Das Feld der Philosophie in dieser weltbürgerlichen Bedeutung läßt sich auf folgende Fragen bringen:
1) Was kann ich wissen?
2) Was soll ich thun?
3) Was darf ich hoffen?
4) Was ist der Mensch?
Die erste Frage beantwortet die Metaphysik, die zweite die Moral, die dritte die Religion und die vierte die Anthropologie. Im Grunde könnte man aber alles dieses zur Anthropologie rechnen, weil sich die drei ersten Fragen auf die letzte beziehen.
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Immanuel Kant's Logik, ders., Akademie-Ausgabe IX, S. 25
Anthropologie ist die Beantwortung der Frage:
Ist das Wesen des Menschen...
a) eine Bestimmung, die dem historischen Prozess als ein Auftrag "zu Grunde liegt" und als Programm, das es ('nur noch') zu "erfüllen" gilt?
Oder
b) ein Problem, das "gelöst werden" soll?
- Beide Auffassungen sind aber nicht (logisch) gleichwertig. Denn die Version a) ist um ihre Begründung verlegen. Wo immer sie ihre Begründung herleiten mag - es gibt immer noch "irgendwas", das 'hinter' ihr liegt; usw. in infinitum.
Dagegen bei b) ist der Anfang auch das Ende: Das Wesen des Menschen ist "ein Sein, das nach dem Sein fragt"; Heidegger. Also das Leben des Menschen hat den Sinn, dass er nach dessen Sinn fragen soll. Aber dahin musste es erst kommen. Der Sinn der ('menschlichen') Geschichte ist, dass er sich an ihrem Ausgang "zur Freiheit verurteilt" findet.
Theoretisch und praktisch.
derStandard
Das spezifisch Menschliche ist nicht die Möglichkeit der Erkenntnis, sondern die Notwendigkeit des Wertens. Der Mensch kann nein sagen heißt: er muss ja oder nein sagen. Er muss wählen. Dafür braucht er einen Grund. Den Grund muss er ansehen, als ob er seiner Wahl vorausgesetzt* war - weil er in der Zeit lebt.
Erkennen heißt, die Eigenschaften einer Sache nach ihrer Tauglichkeit beurteilen. Das ist eine Fähigkeit alles Lebendigen. Allein der Mensch muss auch wissen, wozu sie ihm taugen soll.
aus e. Notizbuch, 28. 5. 03
*) ...er ihn also nicht selbst gesetzt, sondern aufgefunden hat.
Auf dem Felde der Theorie ist der Mensch den Tieren nur graduell überlegen, und wenn es noch so weit ist. Im Praktischen ist er ihnen aber substanziell überlegen.
Das anthropologische Apriori.
Der Mensch ist ein Wesen, das auf alle Dinge mit der Erwartung blickt, einen Sinn darin zu finden: Das ist das (historisch gewordene) Apriori der Transzendentalphilosophie, das ist das Geheimnis des transzendentalen Ichs und seiner "Freiheit". Denn der Sinn war nicht, wie Herbart und alle dogmatischen Denker annehmen, "vernommen", sondern gemacht.
Bevor man irgendetwas Faktisches im menschlichen Geistesleben betrachtet, muss man diese Prämisse immer schon vorausgesetzt haben: eine grundsätzliche Bereitschaft zum Tätigwerden war immer schon "vorher da"; anders wird man nichts verstehen.
aus e. Notizbuch, 13. 8. 03
Bedeutung ist das, was mich veranlassen kann, so oder anders zu handeln. Sinn ist der Inbegriff der Bedeutungen. Nur weil der Mensch grundsätzlich zum Handeln gestimmt ist, muss er unentwegt nach einem Sinn suchen.
Animal transcendens.
mzibo.netA und O der Philosophie: Der Mensch ist das einzige Tier, dass sich mit seinem Dasein nicht begnügen kann. Es füllt ihn nicht aus, weil er das einzige Lebewesen ist, das nicht (mehr) an seinem angestammten Platz lebt, wo er hingehört und der ihm seine Bestimmung vorgibt, die er nur noch zu erfüllen hat. Er lebt in einer Welt, die keine Grenzen hat, die er ausfüllen könnte.
In der Welt fühlt er sich ständig unterwegs und nie an seinem Platz. Der eine kommt sich als geworfen vor, der andere als ausgesandt; und keiner aufgehoben. Dazwischen spielt sich alle Philsophie ab.
Das A selber ist noch kein philosophisches Problem, sondern ein entwicklungsgeschichtlicher Sachverhalt.
aus e. Notizbuch, Frühsommer 09
Weitergehen müsste es mit O: der sekundären Freisetzung des Menschen durch das Ende der industriellen Zivilisation in der digitalen Revolution; dazwischen liegt die selbstgebaute Umweltnische der Arbeitsgesellschaft. - Soweit die anthropologische Basis allen Philosophierens.
Es beginnt mit der Frage, wohin. Darauf folgen viele - erst mythische, dann religiöse, schließlich vernünftige - Antworten, doch selbst die vernünftigen Antworten können der Kritik schließlich nicht standhalten. Und am Schluss steht doch wieder nur die Frage: wohin. Der einzig positive Ertrag der Kritik ist der: Nach dem Wohin ist nicht in der Welt zu suchen, sondern es findet sich mit dem Gehen selbst.
*
Das
Kernproblem der philosophischen Anthropologie: Wie kam der Mensch dazu,
Qualitäten als wahr und wert zu nehmen, die etwas Anderes sind als größere oder
geringere Zweckmäßigkeit bei der Selbst- und Arterhaltung? Mit andern Worten: Wie kam der
Mensch zu seinem 'poietischen', d. h. ästhetischen Vermögen?
*
*
“Anthropologie statt Metaphysik” – unter diesem Titel veröffent- licht Ernst Tugendhat, jahrzehntelang der Leuchtturm der – auch von ihm so genannten
– Analytischen Philosophie im deutschsprachigen Raum, sein jüngstes
Buch. Wenn alle Wortverwendungen analysiert und alle sprachlichen Fallen
entlarvt worden sind, bleibt trotzdem noch immer… die Welt ein Rätsel.
Nach wie vor Wittgenstein. Und sogar der hat nichts anderes gemeint. Es
ist begrüßenswert, wenn seine Systematisierer am Ende auch zu dieser
Einsicht finden.
Heute schreibt Tugendhat, “dass die philosophische Anthro- pologie an die Stelle der Metaphysik als ‘philosophia prima’ treten sollte, und dass die Frage ‘Was sind wir als Menschen?’ diejenige Frage ist, in der alle anderen philosophischen Disziplinen ihren Grund haben.”* Und stante pe “ergibt sich sofort der Rekurs aufs menschliche Verstehen als natürlicher Ausgangspunkt, und genau so bei allen einzelnen philosophischen Disziplinen wie z.B. Logik, Ästhetik, Handlungstheorie usw. Es fällt schwer, sich eine philosophische Disziplin denken zu sollen, die nicht auf das menschliche Verstehen zurück weist.”
Heute schreibt Tugendhat, “dass die philosophische Anthro- pologie an die Stelle der Metaphysik als ‘philosophia prima’ treten sollte, und dass die Frage ‘Was sind wir als Menschen?’ diejenige Frage ist, in der alle anderen philosophischen Disziplinen ihren Grund haben.”* Und stante pe “ergibt sich sofort der Rekurs aufs menschliche Verstehen als natürlicher Ausgangspunkt, und genau so bei allen einzelnen philosophischen Disziplinen wie z.B. Logik, Ästhetik, Handlungstheorie usw. Es fällt schwer, sich eine philosophische Disziplin denken zu sollen, die nicht auf das menschliche Verstehen zurück weist.”
Ich habe noch nie eine philosophische Tageslosung gehört, der ich so vorbehaltlos zustimmen konnte. Und sogar seinen Vorbehalt gegen die philosophische Anthropologie, wie sie Scheler, Gehlen und Plessner hinterlassen haben, teile ich. Es ist ihnen nicht gelungen, den Ursprung des menschlichen Verstehens in der Evolutionsgeschichte sichtbar und… ‘verständlich’ zu machen.
An genau diesem Punkt glaube ich aber, mit der Unterscheidung zwischen ‘meiner’ Welt und ‘unserer’ Welt selber einen Beitrag geleistet zu haben, der manches Rätsel auflöst.
Nach zweieinhalb Tausend Jahren Philosophie mit systematischem Anspruch ein Begriffspaar einführen zu wollen, für das es in der Literatur kein Vorbild gibt, ist kühn und muss gerechtfertigt werden. Zunächst einmal: Ich bin nicht ex litteris und durch begriffliche Konstruktion (aus gegebenem Material) darauf gekommen, sondern aus lebendiger Anschauung. Das mag als Eingangsrechtfertigung gelten. Das Nachzeichnen des Erfahrungsgangs macht zugleich deutliche(er), was gemeint ist
Paradigma der modernen (bürgerlichen, westlichen…) Weltanschauung ist das vernünftige Subjekt. Es ist ‘definiert’ – in seinen Grenzen festgelegt – durch seine zwei bestimmten Gegensätze, die im Prozess seiner historischen Ausbildung hinter ihm ‘zurück geblieben’ sind: Der Narr und das Kind. Sie beide sind nicht das, was das vernünftige Subjekt ist, der eine noch nicht, der andre wird es nie: ein nüchtern die Vorteile kalkulierender Teilhaber am allgemeinen Verkehr; mit andern Worten: “erwachsen”.
Jahrzehnte lang hatte ich durch meinen Erwerbsberuf gerade mit diesen beiden ‘residualen’ Gegensätzen zur Vernünftigkeit zu tun – mit 1) Kindern, die 2) als närrisch alias “gestört” galten.
Worin bestand die “Störung”? Das Kind lebte mehr oder weniger zurückgezogen ‘in seiner eignen Welt’, zu der es nur ausnahmsweise und zufällig Andern Zutritt gewährte. Mit andern Worten, in der ‘Welt der Wirklichkeit’ lebte es nicht oder nur gelegentlich ‘aus Versehen’. Das ist wohl bemerkt keine Analyse, sondern bloß die Beschreibung eines anschaulich gegeben Phänomens. Aber sie beruht auf einer Prämisse: dass die ‘wirkliche Welt’ die wahre und die ‘eigne Welt des Kindes’ die falsche sei. Wodurch unterscheiden sich beide Welten aber in Wahrheit?
Die ‘Eigenwelt des Kindes’ ist ein Phantasma – zugegeben. Sie ist “subjektiv”. Ist ‘die Wirklichkeit’ objektiv? Das steht in der Sternen. Die Transzendentalphilosophie hat seit gut zweihundert Jahren ihre Einwände, aber wer weiß das heut schon noch? Doch seit der postmodernen Karriere des ‘Konstruktivismus’ pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Die ‘Wirklichkeit’ der verständigen Erwachsenen ‘ist auch nur ein Konstrukt’. Was bleibt also übrig vom Unterschied von Wirklichkeit und Eigenwelt des Kindes? Das eine ist ein öffentliches, das andre ist ein privates Konstrukt: Phantasmen alle beide! Was ist der Vorteil des einen vor dem andern? In diesem können Alle vorkommen und – mehr oder weniger – auskommen, in jenem nur Einer: Das ‘gestörte Kind’ selbst. Aber das ist ein rein pragmatischer Unterschied und kein (onto-)logischer.
Werfen wir einen zweiten Blick auf das Scenario: Zuerst unterschieden wir gar nicht zwischen einem Ich und einer Welt (geschweige denn zweien). – ‘Zuerst’? Ich war nämlich schon ‘da’, bevor ich ‘zur Welt gekommen’ bin. Nicht als der, der ich heute bin, aber auch nicht als ein wirklich anderer. Damals war ich eins mit dem, was mich umgab; buchstäblich. Im Moment der Geburt kam dann erstmals etwas Fremdes hinzu; zumindest fremde Hände. Das Kind schreit, wenn es ‘zur Welt kommt’. Wegen der Andersheit des Andern, der Andern…? Noch längere Zeit könne der Säugling, wird uns gesagt, nicht zwischen ’sich-selbst’ und der Mutterbrust unterscheiden. Jean Piaget spricht vom “ursprünglichen Adualismus” des Kindes.
Erst nach und nach treten Selbst und der-die-das Andere auseinander, und auch nicht gleich als ein Gegensatz, sondern eher in Gestalt von konzentrischen Kreisen, gestaffelt vom ganz-Eignen bis zum ganz-Fremden. Wie die Scheidung dann schließlich gelingt und immer tiefer geht, ist eine Frage der Psychologie. Die empirische Person ist ein unablässiges Werden. Das Ich der Philosophen ist etwas anderes, es ist nicht empirisch, sondern logisch, und als solches wird es nicht, sondern ist; jedenfalls in der Vorstellung. Aber die Welt, die die empirische Person nach und nach von sich unterscheidet, die wird. Und sie wird täglich größer. Es kommen immer neue ‘Dinge’ darin vor. Verglichen damit wird die Person kleiner…
Noch einmal zurück: In der ‘Eigenwelt’ des Narren kommen ja keine andern Gegenstände vor als in der Welt des Verständigen. Den einen oder andern Gegenstand mag er vielleicht nicht “wahr haben”, aber die, die er wahr nimmt, sind dieselben, die auch die andern wahr nehmen. Sie unterscheiden sich nicht darin, dass (oder ob) sie wahr genommen werden, sondern wie sie wahr genommen werden, “als was” sie wahr genommen werden. Sie unterscheiden sich nicht nach ihrer Gegenständlichkeit, sondern nach ihrer Bedeutung.
Die Bedeutungen der Dinge sind jedenfalls nicht ‘objektiv’. Etwas bedeutet etwas für jemanden. Bedeutung hat ihren Ort im Subjekt. Bedeutung steckt nicht im Ding selbst, sondern wird ihm zugeschrieben, zu-gedacht.
Was ist Bedeutung? Bedeutung ist ‘dasjenige an’ dem Ding, das mich oder einen andern dazu veranlassen kann, so oder anders zu handeln. Wobei unter Handeln schon das abstrakteste Entscheiden für das Eine und gegen das Andere verstanden sein soll: Urteilen im aller allgemeinsten Sinn.
Man möchte meinen, das sei genau das, was den Menschen von allen andern Lebewesen unterscheidet: dass er urteilt.
Dabei ist freilich die Unterscheidung zwischen einem ‘Ding’, wie es schlicht und einfach nur ‘da ist’, und dem, was es für mich bedeuten könnte, selber schon eine Urteil.
Wir nehmen nicht ‘zuerst’ die Gegenständlichkeit der Gegenstände wahr und denken uns ‘dann’ zu ihnen eine Bedeutung hinzu; sondern im unmittelbaren alltäglichen Erleben ‘begegnen’ sie uns ungeschieden als Eines und Dasselbe. Denn wir wurden in eine Welt geboren, in der alles eine Bedeutung längst hat; nämlich für die, die vor uns auf der Welt waren und uns Neuen ihre Welt nun zeigen – von unserm ersten Tag an. Die Welt ist von den tausenden Generationen, die vor uns waren, längst ausgedeutet worden. Diese Bedeutungen haben sie uns überliefert in einem gewaltigen Tableau von Symbolen, von denen jedes ’seine’ Bedeutung bezeichnet, und die untereinander artikuliert sind durch ein Netz von Verweisungen und Bezügen. Und das sind nicht bloß die Wörter, die wir aussprechen können! Die gesellschaftlichen Institutionen, jedes Kulturgut, die konventionellen Weisen des gesellschaftlichen Verkehrs tragen alle eine “Botschaft”, sie sind Symbol, sie ‘bedeuten sich selbst’.
Bedeutungen mögen sich im Laufe der Jahrtausende verschieben. Aber daran, dass ein jedes Ding seine Bedeutung hat, kann das nichts mehr ändern. Wer neu hinzu kommt, erhält keine Gelegenheit, daran zu zweifeln. Allenfalls kann er fragen: Was bedeutet Dieses? Und dass es fraglich ist, ist dann eine ganz eigentümliche Bedeutung des Dinges…
Und bevor die Menschen da waren? Hatten da die Dinge ‘noch keine Bedeutung’?
Die Menschen sind nicht über Nacht vom Himmel gefallen, sie waren “vorher schon da” – doch zu Menschen sind sie erst geworden. Sagen wir der Einfachheit halber: Vorher waren sie Tiere unter andern Tieren.
Ein Tier unterscheidet nicht zwischen einem Ding und seiner Bedeutung. Dazu müsste es urteilen können, aber dazu fehlen ihm die Voraussetzungen. (Lassen wir einstweilen beiseite, welche das sind.) Erlebt es nun ‘Dinge’ ohne Bedeutung?
Auch das Tier lebt nicht in einer Welt, die lediglich ‘der Fall ist’, sondern in Bedeutungen. Evolution ist Auslese und Anpassung. Im Laufe ihrer Geschichte hat jede Spezies ihre ökologische Nische gefunden, in die sie besser passte als in jede andere, und hat sie zu ihrer ‘Umwelt’ umgewidmet; baut Nester, Höhlen, Staudämme, und bestäubt die Pflanzen, von denen sie lebt. Jede tierische Umwelt bildet nach Jakob von Uexküll, dem Begründer des biologischen ‘Umwelt’-Begriffs, “eine in sich geschlossene Einheit, die in all ihren Teilen durch die Bedeutung für das Subjekt beherrscht wird. Alles und jedes, das in den Bann einer Umwelt gerät, wird umgestimmt und umgeformt, bis es zu einem brauchbaren Bedeutungsträger geworden ist – oder es wird völlig vernachlässigt.” Was nicht zum Funktionskreis Tier-Nische gehört, wird – selbst ‘in seiner Gegenständlichkeit’ – gar nicht erst wahr genommen.
Was nun die Dinge seiner Umwelt dem Tier bedeuten, “versteht sich von selbst”, es ist ins genetische Programm der Species eingegangen – da muss es das Individuum nicht auch noch verstehen. Durch Vererbung sind die Gattung und ihre Umwelt miteinander ‘verwandt’. Der Mensch dagegen muss die Bedeutungen der Dinge, die ihm durch Symbole übermittelt wurden, jedes Mal wieder selber realisieren, nämlich ’sich vorstellen’.
Die Bedeutungen tierischer Umwelten haben freilich einen gemeinsamen Nenner: Sie sind Funktionen der Erhaltung – der Individuen wie der Art. Was keinen Erhaltungswert hat, kommt in ihnen, wenn es auch ‘da’ ist, einfach nicht vor. Der Mensch hat jedoch vor Jahrmillionen seine Urwaldnische verlassen und ist aus der ererbten Umwelt in eine fremde Welt aufgebrochen.
Als sich vor zwei , drei Millionen Jahren in Ostafrika das Klima erwärmte und den Regenwald zu einer Feuchtsavanne ausdünnte, zogen sich unsere Vorfahren nicht, wie ihre äffischen Vettern, mit dem Dschungel zurück, sondern stiegen stattdessen auf den Boden herab. Eine Feuchtsavanne ist kein einheitlicher Lebensraum, an den man sich spezialistisch “anpassen” kann. Sie besteht aus vielen Vegetations- und Klimainseln, wo ganz unterschiedliche Bedingungen gegeben sein mögen, aber von denen keine einem großen Säuger als dauernder Wohnort ausreicht. Jedenfalls gewöhnten sie sich an, von einer zur andern zu wechseln. Über Millionen Jahre lebten unsere Vorfahren von da an als Nomaden und Entdeckungsreisende.
Dabei begegnet ihnen erstens immer wieder Unbekanntes – das ‘noch keine’ Bedeutung hatte; und zu den Bedeutungen, die ihnen der Urwald in Jahrmillionen angeerbt hatte, fanden sie nicht mehr die passenden ‘Dinge’. Sie mussten ’sich was einfallen lassen’, mussten Bedeutungen ahnend neu ‘heraus’-, d. h. hinein-finden, und mussten Fremdes mit dunklen Erinnerungen an Vergangenes vergleichen. Sie mussten sich ein Bedeutungsreservoir angelegen, das übertragbar, das tragbar, das transportabel war. Es kann mit Allem verglichen werden, was auftaucht, und alles, was auftaucht, ist mit der Erwartung ausgezeichnet, vergleichbar zu sein: “Passt oder passt nicht?” Erweist es sich als inkommensurabel – dann ist es nicht etwa ‘bedeutungslos’, sondern im Gegenteil etwas ganz Besonderes.
An die Stelle der verlorenen ‘Umwelt’ ist nun eine Welt getreten, die ‘zuerst’ (in Symbolen transportabel und) in der Vorstellung ‘da ist’, an der die begegnenden ‘Dinge’ gemessen und auf ihre Tauglichkeit geprüft werden. Was “passt”, hat Chancen, (für) ‘wahrer’ genommen zu werden, als was nicht passt oder nicht so gut passt. Jenes, das Fremde, hat dagegen Chancen, einer ‘höheren’ Wirklichkeit zugerechnet zu werden, die gleichermaßen anziehend und bedrohlich sei kann. (Es ist die animistische Welt des Totems.)
Und um diese Vorstellungswelt von einer Insel zur andern transportieren zu können, musste ein Behältnis ausgebildet werden. Die (schubweise) Vergrößerung des menschlichen Gehirns folgt der Erfindung des aufrechten Ganges und der Ausweitung des menschlichen Aktionsradius. Verlassen hatten wir einen sicheren Ort, wo alles so war, wie es war, und wo wir es darum nicht “bemerken” mussten. Ein Ich, das sich von diesem Ort unterscheiden musste, war nicht ‘da’. Das änderte sich drastisch, als wir ‘zur Welt kamen’.
Dieser Ort war ein vages Durcheinander von Wundern und Unwägbarem, das “immer neu” begegnete. Ein ‘ruhender’ Pol im steten Wechsel ist allein die wandernde Menschengruppe, die sich als beharrendes Subjekt in einer flüchtigen… ja eben: Welt behauptete. Der einstmals umweltlich ungeschiedene Erlebensraum der Individuen zerfällt in ein Drinnen – die gewisse Gruppe -, und ein ungewisses Draußen. Je dringlicher es der Vergewisserung des Draußen bedarf, umso nötiger wird die Verständigung im Innern.
Die – von nun an selbst gemachte – Geschichte der Gattung Mensch geschieht im Verkehr. Verkehr heißt Mitteilung. Mitteilung bedarf eines Vehikels, eines “Gefäßes”, in dem die je gemeinte Bedeutung vom Einen zum Andern gereicht wird. Je öfter das Mitteilen nötig wird, umso fester muss das Gefäß sein. Eine Bedeutung, die in einer Gebärde symbolisiert wird, ist weniger haltbar als eine, die in einem gesprochenen Wort symbolisiert ist. Und nur in unablässigem Verkehr kann die Bedeutung des Symbols andererseits auch Erhalten bleiben.
Es folgt daraus, dass heute ‘alles, was vorkommt’, in seiner Bedeutung durch ein Symbol längst festgesetzt ist, bevor noch der Neuling die Welt betritt. So sehr, dass er in demselben Maße, wie sein Verkehr mit den Gattungsgenossen wächst, bei jedem ihm neu begegnenden Ding auf eine vorgegebene Bedeutung fest rechnet – und danach fragt, o ja. Und es ist jedes Mal eine Sensation, wenn ihm die sicher erwartete Bedeutung nicht benannt werden kann. Sie ‘bleiben’, d. h. werden dadurch nicht etwa bedeutungslos, sondern vielmehr rätselhaft, und das verleiht ihnen einen Reiz, den sie für ein ‘nicht-symbolisierendes’ Tier nie gewinnen können. Dieses wendet sich von ihnen schließlich ab, sobald feststeht, dass sie sich zum Verzehr jedenfalls nicht eignen…
Und hier begegnet zum ersten Mal der Unterschied zwischen ‘meiner’ und ‘unserer’ Welt: Weil dem Ding im Symbolnetz ‘unserer’ Welt die Bedeutung, die es doch haben sollte, mangelt, gewinnt es in ‘meiner’ Welt seinen Reiz. “Das Schönste, das wir erleben können, ist das Geheimnisvolle”, meinte Albert Einstein. Man kann das den ästhetischen Sinn der Menschen nennen.
Das Symbolnetz, das uns ‘unsere’ Welt bedeutet, war seinerseits nicht einfach ein Neuerwerb, ein Plus, das hinzukam; sondern ein Ersatz, eine Kompensation für den Verlust der angestammten, naturbedeuteten tierischen Umwelt. An die Stelle der Selbstverständ- lichkeiten ihrer verlassenen ökologischen Nische mussten unsere Urahnen das Verstehen einer selbsterworbenen, selbstbedeuteten Welt setzen.
“Wir kommen mit erheblichem Vorwissen über die Welt in diese”, schreibt Wolf Singer. Erfahrungswissen tausender Generationen ist erblich in unserm Gehirn gespeichert. Raum und Zeit gehören sicher dazu, auch wohl, wie Singers Forschungen nahe legen, die sog. Gestaltgesetze der empirischen Psychologie. Ob alle zwölf Kant’schen Kategorien dazu gehören oder mehr oder weniger, ist eine empirische Detailfrage ohne theoretische Tragweite.
Ich ‘habe’ diese Vorkenntnisse, aber ich weiß nichts davon. Sie gehören zu den Konstituenten ‘meiner’ Welt. Sie sind das Instrumentarium, mit dem ich meine Welt ‘konstruierte’ (und ein ‘Ich’ überhaupt erst wurde). Am Konstrukt selber ist es nicht mehr kenntlich. Mit andern Worten, in ‘meiner’ Welt kommen die Instrumente selbst nicht vor.
Aber ich bin – auch in ‘meiner’ Welt! – nicht allein. Ich stehe von Anbeginn in demselben Verkehr, aus dem das Instrumentarium stammt. Im Verkehr kann der Eine an die Stelle des Andern treten. Im Verkehr wird der Wechsel der Perspektiven habituell. Aus dem Verkehr erwachsen Abstände und Nähen, der Verkehr manifestiert Unterschiede und schafft Reflexion. Verkehr ist Vermittlung. In der Welt, die Verkehr ist, ist nichts unmittelbar. Genauer gesagt: In ‘unserer’ Welt ist nichts unmittelbar, ist alles nur ‘vermittels…’. Das Unmittelbare kommt allein in ‘meiner’ Welt vor. In ‘unserer’ Welt kann ich es nur symbolisch vermittelt “zur Sprache bringen” (was in ‘meiner’ Welt gar nicht nötig ist).
Und doch ist auch ‘meine’ Welt keine Nische, sondern Welt. Sie ist offen und nicht geschlossen, und in Hinblick auf das Mögliche ist sie woMöglich noch um einiges “offener” als ‘unsere’ Welt. In ihr ist nicht nur doppelt rätselhaft, was in ‘unserer’ Welt schon einfach rätselhaft war, sondern ist gar manches rätselhaft, was in ‘unserer’ Welt flach auf der Hand liegt. So wenig wie die Welten der Kinder und der Narren von der Welt der Verständigen, so wenig unterscheidet sich ‘meine’ Welt von ‘unserer’ Welt nach den Gegenständen, die darin vorkommen: Alles, was in ‘unserer’ Welt vorkommt, könnte auch in ‘meiner’ Welt vorkommen (wenn ich genügend Zeit hätte, mich mit allem bekannt zu machen).
Nur – was in ‘meiner’ Welt vorkommt, kann nicht alles auch in ‘unserer’ Welt vorkommen – d. h. symbolisch repräsentiert werden. Manches kann nur in analogen Bildern ‘nachgezeichnet’ und einiges gar lediglich in Gebärden ‘ausgedrückt’ werden. Das, was sich in den westlichen Kulturen als Kunst zu einer eignen gesellschaftlichen Instanz erhoben hat, ist ein Zwischenreich, wo je-’meine’-Welten in ‘unserer’ Welt “in Erscheinung treten”. Denn die Kunst findet in der Öffentlichkeit statt, und die ist Verkehr-schlechthin.
Öffentlichkeit ist ‘unsere’ Welt par excellence. Wissenschaft ist öffentliches Wissen; Wissen, das auf öffentlich kontrollierbaren Wegen erworben wurde und öffentlicher Prüfung standgehalten hat. Sie ist das Wissen-’unserer’-Welt. Aber nicht allein Wissen von ‘unserer’ Welt, sondern auch von ‘meiner’ Welt! Dabei ist nicht von Tiefenpsychologie die Rede. Ob da öffentlich überprüfbares Wissen – Wissen über ‘meine’ Seelenzustände, nicht bloß über nützliche therapeutische Kunstgriffe – zustande kommt, mag man mit Gründen bezweifeln. Die Rede ist von dem Instrumentarium, mit dessen Hilfe ich mir ‘meine’ Welt gezimmert habe, um mich in ‘unserer’ Welt zurecht zu finden.
So kann die empirische Psychologie die ‘Gestaltgesetze’ erforschen und beschreiben. Und kann die Transzendentalphilosophie die Unbedingtheit von Raum und Zeit im Subjekt lokalisieren. Was mir so durch öffentlich wissenschaftliche Reflexion fraglich geworden ist, kann mir – als ‘noch ein’ Rätsel – auch in ‘meiner’ Welt bewusst werden. Doch stehen sie da in einem ganz andern “Horizont”! Sie geben dort nicht neue Fixpunkte ab, aus denen ich weiter schlussfolgern kann (wie in den Wissenschaften), ganz im Gegenteil. Sie verbinden sich unter einander zu einem Zweifel am Sinn der Welt, am Sinn des Lebens. Und das ist gut. Denn ein Sinn, der “sich von selbst versteht”, ist keiner. Jedenfalls nicht ‘für mich’, sondern nur für den mich beobachtenden Wissenschaftler (der persönlich gar nix davon hat).
Sinn wird erst, sobald an ihm gezweifelt wurde. Und er bleibt nur, solange nach ihm gefragt wird. Er ist das Ureigenste von ‘meiner’ Welt, über das ich in ‘unserer’ Welt bestenfalls Geschichten erzählen kann; Romane schreiben, Lieder singen, Bilder malen.
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*) Ernst Tugendhat, Anthropologie statt Metaphysik, München 2007, S. 34; 35f.
In seiner Umwelt "erscheint" dem Tier nur das, was durch seinen Platz in der ökologischen Nische "für es bestimmt" ist: seinen Stoffwechsel und seine Fortpflanzung. Für das Tier sind Bedeutung und Erscheinung ungeschieden. Genauer gesagt, "für" das Tier ist nichts. Etwas ist "da" und damit basta.
Der Mensch hat mit seinem Ausbruch in eine fremde Welt die Vorbestimmtheit alles ihm Erscheinenden verloren: Ihm "erscheint" auch das, was für Stoffwechsel und Fortpflanzung (zu einem gegebenen Zeitpunkt) ohne Bedeutung ist. Er muss Dinge selbst-bestimmen. Zuerst, ob sie für Stoffwechsel und Fortpflanzung 'in Frage kommen'. Von ihm fordert jede Erscheinung ein Urteil. Das ist die Grundbedingung des Existierens in einer Welt. Das Urteilen ist: im Wahrnehmen ipso actu entscheiden zwischen Beifall und Missbilligung.
So tritt er in eine apriorischen Distanz zu allem Etwas. Was erscheint, wird zu 'etwas' erst in diesem distanzierenden Akt. (Der lässt sich prinzipiell umkehren: So kann er zu "sich" in Distanz treten und zu "ich" werden.)
Die Distanz zu Dingen setzt ihn in einen Zustand der Freiheit. Sie erzwingt Abstraktion und eo ipso Reflexion. Diese Distanz macht ihn zu einem ideellen, seine physische Organisation (Folge und Voraussetzung des zur-Welt-Kommens) setzt ihn in den Zustand eines sachlichen Produzenten.
Die Erfahrung mögliches Überflusses setzt ihn in Lage, zu sich, das heißt zu seinem Bedürfnis, in Distanz zu treten.
aus e. Notizbuch, 13. 3. 07
"Im Wahrnehmen ipso actu entscheiden zwischen Beifall und Missbilligung" - da ist mir, ohne es recht zu bemerken, die anderwärts vergeblich gesuchte Herleitung unseres Geistes alias Einbildungskraft aus unserm ästhetischen alias 'poietischen' Vermögen unterlaufen. Beifall und Missbilligung erfolgen hier nämlich einstweilen versuchsweise: 'Ob es was taugt?' - Mal sehen, zu was.
Man muss nicht demonstrieren, dass es so kommen musste. Es reicht zu zeigen, weshalb es so kommen konnte.
Wie das Ästhetische in die Welt gekommen ist.
*) Ernst Tugendhat, Anthropologie statt Metaphysik, München 2007, S. 34; 35f.
Beifall und Missbilligung.
In seiner Umwelt "erscheint" dem Tier nur das, was durch seinen Platz in der ökologischen Nische "für es bestimmt" ist: seinen Stoffwechsel und seine Fortpflanzung. Für das Tier sind Bedeutung und Erscheinung ungeschieden. Genauer gesagt, "für" das Tier ist nichts. Etwas ist "da" und damit basta.
Der Mensch hat mit seinem Ausbruch in eine fremde Welt die Vorbestimmtheit alles ihm Erscheinenden verloren: Ihm "erscheint" auch das, was für Stoffwechsel und Fortpflanzung (zu einem gegebenen Zeitpunkt) ohne Bedeutung ist. Er muss Dinge selbst-bestimmen. Zuerst, ob sie für Stoffwechsel und Fortpflanzung 'in Frage kommen'. Von ihm fordert jede Erscheinung ein Urteil. Das ist die Grundbedingung des Existierens in einer Welt. Das Urteilen ist: im Wahrnehmen ipso actu entscheiden zwischen Beifall und Missbilligung.
So tritt er in eine apriorischen Distanz zu allem Etwas. Was erscheint, wird zu 'etwas' erst in diesem distanzierenden Akt. (Der lässt sich prinzipiell umkehren: So kann er zu "sich" in Distanz treten und zu "ich" werden.)
Die Distanz zu Dingen setzt ihn in einen Zustand der Freiheit. Sie erzwingt Abstraktion und eo ipso Reflexion. Diese Distanz macht ihn zu einem ideellen, seine physische Organisation (Folge und Voraussetzung des zur-Welt-Kommens) setzt ihn in den Zustand eines sachlichen Produzenten.
Die Erfahrung mögliches Überflusses setzt ihn in Lage, zu sich, das heißt zu seinem Bedürfnis, in Distanz zu treten.
aus e. Notizbuch, 13. 3. 07
"Im Wahrnehmen ipso actu entscheiden zwischen Beifall und Missbilligung" - da ist mir, ohne es recht zu bemerken, die anderwärts vergeblich gesuchte Herleitung unseres Geistes alias Einbildungskraft aus unserm ästhetischen alias 'poietischen' Vermögen unterlaufen. Beifall und Missbilligung erfolgen hier nämlich einstweilen versuchsweise: 'Ob es was taugt?' - Mal sehen, zu was.
Man muss nicht demonstrieren, dass es so kommen musste. Es reicht zu zeigen, weshalb es so kommen konnte.
Wie das Ästhetische in die Welt gekommen ist.
Richtiger gesagt: kann ich nicht natürlich, sondern nur künstlich. Kann ich erst durch Reflexion. Nämlich wenn ich absichtlich von den Absichten - allen möglichen Absichten - durch freien Entschluss, nicht natürlich, sondern künstlich, absehe und das Ding betrachte, wie es 'sich zeigen' würde, wenn ich es ohne Absicht betrachten könnte. Wenn ich also von mir absehen würde. So entsteht kein Wissen von Etwas, sondern lediglich Anschauung von Erscheinung.
Wenn ich mich absichtlich in den ästhetischen Zustand versetze: "In dem ästhetischen Zustand ist der Mensch Null", sagt Schiller. "An sich" sind die Dinge, wie sie ästhetisch (er)scheinen. Sie sind das Kunstprodukt der Reflexion, die ihrer selbst entsagt.
Mit andern Worten, ästhetisches Erleben ist nicht möglich ohne vorheriges Wissen und nicht ohne Hintergedanken. Es ist ein modernes Phänomen. Und dass uns die Bilder, die wir in diesem Zustand sehen, hinterher immer so vorkommen, als ob sie 'was zu bedeuten' hätten, ist kein Wunder.
*) Auf ein Bewusstsein, das erst durch Reflexion entsteht, kommt es noch gar nicht an.
Das poietische Vermögen.
Dies ist das Kernproblem der philosophischen Anthropologie: Wie kam der Mensch dazu, Quali- täten als wahr und wert zu nehmen, die etwas anderes sind als größere oder geringere Zweckmäßigkeit bei der Selbst- und Arterhaltung? Mit andern Worten: Wie kam der Mensch zu seinem 'poietischen', d. h. ästhetischen Vermögen?
Ein Tier nimmt all das - aber nur das - 'wahr', was ihm in der Umweltnische, in der sich und die sich seine Gattung im Laufe ihrer Naturgeschichte eingerichtet hat, für sein Überleben und seine Fortpflanzung hilfreich ist. Und was dieses oder jenes Ding ihm 'wert' ist, darüber entscheidet die Dringlichkeit, mit der im gegebenen Augenblick sein physisches Bedürfnis danach verlangt. Das alles kommt ihm als Gegebenes vor und bedarf nicht seines Urteils. Es ist, und damit gut.
In der Gefangenschaft und namentlich in der Beobachtungsstation muss das Tier fürs Leben und seine Fortpflanzung nichts von dem tun, was in freier Natur seinen Alltag erfüllt. Es ist unterbeschäftigt und hat, wie wir, Langeweile. Da nimmt es gern fremde Dinge an, die ihm von seinen Verpflegern vor-gegeben werden. Es kompensiert nur einen Mangel.
Aber das kann es. Es hat offensichtlich Reserven,1 die unter seinen herkömmlichen natürlichen Lebensumständen ungenutzt bleiben, die ihm aber unter ungewöhnlichen Bedingungen, bei Stress, und sei es dem Stress der Langenweile, ungewohnte Leistungen erlauben. Und halten die ungewöhnlichen Bedingungen an – warum soll die Nutzung der verborgenen Reserven, soll die außergewöhnliche Leistung nicht habituell und selber zu einem Selektionskriterium werden?
Dass also unsere Vorfahren, nachdem sie den Schritt aus der Urwaldnische in die offene Savanne einmal getan hatten, erbliche Fähigkeiten erworben haben, die sie als eine völlig neue Gattung unter den Lebewesen ausweisen, ist für sich genommen kein Mysterium. Unerklärt bleibt noch immer, warum sie diesen Schritt getan, bzw. warum ihre äffischen Vettern ihn nicht unternommen haben; und darf getrost unerklärt bleiben, denn was ist daran gelegen?
*
Die Hominisation ist als bloße Kompensation – für den Verlust der angestammten Selbstverständlich- keiten – nicht hinreichend verstanden. Tatsächlich handelt es sich um eine Überkompensation. Denn der selbstverursachte Mangel wird nicht aufgefüllt mit je demselben, sondern mit etwas qualitativ Neuem; eben dem, dass sich die Bedeutungen der offenen Savannenwelt nicht mehr von selbst verstanden, sondern erfragt werden mussten. Das ist nicht einfach ‚mehr‘, es ist eine andere Dimension als die rein positive Umwelt der Tiere.
Die Welt, in die seither die Menschenkinder hineingeboren werden, hat vom ersten Tag an und womöglich schon vorher den Charakter der Fraglichkeit. Wenn auch die moderne Hirnforschung längst nicht so viel des spezifisch Menschlichen herausgefunden hat, wie sie meint, so hat sie doch erwiesen, dass die Menschen nicht warten, bis ihnen die Außenwelt mit hartem Griffel ihre Hieroglyphen ins Gemüt ritzt, sondern ex sponte ihre eigenen Erwartungen an die Dinge tragen und achten, was sie darauf antworten.
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Bis hier ist noch nicht ersichtlich, wie Qualitäten in Erwägung kommen können, die etwas anderes bedeuten als Bei- oder Abträge zur Art- und Selbsterhaltung. Das ist es aber, was die Anthropologie, die Wissenschaft davon, was die Menschen als solche auszeichnet, beantworten muss. Ernst Tugendhat, der die Losung Anthropologie statt Metaphysik in die Welt gesetzt hat, hat dafür leider keinen Fingerzeig gegeben, jedenfalls keinen brauchbaren.
"In 'gut' ist der Komparativ ('besser') das Primäre. Alles, was wir gut machen, können wir besser machen. ... Das Wort 'gut' bezieht sich immer erstens auf einen Komparativ, der ein Komparativ des Vorziehens ist, und zweitens auf ein solches Vorziehen, das eine Prätention von Objektivität oder zumindest Intersubjektivität erhebt."2 Doch trotz der Prämisse der Allgemeingültigkeit bleibt er im Rahmen einer naturalistischen Voraussetzung, denn von logischem Gelten im Unterschied zu sinnlichem Sein ist auf dieser 'komparatistischen' Stufe ja gerade noch nicht die Rede; er soll im Gegenteil relativistisch erüberflüssigt werden.
Maß für das Vorziehen ist erst noch der Erhaltungswert, und das Bessere wäre, was noch mehr zur Erhaltung beiträgt als das weniger Gute. Das Gute selbst müsste dann als Idee von der maximalen Erhaltung, dem Erhalt-an-sich aufgekommen sein. Weder die Historiker der Mentalitäten noch die Ethnologen, die in Amerika cultural anthropologists heißen, haben aber so ein geistiges Gebilde irgendwo in der Wirklichkeit auffinden können. Auffinden lässt sich allerdings, bis heute und quer durch alle Kulturen, eine Idee des Guten-an-sich. Woher mag die kommen? Aus der im Dunkel der Vorgeschichte untergegangen Idee vom Erhalt-an-sich, die irgendwann einmal aus Quantität 'in Qualität umgeschlagen' wäre? Eine solche Anleihe bei einer der dümmsten Ideen des ohnehin nicht geschätzten Hegel wird Tugendhat doch nicht machen wollen.
"In unseren Erlebnissen sind uns nur qualitative Unterschiede gegeben. Den Unterschied zwischen 'Groß' und 'Klein' erleben wir zunächst nicht anders als den zwischen rot und blau. Erst durch die Zuordnung von Zahlen zu den Erlebnissen wird ein System von Zustandsgrößen geschaffen, zwischen denen quantitative Beziehungen bestehen," sagt indessen der Positivist.3 Viel essen und wenig essen ist der Qualitätsunterschied von hungrig und satt.
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Für das Tier sind die Bedeutungen der Dinge immer konkret, sie bedeuten stets dies oder das, und was es ist, ist ihm durch seine physische Organisation, durch den Platz, den es in seinem Merknetz einnimmt, vorgegeben. Erkennen muss es das nicht. Es ist ihm selbstverständlich.
Ist das essbar? stellt sich dem Tier nicht als Frage. Es versucht; wenn der Versuch scheitert, lässt es von dem Ding ab. Es findet keinen Halt in seinem Merknetz – weil es sich nicht in seinem Wirknetz verfangen hat.
Beim Tier sind Merk- und Wirknetz kongruent; sie 'bedecken' dasselbe Gegenstandsfeld und bilden einen geschlossenen Funktionskreis.
Beim Tier sind Merk- und Wirknetz kongruent; sie 'bedecken' dasselbe Gegenstandsfeld und bilden einen geschlossenen Funktionskreis.
Aber die Menschen haben sich, indem sie ihre Umweltnische verlassen hatten, auf die Hinterbeine aufgerichtet und so das Spiel von 'Gesicht und Hand'4 begonnen. Während einerseits das überkommene Merknetz obsolet geworden war, hat sich das Wirknetz dimensional erweitert. "Ich kann mit allem was anfangen"5 – aber was?!
Der Funktionskreis ist zerrissen. Zwischen merken und wirken muss als Vermittler die (symboli- sierte) Bedeutung rücken, um den Funktionskreis neu zu schließen. Bedeutung ist ein praktisches Problem.
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Bedeutung als geistige Dimension entsteht aus dem Mangel an ihr: als Frage. Erst im Fragemodus gibt es Bedeutung-an-sich. Das ist ein alter Hut: Verallgemeinerung, Begriff gibt es zuerst in der Verneinung. Dieses Pferd kann ich sehen, ich muss an ihm nichts begreifen. Aber 'die Pferdheit' kommt mir erst in den Blick, wenn ich nach dem suche, was dieses und jedes andere Pferd von allem unterscheidet, vor allem auszeichnet, was nicht Pferdheit ist.
Bedeutung als geistige Dimension entsteht aus dem Mangel an ihr: als Frage. Erst im Fragemodus gibt es Bedeutung-an-sich. Das ist ein alter Hut: Verallgemeinerung, Begriff gibt es zuerst in der Verneinung. Dieses Pferd kann ich sehen, ich muss an ihm nichts begreifen. Aber 'die Pferdheit' kommt mir erst in den Blick, wenn ich nach dem suche, was dieses und jedes andere Pferd von allem unterscheidet, vor allem auszeichnet, was nicht Pferdheit ist.
Frage (und Verneinung) gibt es wiederum nur im digitalen Modus der Repräsentation; im begrifflichen Denken. Der Übergang zum begrifflichen Denken, als dem Auszeichnen von Qualitäten durch bedeutende Zeichen, setzt voraus das… Identifizieren von Qualitäten; sie sind 'das, was' im Begriff dargestellt ist, sie sind das Gemeinte.
Aber auch das zeigt nur, dass Fragen, Qualitäten und Begreifen genetisch zu einander gehören. In welchen historischen Schritten sie im Einzelnen aus und durch einander entstanden sind, ist erstens nicht in Erfahrung zu bringen und zweitens unerheblich. Dass es geschehen ist, wissen wir, und das reicht.
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Aber noch immer nicht wissen wir, warum – nicht aus welchen Ursachen, sondern unter welchen Bedingungen – es geschehen konnte. -
Solange sich Alles von selbst versteht, muss ich nicht wissen, was es ist. Genauer gesagt: kann ich nicht einmal fragen, was es ist. Washeit gibt es nur als Antwort auf eine Frage.
Nachdem unsere Vorfahren ihre Urwaldnische verlassen hatten, sind die ihnen angestammten Bedeutungen entfallen. Was neu begegnete (und zuvor nicht gemerkt worden wäre), war in seiner Bedeutung – in seiner Fähigkeit, mein Leben so oder anders zu bestimmen – fraglich geworden.
Musste die Frage beantwortet werden, durch Finden und Erfinden?
Sie konnte beantwortet werden. Wer sie beantwortete und treffend beantwortete, hatte Chancen, in der Savanne zu bestehen. Alle andern mussten in den Urwald zurückkehren oder überlebten nicht. Niemand weiß, wie viele es waren. Doch wenn erstere noch so wenige gewesen wären – sie haben überlebt und sind zu unsern Vorfahren geworden.
Die Washeiten wurden zum Inventar einer offenen Welt. Mit jeder als Washeit bestimmten neuen Bedeutung hat sich der Aktionsradius erweitert und ipso facto die Frage was? erneuert. Die Frage was? ist eine Endlosschleife, sie ist es, die uns die Welt offen hält. Eine allerletzte Antwort wäre das Ende der Welt.
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Denn die Antworten sind nun nicht länger auf die Erhaltungsfunktion eingeschränkt. Was sich durch die Frage Ist es essbar? einmal im Merknetz verfangen hat, geht nicht dadurch verloren, dass die Frage verneint wurde. Es ist nicht essbar, was ist es dann? Diese Frage ist nicht notwendig noch irgend eine Antwort; aber möglich ist sie.
Die sie stellten und beantworteten, haben sich durch zwei Millionen Jahre besser in ihrer offenen Jäger- und Sammlerwelt behauptet als die andern. Denn als die Frage nach der Essbarkeit durch die Erfindung des Ackerbaus in den Hintergrund treten konnte, konnten die anderen Bedeutungen nun auch ins Wirknetz eingehen. So entstand Kultur.
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Und recht besehen, haben unsere Vorfahren nicht auf den Ackerbau gewartet. Es reicht aus, dass das Leben nicht lückenlos von der Suche nach Essbarem erfüllt ist, damit Muße und Überfluss eintreten. Die Ruhepause, das Fest, bei dem die nicht konservierbaren Überschüsse verprasst werden, eröffnen einen Blick auf Qualitäten, die über den Erhaltungswert hinausreichen. Körperschmuck, Festmahl, Tanz und berauschende Getränke sind die wahren Ursprünge von Kult und Kultur. Die Kultstätte von Göbekli Tepe wurde nicht von Bauern, sondern von Jägern und Sammlern errichtet.
*) Von gr. poiein, das die Römer mit lat. ponere [s. dazu positio] wiedergegeben haben und als setzen in unsere philosophische Schulsprache eingegangen ist. Gr. poion = lat. quale ist, so schön es wäre, damit etymologisch leider nicht verwandt.
1 Hypertelie nennt es Adolf Portmann
2 Tugendhat, Anthropologie statt Metaphysik, München 2007, S. 29; 33
4 Leroi-Gourhan, Hand und Wort, Frankfurt a. M., 1984
5 "Nichts kann sein, was ihm nicht etwas zu bedeuten vermag." H. G. Gadamer, Gesammelte Werke, Bd. VIII, Tübingen 1993; S. 8
Reflexion.
Eben höre ich den Einwand: Der spezifische Unterschied von menschlicher und tierischer Intelligenz läge nicht in unserer Fähigkeit zu qualifizierendem Urteil, sondern im Vermögen der Reflexion.
Dieses folgt aber aus jener. Mit der Wahrnehmung von Qualitäten jenseits meines Erhaltungswillens habe ich von mir abstrahiert. Abstraktion und Reflexion sind aber dasselbe, mal von vorn und mal von hinten. Wenn ich von meinem Naturbedürfnis abstrahiere, muss ich mich nur umdrehen, um auf mich selbst zu reflektieren.
Das poietische Vermögen II.
'Der Mensch hat mit seinem Ausbruch in eine fremde Welt die Vorbestimmtheit alles ihm Erschei- nenden verloren: Ihm "erscheint" auch das, was für Stoffwechsel und Fortpflanzung ... ohne Be- deutung ist. Er muss Dinge selbst-bestimmen. Zuerst, ob sie für Stoffwechsel und Fortpflanzung 'in Frage kommen'. Von ihm fordert jede Erscheinung ein Urteil. Das ist die Grundbedingung des Exi- stierens in einer Welt. Das Urteilen ist: im Wahrnehmen ipso actu entscheiden zwischen Beifall und Missbilligung.'
So habe ich gestern aus einem Notizheft zitiert und auf den ursprünglich ästhetischen Charakter des Urteilens hingewiesen: 'Beifall und Missbilligung erfolgen nämlich einstweilen versuchsweise: 'Ob es was taugt?' - 'Mal sehen, zu was.''
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Ich hole aus.
'Beifall und Missbilligung' - damit kennzeichnet der Fichte-Schüler Herbart, der früh mit der Trans- zendentalphilosophie gebrochen hat, um zu den Eleaten (und eigentlich auch Leibniz) zurückzukeh- ren, die Besonderheit der ästhetischen Urteilensweise. - Wie ein Kantianer unterscheidet er das Wissen nicht nach seinen Gegenständen, sondern nach der Art und Weise, wie es zustandekommt. Und zwar unterscheidet er Metaphysik und Ästhetik. Metaphysisch ist alles Wissen, das durch das An- und Ver- knüpfen von Vorstellungen zustandekommt; also das ganze Feld des diskursiven Denkens. Ästhe- tisch nennt er jene Vorstellungen, die notwendig unmittelbar mit einem Gefühl des Beifalls oder der Missbilligung begleitet sind. Ästhetische Vorstellungen im Bereich der Willensakte nennt er ethisch, Ethik ist ein Teilbereich der Ästhetik. - Dass er Fichte-Schüler war, ist kaum zu überhören, wenn er es selber auch nicht wahrhaben wollte.
Zurück zum Ur-Sprung der Menschwerdung. Der Mensch, der die Selbstverständlichkeiten seiner Urwaldnische hinter sich gelassen hatte, musste fragen. Die Frage 'Ist es dies?' 'Ist es das?' kommt nie zu einem Ende, wo alles neu ist, wäre aber nur möglich, wenn die Erinnerungen an die verlassene Umwelt bestimmt wären, aber gerade das waren sie nicht - sondern selbstverständlich. 'Kann ich es essen, kann ich es trinken' - so wie noch heute der Franzose fragt - ist eine enge Fragestellung, aber 'Dient es meiner Selbst- und Arterhaltung?' konnte er noch nicht fragen, doch selbst auf die Frage nach der Genießbarkeit gab es nur eine Antwort: Du musst es versuchen.
Die Versuchung ist es, die Beifall oder Missbilligung heischt, nicht das Ding. Die Frage, ob man's wagen soll, lässt sich aus Begriffen (noch) nicht entscheiden, sie muss intuitiv gefunden werden, in der Anschauung selbst. Es ist ein - ästhetisches Urteil.
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Das ist Anthropologie, nicht Transzendentalphilosophie. Aber sie steht unter der Aufsicht der Transzendentalphilosophie. Sie hat nicht zu beweisen - aus welche Dokumenten denn ? -, weshalb dieses so und nicht anders kommen musste. Sondern sie muss ausschauen, ob Bedingungen gegeben sind, an die sie sinnvoll ihre Fragen stellen kann. Die Fragen kommen woher? Aus dem, was uns phänomenal als 'das Menschliche' vorliegt. Die Bedingungen, das ist das Wenige (das aber immer mehr wird), was uns die Paläontologie versichern kann.
Wir haben gedacht, das spezifisch Menschliche, das uns phänomenal vorliegt, sei die Intelligenz. Von der wissen wir inzwischen, dass sie reichlich auch überall im Tierreich schon vorkommt, unsere Vorsprünge sind überall nur graduell. Auch dass Versuchungen an uns treten, ist nichts Spezifisches. Das wird Tieren auch passieren, und da zeigt sich, dass schon bei ihnen persönliche Lebenserfahrung ein Rolle spielt. Ansonsten sind Versuchungen für das Tier wie eine Lotterie.
Aber der Mensch will spielen. Er sucht die Versuchung, er bleibt sein Leben lang neugierig wie sonst nur die Kinder, er steht allezeit vor der Frage, ob ihn das Abenteuer lockt oder die Gefahr ihn schreckt. Früher war er Jäger. In der Arbeitsgesellschaft konnte er das nicht bleiben, darum hat sie den Phänotypus des Künstlers hervorgebracht. So kam das ästhetische Vermögen zu seinem vorläufigen Bestimmungspunkt.
Das ist die Frage und die Antwort.
1. 12. 2014
Ist Transzendentalphilosophie Anthropologie?
Fußabdruck beim Tukana-See
Die Anthropologie sucht, mal empirisch, mal spekulativ, Antworten auf die Fragen: Was kann ich wissen, was soll ich tun, was darf ich hoffen – mit andern Worten: Was ist der Mensch? Insofern liegt sie aller Wissenschaft – nicht historisch, sondern logisch-genetisch – zu Grunde. Sache der kritischen alias Transzendentalphilosophie ist es, aus den Erörterungen dieser Frage den dialektischen Schein auszuscheiden: die Neigung der Begriffe, sich zu Substantialisieren und ein Eigenleben zu führen. Sie ist eine ständige Begleiterin und treibende Kraft der Anthropologie.
Die Anthropologie sucht, mal empirisch, mal spekulativ, Antworten auf die Fragen: Was kann ich wissen, was soll ich tun, was darf ich hoffen – mit andern Worten: Was ist der Mensch? Insofern liegt sie aller Wissenschaft – nicht historisch, sondern logisch-genetisch – zu Grunde. Sache der kritischen alias Transzendentalphilosophie ist es, aus den Erörterungen dieser Frage den dialektischen Schein auszuscheiden: die Neigung der Begriffe, sich zu Substantialisieren und ein Eigenleben zu führen. Sie ist eine ständige Begleiterin und treibende Kraft der Anthropologie.
21. September 2013
Das Rückgrat der Anthropologie.
Die Transzendentalphilosophie ist gewissermaßen die Wirbelsäule der Anthropologie. Sie lehrt erstens, welche Fragen zu stellen sind, und zweitens, welche Antworten nicht akzeptiert werden können.
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