Philosophie ist wissenschaftlich nur als Kritik. Und nur als Kritik sollte sie sich zu einem System ordnen lassen. Negativ zwar, sofern ihr letzter Grund darin aufgefunden wird, dass ein realer Urgrund des Wissens sich nicht nachweisen lässt. Sie ist Wissen des Wissens und endet in der Einsicht, dass das Wahre als beabsichtigter Gegen- stand des Wissens nicht aufgefunden, sondern postuliert wird. Ein solches Wissen vom Wissen ist in seiner Ne- gativität rein formal und hat keinen Inhalt.
Das war aber nicht die Absicht, aus der heraus die Philosophie entstanden ist. Sie wollte im Gegenteil ein posi- tives Wissen, das als Wegweiser zur richtigen Lebensführung taugt. Die Kritik zeigt nun: Mit theoretischen Mit- teln ist das nicht zu haben. Die richtige Lebensführung lässt sich nicht ergründen, sondern kann nur entworfen werden. Sie muss frei erfunden werden, und ihr einziger Maßstab* ist Schönheit – nämlich ob sie vor allem In- teresse gefällt. Da kann die theoretische, wissenschaftliche, kritische Philosophie allerdings sekundär behilflich werden: indem sie die Interessen ans Licht zieht und abweist.
Die Kritik fügt dem Wissen sachlich nichts hinzu. Sie macht aber durch ihre Distinktionen das Wissens selbst – nicht erst das Gewusste – zu einem möglichen Gegenstand des Urteils: Was ist vor-, was ist nachgeordnet? Sie prüft den Wert des Wissens und ist also selber praktisch.
Daraus erhellt aber zugleich, dass der Maßstab zur Beurteilung des Wissens nicht in ihm selber aufzufinden ist, sondern ihm 'vor'-, d. h. übergeordnet war. Die 'Begründung' des Wissens geschieht actu im 'metaphilosophi- schen' Raum – und hat sich in der praktischen oder Lebensphilosophie zu bewähren. Sie ist eine pragmatische Fiktion, und insofern eben doch: 'Hypothese', genauer: Hypostase. Ist nicht proiectio, sondern proiectum. Und dies ist das einzige 'Interesse', das der Kritik standhält.
*) Einen Urteilsgrund gibt es nicht. Und ein Urteil ohne Grund nennen wir 'ästhetisch': Es hat als Anhaltspunkt nichs als den Geschmack.
irgendwann in 2010
Allard, Un enfant des Abruzzes
Es ist Ihnen
vielleicht manchmal vorgekommen, als trüge ich meine Aussagen zu selbstsicher vor,
ohne die ge-botenen Kautelen und Rücksichten.
Das dient
zunächst einmal der Klarheit. Dass das, was ich vortrage, 'nur meine
persönliche Meinung' ist, versteht sich von selbst. Wenn andere es auch
vortrügen, könnte ich es mir sparen. (Das gilt auch für Sätze, die Ihnen
trivial erscheinen; nicht alle wiederhole ich in didaktischer Absicht; manche waren für mich, als ich sie nieder-schrieb, neue
Gedanken.)
Weshalb glaube
ich aber, dass ich zum Besten geben soll, was mir einfällt? Wenn das jeder täte!
Ich fühle mich
ermächtigt und angehalten, meine Meinungen öffentlich zu machen, weil ich
gewiss bin, einen Standpunkt gefunden zu haben, von dem aus einige Fragen lösbar
oder besser lösbar erscheinen, als von anderen aus. Und den Standpunkt habe ich gefunden, aber nicht gesucht. Er hat sich ergeben als
gemeinsamer Nenner von Einzelergebnissen.
Was ist also mein Eigenes?
Zunächst ein
paar Realien, die als solche weit auseinander liegen und nach einem gemeinsamen
Nenner nicht gerade schreien.
1.
Da ist zuerst meine Auffassung der Species homo sapiens als die ("kindlichste"
und eo ipso:) "männlichste" Spezies – weltoffen, unreif und bildsam. Soweit
ich weiß, bin ich bis heute der einzige, der diese Ansicht vertritt.
2.
Zweitens meine Auffassung der spezifisch europäischen Feudalität und ihrer vielfach bedingten Eigentums- und
Herrschaftsformen als historische Voraussetzungen für die Ausbildung einer bürgerlichen
Gesellschaft; und insofern als
prägend für die abendländische Kultur. Das mag vor mir schon mancher
andere gemeint haben, aber direkt ausgesprochen habe ich es noch
nirgendwo sonst gefunden.
3.
Meine Kennzeichnung der 1990 untergegangenen Gesellschaften sowjetischen Typs
als feudalbürokratische Ver-knappungs- und Vergeudungssysteme. Das ist, so feuilletonistisch die Formulierung klingt, ein ernstgemeinte histori-sche Charakterisierung.
4.
Viertens ein Stück Philologie: meine Auffassung, die Kritik der Politischen Ökonomie sei nicht zu begreifen mittels der
Hegel’schen Logik, sondern mittels
der 'Kritischen' Philosophie alias Wissenschaftslehre.
5.
Daraus folgt – wiederum als Realie – meine Ansicht vom Absterben des Tauschwerts im Laufe der Digitalen Re-volution.
Soweit
die realen historischen Theorien, die Sie nirgends anders vertreten finden. Sie
hängen zwar nicht ab von –, aber doch (zumindest methodisch) zusammen mit meinen
eigentlich philosophischen Einsichten:
Da
ist zuallererst und für mich am wichtigsten meine Auffassung der Fichte’schen Wissenschaftslehre
nicht als eine Theorie des Bewusstseins,
sondern als eine Begriffsbestimmung der Vernunft.
Diese 'Meta'-Einsicht stammt aus (und rechtfertigt) einige(n) philosophische(n) 'Objekt'-Erkenntnisse(n):
1) 'Die Welt' – und die ihr adäquate Bewusstseinsweise der Vernunft – ist eine Überkompensation der im Prozess der
Hominisation aufgegebenen und naturwüchsig sinnsetzenden Umweltnische.
2)
Dies ist der Ur-Sprung des Specificum Humanum: unseres poietischen Vermögens.
3)
Das zwiespältige Resultat dieses Verlustes & Neuerwerbs ist die Freiheit als Folge des Zerfalls der
angestamm-ten Umweltnische in unsere Welt
und meine Welt.*
4)
Die Form der Vernunft in specie ist die
Wissenschaft, die systematische Rekonstruktion unserer Welt. Als solche ist sie spezifisch öffentliches Wissen (wie überhaupt die Spaltung von unserer und
meiner Welt ihre reelle Entspre-chung findet in der spezifisch bürgerlichen Scheidung
von Öffentlich und Privat).
5)
Die Wissenschaftslehre ist die vor-begriffliche Rekonstruktion der Erfindung
von meiner Welt mit der Ver-nunft als
ihrem terminus ad quem.
6)
Das Absolute als das unvermeidliche
Korrelat ('wozu?') des sich-selbst-setzenden
Ichs ist eine ästhetische Idee. Sie ist
der Vereinigungspunkt, von dem aus unsere Welt und meine Welt zugleich überschaubar werden.
7)
Metaphilosophie und Praktische Philosophie verhalten sich zueinander wie Frage
und Antwort. Zwischen beiden steht als Klammer und Scheidelinie die Kritik. Metaphilosophie und Praktische
Philosophie bilden zu-sammen (=als Frage und Antwort) die Anthropologie. Zwischen beiden liegt die Kritik als eine Selbstreflexion
der Anthropologie.
*[Nachtrag Jan. 2018: Daraus folgt die Zuordnung der Vernunft (und des Rechts) zu unserer Welt - und der Mora- lität zur Ästhetik und zu meiner Welt.]
*[Nachtrag Jan. 2018: Daraus folgt die Zuordnung der Vernunft (und des Rechts) zu unserer Welt - und der Mora- lität zur Ästhetik und zu meiner Welt.]
*
Das
ist alles nicht der Weisheit letzter Schluss, aber so ist es in der
Philosophie immer. Doch immerhin recht-fertigt es die Hartnäckigkeit, mit
der ich meine Blogs betreibe. Und wenn ich – vielleicht nicht in allem, aber im wesentlichen – Recht habe, wäre es nötig, dass sie gelesen werden.
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