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...Übereinstimmung, der große Zweck der
Vernunft...
J. G. Fichte in: Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 136]
I. Vernunft ist nicht an sich, sondern sie dient einem Zweck. Für diesen Zweck ist sie in die Welt gekommen und nur für den ist sie da.
II. Mit
andern Worten: Vernunft ist immer da an ihrem Platz, wo
Übereinstimmung angebracht ist. Alles andere liegt nicht in ihrem Zweck.
III. Im sittlichen Bereich ist Übereinstimmung nicht
nötig. Das Sittengesetz lautet: Tu das, was dein Gewissen dir gebietet,
oder, mit andern Worten: Handle aus Freiheit. Aus Freiheit kann ich
nicht handeln, wenn ich zuerst frage, was den andern ihr Gewissen
gebiete, und mich mit ihnen darüber ins Benehmen setze. Es kommt auch
gar nicht darauf an, ob es dasselbe gebietet, sondern darauf, dass es das
Gewissen ist, das gebietet.
IV.
Übereinstimmen müssen wir nicht über Gott und die Welt. Es reicht, wenn
wir in dem Teil der Welt, in dem wir miteinander verkehren,
übereinstimmen über die Angelegenheiten des Teils der Welt, in dem wir
miteinander verkehren. Übereinstimmen müssen wir nicht über Gott und
nicht über jenen Teil der Welt, in dem ein jeder von uns nur für sich ist.
Bedenkend immer: Die Welt ist keine Gegend, sondern lediglich ihr Horizont.
23. 6. 14
'Vernunft und Öffentlichkeit bedeuten dasselbe...' - sofern nämlich Öffentlichkeit schlechterdings Kritik bedeu- tet, und zwar Kritik ohne jede Grenze, weder in der Zeit noch im Raum.
Vernunft ist kein Stoff und keine Energie, die man haben oder nicht haben kann. Vernünftig
kann man sein, und das bedeutet: allgemein nur gelten lassen, was sich
der Kritik stellt und ihr standhält. 'Vernunft' ist der Inbegriff all
dessen, was die Kritik überstanden haben wird. Sie ist ein bloßes proiectum, weil die Kritik sachlich nie zu einem Ende kommt.
Nein, damit ist Vernunft nicht
als Konsens oder als bloße Intersubjektivität bestimmt. Konsens ist
das, was eine bestimmte und daher zufällige Anzahl von Individuen unter
sich zu einem gegebenen Zeitpunkt aus je gegebe-nen, aber
unergründlichen Motiven als momentan für einander gelten sollend
vereinbart haben. Eine Art klein- ster gemeinsamer Nenner, eine Menge,
die zu einem andern Zeitpunkt größer oder kleiner hätte ausfallen oder
auch ausbleiben können. Das ist in logischer Hinsicht so kontingent wie
das gelegentliche Meinen und Dafür- halten von Irgendwem. 'Was Vernunft
gewesen sein wird' ist nicht Ergebnis einer allmählichen, einvernehmlich
Anhäufung, sondern im Gegenteil Resultat einer Reduktion: Das,
was der prozessierenden öffentlichen Kritik noch immer standhält, darf
als allgemein und notwendig gelten. Vom privaten Meinen des einen oder
andern ist es ganz unabhängig.
Merke: Was nicht in die Öffentlickeit gehört, ist der Vernunft gleichgültig.
24. 5. 2015
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