aus Neurophysiologie des Sozialen.
'..."Wird dem Gehirn die
Fähigkeit genommen, eigene Wertvorstellungen und finanzielle Anreize
gegeneinander abzuwägen, halten Menschen offenbar eher an ihren
moralischen Überzeugungen fest", erläutert Ruff das Ergebnis. "Selbst
höhere finanzielle Anreize haben dann weniger Einfluss." Für den
Neuroökonomen eine interessante Erkenntnis, denn: "Grundsätzlich wäre es
auch denk- bar, dass Menschen intuitiv finanzielle Interessen verfolgen
und sich erst aufgrund ihrer Abwägun- gen für den altruistischen Weg
entscheiden."
... Daraus folgern die Wissenschafter, dass der
rechte temporoparietale Kortex nicht Sitz altruisti- scher Motive an sich
ist, sondern uns die Fähigkeit vermittelt, moralische und materielle
Werte gegeneinander abzuwägen.'
*
Das 'radikal Böse im Menschen' ist nach Kant seine Fähigkeit, das, was er als gut oder richtig erkannt hat, nicht zu
tun. Mit andern Worten: Das Gute und Richtige sei für den Menschen das,
was ihm am nächsten liegt. Die Untugend ist demgegenüber sekundär und
nur als Folge einer zusätzlichen Reflexion möglich.
Dies scheint dieser Test zu beweisen.
Doch
haben Sie's bemerkt? Moralisch, hilfsbereit, sozial, altruistisch - das
ist für die Zürcher Forscher alles ein- und dasselbe. Dagegen stehen
materiell, egoistisch, Interessen und Anreize. Gut und böse kommen dagegen gar nicht vor.
Das
liegt an der Versuchsanordnung. Die Prämisse ist: Es ist
neurobiologisch lokalisierbar. Der unausgespro- chene Hintergedanke: Es
ist stammesgeschichtlich erworben und hat in der Hirnstruktur einen
physischen Niederschlag gefunden; nämlich beide Fähigkeiten ihren je
eigenen.
Wenn
man nun experimentell herausfindet, welches von beiden das andere
dominiert, kann man sagen: Das ist unser Eigentliches, es entspricht
unserer innersten Natur, ist das Primäre. Zum Glück hat sich gefunden,
dass es Charakerzüge sind, die die Kooperation begünstigen; was zu
erwarten war, weil auf der Grundlage familiärer Gruppenbildung die
Gattung H. sapiens überhaupt erst entstanden ist: Auf der Grundlage
eines konkurrenziel- len Kampfes jeder gegen jeden wäre das nicht möglich
gewesen.
Nun
hat der Gruppenvorteil mit Moral genausowenig zu tun wie der Eigennutz.
Er erlaubt größere Gruppen- bildung, innere Differenzierung, höhere
Arbeitsteilung und Kooperation. Er ist wirtschaftlich erfolgreicher.
Nämlich en gros. En détail mag der Privatvorteil doch immer seinen Reiz
haben: Es ist eine Sache des Abwä- gens und der Reflexion.
Auf die allein hat die Evolution sich nicht verlassen mögen: Sie hat daher die Priorität des Sozialen genetisch verankert, und wie der Test zeigt, tat sie gut daran.
Merke: Das
Soziale ist - wie das Recht - das, was ich meinen Nächsten schulde.
Moral dagegen schulde ich mir und keinem andern. Was ich unter Ich
verstehe, hat die Evolution noch nicht in unsere Gehirne eingebaut,
da- für ist es phylogenetisch zu rezent; es entstand mit der bürgerlichen
Gesellschaft. Für eine ganze Weile werden wir es noch, jeder für sich,
immer wieder neu selber entscheiden müssen. Es ist keine Sache von
Auslese und Anpassung, sondern von selbst-Bestimmung.
Das Bestimmen ist uns freilich erst möglich, seit der rechte temporoparietale Kortex die Versuchung zugelassen hat: das Gute am Schlechten; der Sitz des radikal Bösen im Menschen, mit Kant zu reden.
Nota. Das
obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.
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