Montag, 3. Juni 2019

Eindeutige und ungefähre Wahrnehmung.

Titi-Springaffe   

Die Auffassung der Erscheinungen der Welt als eindeutig zu Unterscheidende nennen wir die digitale, die Auf- fassung der Erscheinungen als gleitendes Kontinuum nennen wir eine analoge. Um die digitale Wahrnehmung so wiederzugeben, dass ein Anderer sie identifizieren kann, braucht man ein unmissverständliches Zeichen, ein digit, am besten ein - Wort. Eine analoge Wiedergabe bedarf eines kontinuierlichen Signalsystems.

Was war eher da - die digitale Wahrnehmungsweise des Menschen oder seine sprachliche Mitteilungsweise? Ich wage mal eine Spekulation: Es war die Wiedergabe durch spezifische Wortzeichen, die durch Äonen unser Be- wusstsein geprägt, nämlich überhaupt erst möglich gemacht hat, und diese Bewusstseinsverfassung hat ihrer- seits seine Wahrnehmung geprägt.


 
Und siehe da: Eine 'vernünftige' Weltanschauung, und darunter verstehen wir seit gut 200 Jahren eine, die die Phänomene einander als Ursachen und Wirkungen zuordnet, ist nur bei einer digitalen Unterscheidung der Wahrnehmungen möglich: Eine Erscheinung muss als diese Eine spezifiziert worden sein, um ihr 'diese eine' Ursache zuschreiben zu können. Wessen Wahrnehmung aus ineinander übergehenden Bildern besteht, muss sich mit erfahrungsmäßiger Wahrscheinlichkeit bescheiden.

Merke: Die Unterscheidung nach Ursache und Wirkung ist reflexiv, sie schaut sich um: 'Da' ist die Erscheinung, die Ursache muss als hinter ihr verborgen angenommen werden - als schon geschehene, und durch sie ist sie bestimmt. Der probabilistische Blick in die Welt sieht nach vorne, er erwartet etwas; doch das Etwas ist analog, nur ungefähr, noch unbestimmt.


Nachtrag.

Doch wer sich durch die digitale Verfassung seines Merksystems einmal auf die kausalistische Weltanschauung festgelegt hat, wird Schwierigkeiten bekommen, wenn er Phänomene verstehen soll, die nicht in dieses Schema passen. Da ist auf der einen Seite der kontinuierliche Verlauf systemischer Prozesse, und auf der entgegengesetzten Seite das Phänomen der Emergenz, das aus heiterm Himmel zu kommen scheint - und beide sind zwei Seiten einer Medaille.








 

 


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