatische Version..."
Fichte hat zwischen der pragmatisch-problematischen Auffassung, wonach die Vernunft sich aktual ergibt im wirklichen Verkehr vernunftbegabter Menschen - und insofern im besten Fall als proiectum aufzufassen ist -, und der dogmatischen Auffassung eines apriorischen Programms, das sich mittels vernünftig wirkender Individuen selbst verwirklicht, lange geschwankt; wobei in den früheren, sürmischen Jahren die Neigung zur aktualistisch-problematischen Version zu überwiegen scheint. Es war erst Jacobis Eingreifen in den Atheismusstreit, das ihn bewogen hat, sich schließlich für die dogmatische Variante zu entscheiden.
Von einer an sich seienden Vernunft vor der Zeit und vor ihrem "Erscheinen" in der Endlichkeit kann man nichts weiter wissen, nicht, wo sie herkommt, noch, worauf sie hinauswill. Da kann man nur glauben. An eine problematische Verunft, die auch scheitern mag, kann man nicht glauben, sondern man müsste sich ihrer jeden Tag neu vergewissern: Man muss wissen. Nämlich wo sie herkommt und worauf sie hinausläuft.
Her kommt sie aus der Fähigkeit der Menschen, wertend zu urteilen; das ist ihr ästhetisches Vermögen. Hinaus läuft sie auf eine ewig prozessierende Verständigung der Menschen über ihre gemeinsamen, nämlich öffentlichen Angelegenheiten; überall da, bis wohin die Notwendigkeiten reichen und ab wo frei gewählt werden kann: Von da an kann man fröhlich streiten.
19. 5. 2014
Vernunft und Dogma, das ist doch ein Widerspruch! Glauben ist das Gegenteil von Wissen, und Vernunft und Wissen sind Wechselbegriffe.
Und doch verfährt jedes aktuelle vernünftige Argument dogmatisch. Es setzt Vernunft als tiefsten Grund und als ultimativen Maßstab als gegeben voraus.
Sie muss deshalb nicht, wie Kant es nennt, dogmatist isch sein - indem sie sich als unhintergehbar und unbe- gründbar ausgäbe. Das zu zeigen, hielt Kant für seine Lebensaufgabe.
Aber der dogmatische Rationalismus hat seine Kritik überstanden, er entsteht mit dem Alltagsgebrauch der Vernunft jederzeit neu, die Kritik führt einen Stellungskrieg oder sie geht unter.
Heute ist sie wiedermal weitgehend untergegangen und Vernunft gilt als Denken mit Bügelfalte. Wer in einer philosophischen Diskussion ernstlich mit der Vernunft operierte, bekäme nicht einmal Widerspruch, sondern spöttische Blicke und spitze Bemerkungen.
Vernunft, die sich mit ihrem Alltagsgeschäft begnügt - und dazu gehört die Wissenschaft toto coelo -, ist nur halb. Sie stößt überall an Grenzen, die sie nicht überschreiten darf, und wirkt trocken und prosaisch. Wer "wei- tergehen" will, lässt sie hinter sich - anything goes - und öffnet Obskurantismus und Schwindel aller Art Tür und Tor.
Vernunft kommt erst zu sich, wenn sie sich ihrer Voraussetzungen annimmt. Und prompt findet sie, dass... sie keine hat als den freien Willen zu sich selbst. Ihre Begründung liegt nicht hinter ihr, sondern hat sie sich jederzeit voraus zu setzen: dass Wahrheit sein soll; und Schritt für Schritt neu zu setzen. Ihre Mühen sind keine Grenzen, sondern zu nehmende Hürden.
Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
Dienstag, 16. April 2019
Anschaubar wird Freiheit erst, wo sie auf Widerstand trifft.
Die reale Tätigkeit ist als solche nicht anschaubar, sie ist nicht Etwas, sondern bloßer Gedanke. Anschaubares Etwas wird die Tätigkeit erst, weil und wenn sie auf ein Hindernis stößt, welches sie aufhält. Nicht in ihrer Tä- tigkeit selbst ist Freiheit anschaubar, sondern erst, wenn sie ein Objekt wählt, das ihr entgegen steht.
Freiheit ist dem tätigen Ich als seine Bestimmung zuerst nur zugedacht, ihre Energie heiße reale Tätigkeit; sie 'sind' insofern, als sie den Sinn der Handlung ausmachen, die doch selber das einzig Anschaubare, das real-Reale ist. Sie ist der Ausgangspunkt der Wissenschaftslehre, und nachdem jene sie in ihrem ersten, analytischen Gang als den einzig möglichen Grund der Ichheit bloßgelegt hatte, setzt sie in ihrem zweiten, synthetischen Gang das System der Vernunft aus diesem seinen Grund wieder zusammen.
Auf Widerstand trifft Freiheit erst, wo aus dem Gedanken sinnliches Handeln wird: indem sie sich am Gegen- stand stößt.
7. 8. 17
Nachtrag. Dass Fichte zwischen Tätigkeit und Handlung unterscheidet, ist keine semantische Feinheit, sondern in einem gewissen Sinn die Grundlage der Wissenschaftslehre. Denn sachlicher Kern- und Angelpunkt der kri- tischen Analyse sowohl als der transzendentalen Rekonstruktion der Verunft sind weder das Ich noch die ihm als wesentlich zugeschriebene Tätigkeit - die erscheinen erst dem reflektierenden Verstand. Die reale Gegeben- heit, an der die Analyse ihren Halt und die Rekonstruktion einen festen Baugrund findet, ist das Handeln - nur im Handeln geschieht Einheit einer intelligiblen und einer Sinnenwelt, anders wäre ihre Unterscheidung gar nicht möglich. Erst hier begegnen sich Gegenstand und Zweck und bestimmen einander zu Geist und Stoff.
Die ontologisch-metaphysische Frage nach der Priorität des einen oder des andern war beantwortet, bevor sie gestellt werden konnte; denn Aufgabe war gar nicht ihre Vereinigung, sondern ihre Scheidung. Die erste ist ge- geben vor allem Bewusstsein, die zweite dessen unvermeidliches Resultat. Um sie wieder aufzuheben, ist es nötig, dass das Bewusstsein seiner selbst bewusst wird; als Transzendentalphilosophie.
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