Freitag, 15. März 2019

Maschinen mit Moral?


Das Online-Magazin Telepolis veröffentlichte unlängst unter der Überschrift Das Moralmenü einen Beitrag, in dem

Ich habe das kommentiert. 

Der elementare Fehler in dem ganzen Ansatz ist... nein, nicht erst, dass er soziale Klugheit für Moralität hält - das ist nur abgeleitet. Zugrunde liegt vielmehr die Auffassung, als sei Moralität so etwas wie Verstand. Nämlich so etwas wie Logik: das Höhere begründet das Untere, das Allgemeine das Besondere, das Prinzip seine Ablei- tungen, der Zweck das Mittel. Moralisches Handeln bestünde im Zuordnen einzelner Fälle zu einer je anzuwen- denden Norm.

Das ist immernoch besser, als würde unter Moral eine Summe einzelner Fälle verstanden und bestünde in einer Art empirisch auszumachenden gemeinsamen Nenners. Aber weniger falsch ist es nicht. 


Moral kommt von lat. mos, mores - Sitte, Gebräuche. Das griechische ethos bedeutet dasselbe; Ethologie heißt da- her die Verhaltenskunde bei Mensch und Tier. Historisch waren sie der Ursprung dessen, was man heute unter Sittlichkeit versteht; sie bestimmen, was sich gehört und was sich nicht gehört. 

Dass ein Unterschied, gar ein Gegensatz entstehen kann zwischen dem, was sich in einer historisch gewachse- nen Gemeinschaft gehört, und dem, ich für meine höchstpersönliche Pflicht erkenne, ist eine verhältnismäßig junge Erkenntnis, und sie beruht auf einer Erfahrung, die erst in komplexen modernen, nämlich bürgerlichen Gesellschaften so allgemein wurde, dass sie einen besonderen Namen nötig machen sollte. Antigone war ein Einzelfall und als solcher tragisch. Der Konflikt zwischen gesellschaftlichen Normen und dem, was mir mein Gewissen gebietet, ist inzwischen schon eine banale bürgerlich Standardsituation. Weil nämlich das eigenver- antwortliche, autonome Subjekt zur selbstverständlichen Existenzbedingung geworden ist: Es muss selber entscheiden.


Die Sprache unterscheidet noch immer nur zwischen positiven herrschenden Moralen und einer problemati- schen Moralität. Die Verwirrung ist daher groß. Es kann ja vorkommen und tut es oft genug, dass der ganz außermoralische Blick auf meinen Vorteil mir rät, dem Gebot der herrschenden Moral zu folgen und die Stimme meines Gewissens zu überhören. 

Wer oder was ist aber mein Gewissen? Es ist das Bild, das ich mir von mir selbst gemacht habe und um des- sentwegen ich mich achte. Der Autor sagt es selbst: Die Maschine kann sich nicht verantworten - nämlich nicht vor sich.

Nun kann ich keinen Andern achten, wenn ich mich selbst nicht achte - und auf einmal verkehren sich die Seiten: Moralität wird zur Bedingung sozialer Klugheit. Und letztere muss der Maschine einprogrammiert werden, weil sie diese Bedingung nicht erfüllt.

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Das spielt in obigem Text freilich alles gar keine Rolle. Lesen Sie nochmal nach: Vor Gewissensentscheidun- gen stellt er seine Maschinen nirgendwo. Es geht überall nur um soziale Nützlichkeitserwägungen in mehr oder weniger allgemeiner Hinsicht. So dass er mit seinem Ding problemlos durchgehen könnte, wenn er nur... be- scheiden genug wäre, von Moral nicht zu reden.
 

Aber er tut es ganz ungeniert, und mit ihm Kreti und Plethi. Es passt, aber das ist keine Rechtfertigung, perfekt in eine Zeit, wo es neben Fakten noch alternative Fakten gibt und es keiner so genau nimmt; aber ein jeder sieht zu, wo er bleibt.

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