Sonntag, 11. November 2018

"Reizverarbeitung".

Rosel Eckstein / pixelio.de

Die Welt ist nicht alles, "was der Fall ist". Unmittelbar begegnet sie uns als ungestalter, unendlicher Strom des Erlebens. "Reizverarbeitung", sagt der Neurowissenschaftler. Das Erleben ist nicht an sich zusammengesetzt aus einer Reihe von Erlebnissen. Ein Erlebnis zeigt sich erst, wenn die Reflexion  willkürlich einen 'Punkt' aus dem Strom herausgreift und ihn künstlich gegen die andern abgrenzt. Doch nicht erst die Punkte – der Strom selbst wird im Verlauf der Verarbeitung nicht nur 'gemerkt', sondern als dieses Erleben bewertet. 

Das weiß auch der Neurowissenschaftler und kratzt sich am Kopf: weil er nicht weiß, wie das geschieht, und das heißt für ihn: wo das geschieht. Anzunehmen ist, dass auch dies nicht in einem Zentrum im Gehirn passiert, son- dern, wie alle Reizverarbeitung, systemisch erfolgt innerhalb einer beständig wechselnden Konstellation zahlrei- cher Zentren. Die 'Inselrinde' im praefrontalen Cortex  (das Geschmackszentrum) wird irgendwie beteiligt sein, auch das limbische System und der 'Mandelkern' (Amygdala) spielen mit. Und welche Rolle spielt das "Bauch- hirn" (Sonnengeflecht, Plexus solaris) um das Zwerchfell herum? Und: spielt es sie autonom oder seinerseits 'gesteuert' von den neueren, 'höheren' Gehirnpartien?  Spielt es in einem systemischen Vorgang überhaupt eine Rolle, welche Partie älter und niederer, und welche neuer und höher ist? Der Vorgang als Ganzer ist ein 'moder- ner' und könnte ohne Mitwirkung rezenter Partien gar nicht stattfinden.


Und sobald das Erleben in der Reflexion bewusst gemacht und in isolierbare Erlebnisse seziert wurde, tritt es ein in das Netz der Symbole, die ihrerseits wertend wirken und das Erleben "einfärben".

Auch hier sagt der Neurowissenschaftler "Reizverarbeitung" – weil er sich qua Fach auf diese Betrachtungsweise einmal festgelegt hat.

aus e. Notizbuch, um 2002? 


Nota I. - Mit der Formel, die Welt sei 'alles, was der Fall ist', hatte Wittgenstein natürlich nichts empirisch Wahrnehmbares gemeint, sondern das, was logisch 'der Fall ist'.

2. 12. 13


Nota II. - Neu an dieser Note sind die Links. Was ich mit Erleben bezeichne, bringe ich in Verbingung mit dem, was in Fichtes Wissenschaftslehre Gefühl heißt - das er indessen nicht als einen einzelnen Reiz(komplex) auf- fasst, sondern als einen Übergang von einem Zustand des ganzen 'Systems der Sinnlichkeit' zu einem anderen Zustand. Das 'Strömen' und die Veränderung, das Fließen selbst wird in der Reflexion zum Gegenstand der Anschauung.  

Zum Zustand würde - zwar nicht analytisch-begrifflich, aber phänomenal - auch das ominöse Gefühl des Denk- zwangs gehören - doch das ist übersinnlich. Sein Eingehen in den 'Zustand' des Gesamtsystems der Sinnlichkeit wäre ein Übergehen des Intelligiblen in die sinnliche Welt - was freilich nur eine Worterklärung ist.
JE



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