Mittwoch, 31. Oktober 2018

Psychologie und Philosophie scheiden sich an der Frage nach der Wahrheit.


Die kategorische Unterscheidung philosophischer und psychologischer Betrachtung ist nichtsdestoweniger nur eine operative. Es geht ja in jedem Fall um das wirkliche Wissen. 

Die Unterscheidung betrifft die Frage nach der Notwendigkeit. Die Psychologie beobachtet, wie soundsoviele Menschen unter ihren je gegebenen Lebensumständen (ggf. im Labor) tatsächlich denken. Die philosophische Fragestellung will ergründen, ob sie mit Notwendigkeit so denken oder nur zufällig; also ob sie auch anders denken könnten, wenn... wahre Ergebnisse erzielt werden sollen. Die Frage nach der Wahrheit der Denkresultate und die nach der Notwendigkeit sind der Sache nach ein und dasselbe.

Nur unter der Voraussetzung, dass wahre Denkergebnisse überhaupt möglich sind, lässt sich richtiges von falschem Denken unterscheiden. Die psychologische Untersuchung kann sich allenfalls auf die Pragmatik des Denkens erstrecken: wie und wieweit aus Erfolg und Misserfolg des Denkens "im praktischen Leben" gelernt wird.

aus e. Notizbuch, 7. 12. 1994


In der Sache bin ich heute klüger. Die Notwendigkeit eines Denkens entscheidet in keiner Weise über die Wahrheit seiner Resultate. Wenn man unter Wahrheit nämlich eine Übereinstimmung zwischen der Vorstellung und ihrem Gehalt versteht; oder zwischen der Bedeutung eines Dings und seinem Sein. Das gibt es nicht nur nicht, sondern es hat nicht einmal Sinn. Was soll das heißen: der Geruch der Aprikose stimmt mit ihrem spezi- fischen Gewicht überein? Das ist einfach Quatsch.

Die Frage kann allenfalls sein, ob ich über die Schritte, durch die ich zu meinem Urteil über die Bedeutung des Dinges gekommen bin, Rechenschaft ablegen und zeigen kann, dass ich die gebotene Vorsicht habe walten lassen. Da die Bedeutung der Sache kein Objektivum ist, sondern eine Zurechnung, kann es gut sein, dass ich mich mit dem Einen oder Andern nicht über sie einigen kann. Denn die Bedeutung der Sache für mich hängt ab vom Zweck, den ich mit ihr verbinde. Verständigen sollten wir uns können, wenn wir den Zweck teilen. An- dernfalls müssten wir uns um den Zweck streiten.

Der oben angesprochene Unterschied zwischen Psychologie und Philosophie ist der: In der Philosophie geht es um unter gegebenen Bedingungen notwendige Urteile. Das wären solche, die - unter den gegebenen Bedingun- gen - jeder mit jedem teilen müsste. In der Psychologie geht es um die Meinungen, Ansichten und Gefühle, die ein Individuum oder eine Gruppe von Individuen zufällig haben. Das eine hat mit dem andern so viel und so wenig zu tun wie das Ding mit seiner Bedeutung.










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Dienstag, 30. Oktober 2018

Philosophische Neuerer.

Duchamp, Fontaine

200. Original. — Nicht dass man etwas Neues zuerst sieht, sondern dass man das Alte, Altbekannte, von Jeder-mann Gesehene und Uebersehene  wie neu sieht, zeichnet die eigentlich originalen Köpfe aus. Der erste Entdecker ist gemeinhin jener ganz gewöhnliche und geistlose Phantast — der Zufall.
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Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, Band II, 2. Ausgabe. 



Nota. - Das muss man wörtlich nehmen: Nicht ein bisschen anders, "querdedacht" oder "gegen den Strich ge- bürstet", sondern: wie neu. Die größte Neuerung der Denkgeschichte war Kants Kopernikanische Wende. Dass Wissen in Begriffe gefasst ist, hat schon den alten Griechen gedämmert und ist von Plato clare et distincte aus- gesprochen worden. Seither wusste man das und nahm es so hin; nämlich als ob im Begriff die Wahrheit der Sa- che erfasst wäre. Dass es stattdessen um die Wahrhaftigkeit des Begreifenden ginge, war die ganz neue Sicht auf eine ganz alte Frage.
JE






Montag, 29. Oktober 2018

Anschauungen einfangen.

W. Busch

Man hat bei der Kantischen Philosophie über Dunkelheit geklagt: bei der Fichtischen wird man über Finsternis klagen müssen. In anderen Philosophien konnte die Einbildungskraft dem Verstande nicht nachkommen; hier scheint es, als ob der Verstand nicht allemal der Einbildungskraft nachkommen könne: es werden uns Begriffe zugemutet, die wir nur mit der Einbildungskraft auffassen, mit dem Verstande aber gar nicht denken können. 

Sie können sich leicht einbilden, dass solche Zumutungen nicht viele freundliche Gesichter finden werden.
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Friedrich Carl Forberg, Fragmente aus meinen Papieren, Jena 1796, S. 77f.


Nota I. - Begriffe, in denen sich nichts anschauen lässt, sind leer. Aber bei Anschauungen, die sich nicht begrei- fen lassen, besteht immerhin Hoffnung: Es kann ja noch werden.

8. 3. 15

Nota II. - Forberg hat Recht und auch nicht. Als seine Fragmente erschienen, hatte Fichte mit seinem Vortrag der Wissenschaftslehre nova methodo noch nicht begonnen. Dass er, anders als Kant, sein System nicht logisch aus Begriffen konstruieren, sondern genetisch aus Vorstellungen entwickeln müsste, ist ihm erst nach der Grundlage auf- gegangen. Forbach wird die Vorlesungen nova methodo dann wohl gehört haben. Ob er dazu ein freundlicheres Gesicht gemacht hätte? Er hat jedenfalls Kant auch später näher gestanden als Fichte.
JE

Sonntag, 28. Oktober 2018

Die intelligible Welt ist das Reich der Zwecke.


Nun ist auf solche Weis eine Welt vernünftiger Wesen (mundus intelligibilis) als ein Reich der Zwecke möglich, und zwar durch die eigene Gesetzgebung aller Personen als Glieder. Demnach muß ein jedes vernünftige Wesen so handeln, als ob es durch seine Maximen jederzeit ein gesetzgebendes Glied im allgemeinen Reiche der Zwecke wäre. Das formale Prinzip dieser Maximen ist: handle so, als ob deine Maxime zugleich zum allgemeinen Gesetze (aller vernünftigen Wesen) dienen sollte.
 

Ein Reich der Zwecke ist also nur möglich nach der Analogie mit einem Reiche der Natur, jenes aber nur nach Maximen, d.i. sich selbst auferlegten Regeln, diese nur nach Gesetzen äußerlich genötigter wirkenden Ursachen. Demunerachtet gibt man doch auch dem Naturganzen, ob es schon als Maschine angesehen wird, dennoch, so fern es auf vernünftige Wesen, als seine Zwecke, Beziehung hat, aus diesem Grunde den Namen eines Reichs der Natur. Ein solches Reich der Zwecke würde nun durch Maximen, deren Regel der kategorische Imperativ aller vernünftigen Wesen vorschreibt, wirklich zu Stande kommen, wenn sie allge-mein befolgt würden.

Allein, obgleich das vernünftige Wesen darauf nicht rechnen kann, daß, wenn es auch gleich diese Maxime selbst pünktlich befolgte, darum jedes andere eben derselben treu sein würde, imgleichen, daß das Reich der Natur und die zweckmäßige Anordnung desselben, mit ihm, als einem schicklichen Gliede, zu einem durch ihn selbst möglichen Reiche der Zwecke zusammenstimmen, d.i. seine Erwartung der Glückseligkeit begünstigen werde: so bleibt doch jenes Gesetz: handle nach Maximen eines allgemein gesetzgebenden Gliedes zu einem bloß möglichen Reiche der Zwecke, in seiner vollen Kraft, weil es kategorisch gebietend ist. 
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Kant, Grundlegung einer Metaphysik der Sitten, WW ed. Weischedel, Bd. VII, S. 72f.


Nota I. - Für Kant ist der Kategorische Imperativ offenbar der Zweck der Zwecke. Und zwar gedacht als real. Ideale Zwecke, die um ihrer selbst willen 'gefallen', wären nach seiner Auffassung ästhetisch; aber das Ästhe- tische will er von der Vernunft fern-, das heißt: aus der praktischen Vernunft heraus halten; wenn auch in un- mittelbarer Nachbarschaft. - Ideale Zwecke 'gibt es' nur als ästhetische Idee, nämlich unendlich bestimmbar und ergo ewig unbestimmt.
 

Vernünftig ist nach Fichte ein Denken (Handeln), das vom Unbestimmten zum Bestimmten fortschreitet, wobei bestimmen heißt: einer Sache einen Zweck zuschreiben. Vernünftig wird ein Individuum nur durch die Aufforde- rung seitens einer ihm vorausgesetzten 'Reihe vernünftiger Wesen'. Fluchtpunkt seiner Vernünftigkeit wäre der ideale 'Zweck an sich': ein Aestheticum.

Das Fortschreiten vom Bestimmbaren zum Bestimmten ist nicht das Verfahren Kants (Kant fügt Begriffe anein- ander). Zweck, Vernunft und eine 'Welt vernünftiger Wesen' gehören wohl auch bei ihm zusammen; doch wel- cher Zweck vernünftig sei, ist bei ihm schon immer bestimmt. So kommt es, dass der Mensch am Guten inter- essiert sei, denn es ist ihm vor gegeben: Er kann es als ein Objekt begehren. Bei F. ist der nicht (erst) am Objekt, sondern als ein schlechthin Wollender vorgängig am Bestimmen selbst 'interessiert'; daher kann er auch ideale Zwecke haben.
 

4. 7. 16

Nota II. - Indem sie dazu übergingen, ihre Zwecke mit den Zwecken der Andern, denen sie in der Welt begegnen, zu vergleichen und abzustimmen, fand sich eine Reihe von Wesen zusammen, die ipso facto vernünftig waren. Die- ser Vorgang wird im Bericht der Wissenschaftslehre stillschweigend als historisch vorausgesetzt (und es war in der Wirklichkeit die Ausbildung einer bürgerlichen Gesellschaft). Die Wissenschaftslehre stellt eine Situation dar, in der 'das Ich' eine Reihe vernünftiger Wesen immer schon vorfindet. Sie erzählt nicht von der wirklichen Entwick- lungsgeschichte der Vernunft, sondern liefert ein Modell der vorfindlichen intelligiblen Welt. (Das findet sich auch andernorts: Die Entstehungsbedingungen eines Systems sind etwas anderes als die Bedingungen seiner Repro- duktion.)

28. 10 18





 

Samstag, 27. Oktober 2018

Das theoretische Modell.



Das theoretische Modell ist dazu da, in einer Sache ihren Sinn freizulegen. Wenn man sieht, wie sie funktioniert und welche Resultate sie erbringt, wenn man Kontingenz ausscheidet und sie auf sich selbst reduziert, so mag man darin einen Zweck erkennen, der sich mit den Zwecken vergleichen lässt, die man selber verfolgt: Danach wird man die Sache bewerten.

Wenn dies nicht die Absicht ist, wenn man nicht bewerten und verwerten will, und sei es zu Erkenntniszwek- ken, kann man kein Modell entwerfen.

Merke: Ohne eine solche Absicht lässt sich eine Sache gar nicht als 'sie selbst' bestimmen; nicht unterscheiden, was dazu gehört und was kontingent ist.


26. 10. 16 


Nachtrag. Identität ist kein empirischer Befund. Eines sei mit sich selbst identisch, ist kein empirischer Befund, weil es kein Befund ist. Es ist eine Tautologie. Identität bedeutet, dass Eines mit einem Andern identisch ist. Dass zwei, die ungleich sind, gleich sein sollen. Sollen bezeichnet kein Gegebenes, sondern ein Gemeintes. Die Gleicheit bezieht sich nicht auf das, was gegeben ist, sondern auf das, was gemeint ist: eine Absicht. Absicht ist nicht, was ist, sodern was werden kann. Werden kann unter welches Bedingung? Unter der Bedingung, dass dieses oder jenes getan wird. Getan wird unter welcher Bedingung? Dass es gewollt wird. Und das wiederum war: die Absicht. 

Im Modell ist die Absicht dargestellt; unter Absehung von allem, was ihr gegenüber gleichgültig ist. Was ihr widersteht, kommt schon eher in Betracht: als das, was eingrenzt, was sie ist.

PS: Daraus folgt, dass sich nicht jede 'Seite' einer Sache zur Darstellung im Modell eignet. Umgkehrt ist vielmehr die schematische Darstellung eine Probe darauf, ob sich ein Merkmal dazu eignet, zum "Wesen der Sache" gezählt zu werden, oder ob es ihr zufällig ist.




Freitag, 26. Oktober 2018

Die Unverzichtbarkeit des Absoluten.



Die Erwartung, dass es ewig so weiter geht, ist die profanste Variante von der Vorstellung, dass die Welt – und das Leben in ihr – einen Sinn hat: Wenn an alles, was sich tue, sich eine unendliche Kette von Folgen fügt, dann wird mein Leben am Ende jedenfalls nicht umsonst gewesen sein. 

Ergänzen wir die Versuchsanordnung um dieses Partikel: Die Menschheit stirbt zwar aus; aber danach kom-men alle Taten und Unterlassungen auf einen Tisch, werden sortiert und gewichtet, und eine höhere Intelligenz außerhalb von Raum und Zeit zieht eine allerletzte Bilanz. Das Szenario ist bekannt, nicht wahr? 

Nur die Fiktion von irgendetwas Absolutem kann meiner kurzen Existenz einen Sinn verleihen, um dessent-willen es sich lohnt, ein Leben lang stets und immer wieder die Wahl zu treffen zwischen dem Richtigen und dem Falschen; denn ohne dies wäre Alles gleich gültig und ich könnte mich meinem Stoffwechsel überlassen und meinen Leibesregungen. 

Das könnte immer noch das Leben eines Krämers werden; jedenfalls so lange ich nicht kühlen Bluts der Tat-sache ins Aug blicke, dass es doch immer nur eine Fiktion bleibt.

23. 10. 15


Nachtrag. Der Sinn des letzten Satzes ist dunkel. Denken Sie nicht, das sei Absicht - es muss ein Schreibfehler gewesen sein, vielleicht habe ich einen Halbsatz ausgelassen. Aber ich lasse es stehen, es hat seine eigne Pointe.
 



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Donnerstag, 25. Oktober 2018

Wozu?



Sinn ist das Kriterium, das uns erlaubt, eine Wahl zu treffen. 
aus e. Notizbuch, im Juli 03

Nicht weil etwas Sinn hat, können wir wählen, sondern damit wir wählen können, muss etwas Sinn bekommen.
27. 1. 15

Ob ich einen Sinn suche, steht mir frei. Aber nicht, ob ich wähle.







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Dienstag, 23. Oktober 2018

Der Glaube an die Wirklichkeit der Welt.


5) Der Widerspruch ist leicht zu vereinigen. Das producirende Ich wurde selbst als leidend gesetzt, so auch das gefühlte in der Reflexion. Das Ich ist demnach für sich selbst in Beziehung auf das Nicht-Ich immer leidend, wird seiner Thätigkeit sich gar nicht bewusst, noch wird auf dieselbe reflectirt. – Daher scheint die Reali-/tät des Dinges gefühlt zu werden, da doch nur das Ich gefühlt wird.

(Hier liegt der Grund aller Realität. Lediglich durch die Beziehung des Gefühls auf das Ich, die wir jetzt nachge- wiesen haben, wird Realität für das Ich möglich, sowohl die des Ich, als die des Nicht-Ich. – Etwas, das lediglich durch die Beziehung eines Gefühls möglich wird, ohne dass das Ich seiner Anschauung desselben sich bewusst wird, noch bewusst werden kann, und das daher gefühlt zu seyn scheint, wird geglaubt. – An Realität überhaupt, sowohl die des Ich, als des Nicht-Ich, findet lediglich ein Glaube statt.) _____________________________________________________________________
Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, Siebenter Lehrsatz, Hamburg 1979, S. 217f. 


Nota. - Entgegen einer landläufigen Auffassung lehrt der Fichte'sche Kritische Idealismus keineswegs die Irrealität der Welt; und nicht einmal, dass man 'darüber nicht wissen kann'. Er lehrt jedoch, dass die Frage selbst in wis- senschaftlichem Verständnis ohne Sinn ist. Denn unser Wissen besteht lediglich aus dem, was in unserer Vorstel- lung vorkommt - wahr oder falsch. Und in unserer Vorstellung kommen keine Dinge vor, sondern nur Vorstel- lungen. Wissenschaftlich sinnvoll ist lediglich die Frage, wie wir dazu kommen, einigen unser Vorstellungen eine Existenz auch außerhalb unserer Vorstellung zuzuschreiben und andern nicht; und warum wir glauben, beides unterscheiden zu können. 

Der Sinn dieser Frage liegt auf der Hand. Wenn wir für unsere Annahme überzeugende - uns überzeugende, wen denn sonst? - Gründe finden, dürfen wir vorläufig in unserm Handeln darauf bauen. Doch wenn nicht, wäre all unser Tun ein bloßes Glücksspiel, und der Weise wäre nicht besser dran als der Narr.

Wenn ja, können die so gewonnen Unterscheidungsmerkmale uns im weiteren Verlauf dabei dienen, falsch und richtig voneinander zu scheiden - und begründet und unbegründet.

Dass wir aber an die Wirklichkeit der Welt glauben, ist die Voraussetzung unseres Zusammenlebens in der Welt; und daher die Voraussetzung der Vernunft.
JE



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Montag, 22. Oktober 2018

Freiheit ist Anfang und Ende der Philosophie.

New York, Central Park 

Der letzte Punkt, an dem unser ganzes Wissen und die ganze Reihe des Bedingten hängt, muß schlechterdings durch nichts weiter bedingt sein. Das Ganze unsers Wissens hat keine Haltung, wenn es nicht durch irgend et- was gehalten wird, das sich durch eigene Kraft trägt, und dies ist nichts, als das durch Freiheit Wirkliche. Der Anfang und das Ende aller Philosophie ist – Freiheit! _____________________________________________________
F. W. J. Schelling, Vom Ich als Prinzip der Philosophie, [1795] § 6


Nota. - Das ist ein analytischer, kein synthetischer Satz. Wenn unser ganzes Wissen und die ganze Reihe des Be- dingten einen festen Grund haben sollen, kann es nur einer sein, der sich durch eigene Kraft trägt, und dies ist nichts, als das durch Freiheit Wirkliche. – Wahr ist er aber nur, sofern er sich bewährt.
JE


24. 8. 15 

Sonntag, 21. Oktober 2018

Das Gefühl.

W. Busch

Gefühl - sensus, das Sensorium sagt jemand, "die Sinneszellen" – zeigt an, was ist. Genauer gesagt: dass da Etwas ist. Was 'etwas' ist, können die Sinneszellen schon nicht mehr melden, sondern höchstens, wie es sich anfühlt. Die- ses oder Jenes oder etwas Anderes, das kann erst... die Reflexion festsetzen. Das Gefühl kennt immer nur hier und jetzt. Die Reflexion, nehmen wir an – warum hieße sie sonst so? –, kann sich erinnern. Kann vergleichen. Wenn sie findet: nicht dieses – dann immerhin Etwas anderes. Daran kann sie weiterarbeiten. Denn anders als das Gefühl kann sie nach freiem Gutdünken fortfahren, solange sie will.

29. 9. 15


Bei Kant kommt die Sinnlichkeit unter dem Titel Anschauung vor. Gefühl ist bei ihm kein eigenständiger Begriff. Fichte jedoch unterscheidet beide. Anschauung ist bei ihm die Urform der Reflexion: Sie nimmt das Gefühl als dieses und als ein solches wahr. Sie ist schon nicht mehr sinnlich, sondern ideal.



Samstag, 20. Oktober 2018

Das, was ist, und das Nicht-Etwas.


Die Grundmystifikation des Hegel'schen Systems war ein fauler Trick. Nämlich die dialektische Gleichsetzung von Sein und Nichts ganz am Anfang der Logik. Die Negation des Seins ist offenbar das Nichtsein. Das Nichts wäre dann die Totalität von Allem, was nicht ist. Das ist offenkundiger Blödsinn. Oder die Eigenschaft, nicht zu sein - was noch größerer Blödsinn ist.

Es geht um das metaphysische Prinzip: die Gleichsetzung von Logischem und Realem. Position und Negation bilden nur logisch ein Paar. Realiter ist zuerst einmal das Positive; das Negative kommt danach – nicht als nega-tives Sein, sondern als aktive Verneinung; als Tat eines Subjekts; als Tat-Sache.

 
Nachtrag. - Diese Pointe will ich erklären. Was ist, ist Etwas in Raum und Zeit. Was nicht in Raum und Zeit ist, ist nicht; nicht einmal Nichts. Logisches ist jenseits von Raum und Zeit. Es ist nicht, sondern gilt; für logisch in Raum und Zeit Urteilende. Was nicht gilt, ist nicht nichts, sondern ist ungültig für logisch Urteilende; Unfug heißt es umgangssprachlich.

28. 9. 15 


So, wenn man ihre Begriffe buchstäblich nähme. Das muss man aber nicht. Die Begriffe sind nur dazu da, jene Vorstellung zu verschleiern, die wirklich dahintersteckt: nämlich die von einer körperlos-unergründlichen Sub- stanz außerhalb von Raum und Zeit, deren 'Kraft' dennoch in Raum und Zeit "wirkt". 

Und dann ist jeder Aberglaube statthaft.





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Freitag, 19. Oktober 2018

Abstraktion und Reflexion sind eins.


Ich kann von Diesem nur absehen, indem ich auf ein Anderes achte. Ich kann auf jenes nur absehen, indem ich von allem Andern absehe.

Etwas wird Dieses, sofern ich auf es absehe. Indem ich darauf absehe, wird der gestaltlose Rest zum Andern - und so erst zu Etwas; und ohne, dass ich darauf absehe.

27. 9. 15


Merke jedoch: Wenn ich auf das Andere absehe, wird es ipso facto zum Gegensatz von Diesem. "Nicht die Dinge unterscheiden sich von einander, sondern ein Vorstellender unterscheidet. Einen Unterschied zwischen Vielen nehme ich als Mannigfaltigkeit wahr. Den Unterschied zwischen Zweien nehme ich wahr als Gegensatz; zum Gegensatz wird ein Unterschied, indem ich auf ihn reflektiere: ihn mir als solchen zu Bewusstsein bringe. Reflektie- re ich auf Eines im Unterschied zu Vielen, setze ich das Eine zu Allem Andern als einem Totum in einen Gegen- satz."





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Donnerstag, 18. Oktober 2018

In der Welt sein.


Altdorfer, Alexanderschlacht, Ausschnitt                                                                                                             aus Über Ästhetik, Rohentwurf; 10.

Die Welt (wereld: dort, wo die Menschen sind) ist eher da als die "Umwelt"! Der Mensch ist nicht nur das einzige Lebewesen, das "Welt hat", sondern auch das einzige, das 'von Natur' keine Umwelt hat (hat Pleßner übersehen). Nämlich seit er seinen heimischen Regenwald verlassen und in die offene Savanne "übergelaufen" ist und eine vagante Lebensweise angenommen hat: Die Savanne ist ihm keine "Umwelt", ist keine "Nische" [er hat sich ihr nicht durch 'natürliche Zuchtwahl' evolutiv angepaßt], sondern der Weg zwischen den möglichen Nischen; Zwi- schenraum, in dem er sich immer nur vorübergehend niederläßt, aber nicht einrichtet! In ihr bleibt er immer "fremd", aber in unbestimmter Weise, weil er den bestimmenden Gegensatz "Zuhause" (noch) gar nicht (mehr) kennt. [Erste (?) Fixpunkte: die rituell genutzten und bemalten Höhlen! Auch erste "Kunst": Ästhetik jenseits der alltäglichen 'Welt'...] 
 

- Eine 'Umwelt', in die er 'hineinpaßt', weil er hinein gehört, muß er sich erst selber schaffen: Seßhaftigkeit, Acker- bau, Arbeit! Retour à la case départ: Dort, wo er arbeitet, ist die Welt bestimmt, oder immerhin bestimmbar. Was jenseits der Arbeit ("Praxis") liegt, läßt sich allenfalls betrachten ("Theorie"!); welches die ästhetische Anschau- ungsweise ist. 

Die Vorstellung des positivistischen Jahrhunderts: den Raum der Arbeit aus- dehnen, bis er mit den Grenzen der Welt zusammenfällt; "Entzauberung", sagt Max Weber. Die Welt aneignen: Zu meiner Umwelt fungibilisieren; "bestimmen". (DDR!)

Daniel Naumann, pixelio.de 

Und was nicht-bestimmbar ist, läßt sich nicht ex ante definieren, sondern nur ex post praktisch erweisen, negativ: indem man das Bestimmen ver- sucht und daran scheitert. Was das Ästhetische sei, "zeigt sich"... Zuerst war die Welt nur unbe- stimmt. Ihren Rätselcharakter gewinnt sie mit fortschreitender Bestimmung - als der widerständige Rest, caput mortuum; und der wird eo ipso im- mer bestimmter - als unbestimmt; d. h. als Rätsel.


Mittwoch, 17. Oktober 2018

System der Welt, System der Vorstellung.


Zwei gedankliche Systeme könnte es geben: ein System der Welt und ein System der Vorstellung.

Diese Unterscheidung ist nicht so einfach, wie es scheint: Die Welt ist nicht das physikalische Universum - Phy- sik, Kosmologie, Teilchenphysik. Das sind nur jeweils mögliche Blicke auf und in die Welt. Die Welt selber ist "alles, was vorkommt". Als solches ist sie keine Gegend, sondern nur ihr Horizont. Horizont wovon? Der Vor- stellung.

Es gäbe also ein System dessen, was in der Vorstellung vorkommt.

Und das System der Vorstellung selbst: der Tätigkeit des Vorstellens. 

Die ist unendlich. Was in ihr vorkommt und vorkommen wird, ist es ebenso. Also kann es nicht (von der Vor- stellung!) umfasst werden. Als System kann es 'die Welt' daher nicht geben...

Die Welt der Vorstellung ist real, denn real sind die Vorstellungen. Die Vorstellung von der vorstellenden Tätig- keit ist ideal. Sie kann sich reflektierend selbst 'umfassen': sich als System vorstellen.

1. 6. 2015











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Montag, 15. Oktober 2018

Philosophisches System.

oder doch nicht?

Es ist gleich tödlich für den Geist, ein System zu haben, und keins zu haben. Er wird sich also wohl ent- schließen müssen, beides zu verbinden. 
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Friedrich Schlegel, Athenaeums-Fragmente N° 53






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Sonntag, 14. Oktober 2018

Mein Eignes.

Allard, Un enfant des Abruzzes

Es ist Ihnen vielleicht manchmal vorgekommen, als trüge ich meine Aussagen zu selbstsicher vor, ohne die ge-botenen Kautelen und Rücksichten.

Das dient zunächst einmal der Klarheit. Dass das, was ich vortrage, 'nur meine persönliche Meinung' ist, versteht sich von selbst. Wenn andere es auch vortrügen, könnte ich es mir sparen. (Das gilt auch für Sätze, die Ihnen trivial erscheinen; nicht alle wiederhole ich in didaktischer Absicht; manche waren für mich, als ich sie nieder-schrieb, neue Gedanken.)

Weshalb glaube ich aber, dass ich zum Besten geben soll, was mir einfällt? Wenn das jeder täte!

Ich fühle mich ermächtigt und angehalten, meine Meinungen öffentlich zu machen, weil ich gewiss bin, einen Standpunkt gefunden zu haben, von dem aus einige Fragen lösbar oder besser lösbar erscheinen, als von anderen aus. Und den Standpunkt habe ich gefunden, aber nicht gesucht. Er hat sich ergeben als gemeinsamer Nenner von Einzelergebnissen.

Was ist also mein Eigenes? 

Zunächst ein paar Realien, die als solche weit auseinander liegen und nach einem gemeinsamen Nenner nicht gerade schreien.

1. Da ist zuerst meine Auffassung der Species homo sapiens als die ("kindlichste" und eo ipso:)  "männlichste" Spezies – weltoffen, unreif und bildsam. Soweit ich weiß, bin ich bis heute der einzige, der diese Ansicht vertritt.

2. Zweitens meine Auffassung der spezifisch europäischen Feudalität und ihrer vielfach bedingten Eigentums- und Herrschaftsformen als historische Voraussetzungen für die Ausbildung einer bürgerlichen Gesellschaft; und insofern als prägend für die abendländische Kultur. Das mag vor mir schon mancher andere gemeint haben, aber direkt ausgesprochen habe ich es noch nirgendwo sonst gefunden.

3. Meine Kennzeichnung der 1990 untergegangenen Gesellschaften sowjetischen Typs als feudalbürokratische Ver-knappungs- und Vergeudungssysteme. Das ist, so feuilletonistisch die Formulierung klingt, ein ernstgemeinte histori-sche Charakterisierung.

4. Viertens ein Stück Philologie: meine Auffassung, die Kritik der Politischen Ökonomie sei nicht zu begreifen mittels der Hegel’schen Logik, sondern mittels der 'Kritischen' Philosophie alias Wissenschaftslehre. 

5. Daraus folgt – wiederum als Realie meine Ansicht vom Absterben des Tauschwerts im Laufe der Digitalen Re-volution.

Soweit die realen historischen Theorien, die Sie nirgends anders vertreten finden. Sie hängen zwar nicht ab von –, aber doch (zumindest methodisch) zusammen mit meinen eigentlich philosophischen Einsichten:

Da ist zuallererst und für mich am wichtigsten meine Auffassung der Fichte’schen Wissenschaftslehre nicht als eine Theorie des Bewusstseins, sondern als eine Begriffsbestimmung der Vernunft. 

Diese 'Meta'-Einsicht stammt aus (und rechtfertigt) einige(n) philosophische(n) 'Objekt'-Erkenntnisse(n):

1) 'Die Welt' – und die ihr adäquate Bewusstseinsweise der Vernunft – ist eine Überkompensation der im Prozess der Hominisation aufgegebenen und naturwüchsig sinnsetzenden Umweltnische.

2) Dies ist der Ur-Sprung des Specificum Humanum: unseres poietischen Vermögens. 

3) Das zwiespältige Resultat dieses Verlustes & Neuerwerbs ist die Freiheit als Folge des Zerfalls der angestamm-ten Umweltnische in unsere Welt und meine Welt.* 

4) Die Form der Vernunft in specie ist die Wissenschaft, die systematische Rekonstruktion unserer Welt. Als solche ist sie spezifisch öffentliches Wissen (wie überhaupt die Spaltung von unserer und meiner Welt ihre reelle Entspre-chung findet in der spezifisch bürgerlichen Scheidung von Öffentlich und Privat).

5) Die Wissenschaftslehre ist die vor-begriffliche Rekonstruktion der Erfindung von meiner Welt mit der Ver-nunft als ihrem terminus ad quem. 

6) Das Absolute als das unvermeidliche Korrelat ('wozu?') des sich-selbst-setzenden Ichs ist eine ästhetische Idee. Sie ist der Vereinigungspunkt, von dem aus unsere Welt und meine Welt zugleich überschaubar werden.

7) Metaphilosophie und Praktische Philosophie verhalten sich zueinander wie Frage und Antwort. Zwischen beiden steht als Klammer und Scheidelinie die Kritik. Metaphilosophie und Praktische Philosophie bilden zu-sammen (=als Frage und Antwort) die Anthropologie. Zwischen beiden liegt die Kritik als eine Selbstreflexion der Anthropologie. 

*[Nachtrag Jan. 2018: Daraus folgt die Zuordnung der Vernunft (und des Rechts) zu unserer Welt - und der Mora- lität zur Ästhetik und zu meiner Welt.]
* 

Das ist alles nicht der Weisheit letzter Schluss, aber so ist es in der Philosophie immer. Doch immerhin recht-fertigt es die Hartnäckigkeit, mit der ich meine Blogs betreibe. Und wenn ich vielleicht nicht in allem, aber im wesentlichen – Recht habe, wäre es nötig, dass sie gelesen werden.










19. 4. '16 


Nota. - Ergänzung zum gestrigen Eintrag.
JE




Samstag, 13. Oktober 2018

Kleines System der Philosophie.


Philosophie ist wissenschaftlich nur als Kritik. Und nur als Kritik sollte sie sich zu einem System ordnen lassen. Negativ zwar, sofern ihr letzter Grund darin aufgefunden wird, dass ein realer Urgrund des Wissens sich nicht nachweisen lässt. Sie ist Wissen des Wissens und endet in der Einsicht, dass das Wahre als beabsichtigter Gegen- stand des Wissens nicht aufgefunden, sondern postuliert wird. Ein solches Wissen vom Wissen ist in seiner Ne- gativität rein formal und hat keinen Inhalt. 

Das war aber nicht die Absicht, aus der heraus die Philosophie entstanden ist. Sie wollte im Gegenteil ein posi- tives Wissen, das als Wegweiser zur richtigen Lebensführung taugt. Die Kritik zeigt nun: Mit theoretischen Mit- teln ist das nicht zu haben. Die richtige Lebensführung lässt sich nicht ergründen, sondern kann nur entworfen werden. Sie muss frei erfunden werden, und ihr einziger Maßstab* ist Schönheit – nämlich ob sie vor allem In- teresse gefällt. Da kann die theoretische, wissenschaftliche, kritische Philosophie allerdings sekundär behilflich werden: indem sie die Interessen ans Licht zieht und abweist.

Die Kritik fügt dem Wissen sachlich nichts hinzu. Sie macht aber durch ihre Distinktionen das Wissens selbst – nicht erst das Gewusste – zu einem möglichen Gegenstand des Urteils: Was ist vor-, was ist nachgeordnet? Sie prüft den Wert des Wissens und ist also selber praktisch.

Daraus erhellt aber zugleich, dass der Maßstab zur Beurteilung des Wissens nicht in ihm selber aufzufinden ist, sondern ihm 'vor'-, d. h. übergeordnet war. Die 'Begründung' des Wissens geschieht actu im 'metaphilosophi- schen' Raum – und hat sich in der praktischen oder Lebensphilosophie zu bewähren. Sie ist eine pragmatische Fiktion, und insofern eben doch: 'Hypothese', genauer: Hypostase. Ist nicht proiectio, sondern proiectum. Und dies ist das einzige 'Interesse', das der Kritik standhält. 

*) Einen Urteilsgrund gibt es nicht. Und ein Urteil ohne Grund nennen wir 'ästhetisch': Es hat als Anhaltspunkt nichs als den Geschmack. 


irgendwann in 2010

Freitag, 12. Oktober 2018

Animal transcendens.

mzibo.net

A und O der Philosophie: Der Mensch ist das einzige Tier, dass sich mit seinem Dasein nicht begnügen kann. Es füllt ihn nicht aus, weil er das einzige Lebewesen ist, das nicht (mehr) an seinem angestammten Platz lebt, wo er hingehört und der ihm seine Bestimmung vorgibt, die er nur noch zu erfüllen hat. Er lebt in einer Welt, die keine Grenzen hat, die er ausfüllen könnte.

In der Welt fühlt er sich ständig unterwegs und nie an seinem Platz. Der eine kommt sich als geworfen vor, der andere als ausgesandt; und keiner aufgehoben. Dazwischen spielt sich alle Philsophie ab.

Das A selber ist noch kein philosophisches Problem, sondern ein entwicklungsgeschichtlicher Sachverhalt.

aus e. Notizbuch, Frühsommer 09


Weitergehen müsste es mit O: der sekundären Freisetzung des Menschen durch das Ende der industriellen Zivi- lisation in der digitalen Revolution; dazwischen liegt die selbstgebaute Umweltnische der Arbeitsgesellschaft. - Soweit die anthropologische Basis allen Philosophierens.


Es beginnt mit der Frage, wohin. Darauf folgen viele - erst mythische, dann religiöse, schließlich vernünftige - Antworten, doch selbst die vernünftigen Antworten können der Kritik schließlich nicht standhalten. Und am Schluss steht doch wieder nur die Frage: wohin. Der einzig positive Ertrag der Kritik ist der: Nach dem Wohin ist nicht in der Welt zu suchen, sondern findet sich mit dem Gehen selbst.


29. 10. 14 


Ach, der Weg ist das Ziel? Das wusste man vorher, das ist nicht originell. - Nein, ist es nicht. Nach der Kritik wis- sen wir aber, dass es nicht nur anders nicht sein kann, sondern dass es eine Sache unserer Freiheit ist, was wir dar- aus machen. Und da gibt es eigentlich nur drei Möglichkeiten. Nihilistisch sind sie alle: Die eine, gottergebene, fügt sich untätig in ihr Los und harrt der Dinge, die da kommen. Das ist der religiöse Weg. Die zweite, existenzi- alistische, fühlt sich geworfen und ist stets auf das Schlimmste gefasst. Sie ist pathetisch und selbstbezogen und po- siert mehr als dass sie handelt. Die dritte ist der artistische. Sie schafft der Schönheit halber, weil sie sich selbst begründet, und weil gewissere Gründe nun mal nicht vorliegen.



Donnerstag, 11. Oktober 2018

Statische Logik, dynamisches Vorstellen.

Canova, Orpheus

Was in der Logik ist, wie es ist, das war und ist immer so und wird immer so bleiben. Zwischen jeglicher Be- stimmung steht ein Gleichheitzeichen, vorwärts wie rückwärts, man steht überall auf demselben Standpunkt. Logik ist statisch.

Vorstellen ist dynamisch. Eines folgt aus dem andern, aber nicht umgekehrt; wo immer man steht, ist ein Drang - nach vorn. Rückwärts geht es gar nicht, dazu müsste man aus dem Vorstellen ausscheren und sich das Vorstel- len selber vorstellen. Das aber ist möglich, denn im Vorstellen herrscht nicht nur Bewegung, sondern insbeson- dere ein Beweger, und der kann sich umwenden.








Dienstag, 9. Oktober 2018

Die Wirklichkeit der Vernunft ist der gesunde Menschenverstand.

Götz, Balancierender
 
Vernunft gibt es nur als Idee. In der Wirklichkeit gibt es lediglich Vernünftigkeit – als das aktuale Bemühen, 'meine' Welt mit 'unserer' Welt ins Verhältnis zu setzen; und zwar nicht ein für allemal, sondern jeden Moment neu.

6. 9. 15  


Nicht in irgendein Verhältnis, sondern ins Gleichgewicht, und sei's auch immer nur einstweilen. Wer beide regel- los neben einander herlaufen lässt, gilt den andern als verrückt. Das Gleichgewicht ist schlechterdings prekär. Der Grat, der beide scheidet, schwankt in Zeit und Raum mal mehr nach dieser, mal mehr nach jener Seite. Gleichgewicht ist nur ein modus vivendi; nämlich ein Modus, der mir erlaubt, mit andern zu leben. Das hängt aber nicht nur von mir, sondern mehr noch von den andern ab.



Montag, 8. Oktober 2018

Mein Vermögen ist Eins.


Mein Vermögen ist einsalles, was ich vermag. Ob es phylogenetisch oder ontogenetisch bedingt ist, ob es mir angestammt wurde oder ob ich es spontan und individuell erworben habe, merkt man ihm selbst nicht an.

Verschieden sind die Gegenstände, auf die ich es anwende, und verschieden wohl auch die Weisen der Anwen- dung. Ähnliche Anwendungsweisen schaffen Ähnlichkeiten zwischen Gegenständen, die ich so zu Klassen zu- sammenfassen kann.

Bin ich soweit einmal gekommen, mag es aussehen, als sei mein Vermögen selbst in Klassen unterschieden. Namentlich in ein Erkenntnisvermögen, durch das ich mit Hilfe von Begriffen an den Gegenständen meine Zwecke realisiere, und eine zweckfreie Anwendung, die 'ohne Interesse gefällt'. Letztere fasse ich auf als mein Vermögen. Ob und wie das eine oder das andere in Anspruch genommen wurde, lässt sich immer erst am ein- zelnen Fall und nachträglich unterscheiden.  


2. September 2013  


Von Paul Watzlawik stammt der Satz, wer als einziges Werkzeug einen Hammer habe, dem kämen alle Proble- me wie Nägel vor. Umgekehrt ist es auch so. Wer einen Nagel in die Wand schlagen will, dem kann alles als Hammer dienen. 

Na schön, alles nicht. Wer Durst hat, dem hilft kein Hammer, und mit einem Schnupftuch kann ich keinen Nagel in die Wand schlagen. Was als Hammer taugt, entscheidet sich am Nagel und an der Wand, womit ich mich schneuzen kann, bestimmt die Empfinglichkeit meiner Nase. 

Ja, und natürlich mein Geschick. Was ich vermag, hängt stets von Vielem ab, und ob oder ob nicht, erweist immer erst der Versuch. Manchmal staune ich selber.