Samstag, 25. August 2018

Kommt Logik vor dem Denken?

Begriff und Wort.

Die Logik stellt, wie die Grammatik, allgemeine Regeln auf. Die Grammatik der eigenen Sprache lehrt nicht, wie man sprechen soll oder wird, sondern nur, wie man spricht oder gesprochen hat, wofür sich eben nur der Grammatiker interessiert. Die Grammatik einer fremden Sprache erfährt man ebenfalls am besten durch die Übung; immerhin kann die Grammatik einer fremden Sprache nützlich sein, wenn sie von der Grammatik der eigenen abweicht.

Die Logik lehrt nun ebenso, nicht wie man denken soll oder wird, sondern nur wie man denkt oder gedacht hat, was doch nur den Logiker interessiert. Nützlich kann uns nur eine Logik der Fremden werden. Wir selbst sind bei unserer eigenen Denktätigkeit um so weiter von der Anwendung der Logik entfernt, je sachlicher wir uns an die Denkaufgabe halten. Und ich möchte behaupten, dass die berühmten Denkfehler, die Sophismen und Paralogismen, niemals von Nichtlogikern gemacht worden wären. Denn das natürliche Gehirn denkt gar nicht ungegenständlich, wendet gar keine Regeln an, sondern urteilt und schließt vielleicht sogar genau so instinktiv wie das Tier. Erst der redende Mensch dachte "logisch". Es ist fast lustig, dass Logik vom logos stammt, der doch nicht im Anfang war.
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aus Fritz Mauthner Sprache und Logik, Beiträge zu einer Kritik der Sprache, 3. Band (1913)



Nota. - Sprach- und Denkregeln dienen der Wiederholbarkeit - gegenüber andern und gegenüber mir selbst. Wiederholbar sind die Begriffe sowohl als die Verfahren. Ich kann sie wiedererkennen und darauf zählen, dass der Andere sie wiedererkennt. Wäre das auf anderm Wege möglich, müsste es weder definierte Begriffe noch kanonisierte Verfahren geben. Und andersrum: Nur was wiederholt werden soll, muss geregelt werden. Und nur, was schon wiederholt worden ist, kann geregelt werden. Logik war erst möglich, nachdem Menschen schon viel gesprochen hatten.

Wie ist aber Sprache entstanden? Um des Erinnerns willen, meint Mauthner. Nur durch Erinnern ist Bewusst- sein möglich. Doch für Sprache reicht mein Erinnernwollen nicht aus. Ich brauche einen außer mir, der mich erinnert - an dies und das. Nämlich indem er das Zeichen verwahrt, durch das wir gemeinsam Dies und Das kenntlich gemacht haben. 


Ohne das Zeichen wiederum könnte ich nicht reflektieren. Denn ich könnte meine Erinnerungsspur nur zu- fälllig nach regellosem Suchen wiederfinden - wieder erkennen; wieder anschauen. Und hätte ich sie wiedergefun- den, würde ich in die Anschauung hineinfallen wie in ein Loch. Sie überlegend gebrauchen könnte ich nicht. 


Zurück auf Anfang: Regeln ließe sich nichts. Sprache setzt eine Gemeinde von Sprechenden voraus. Ohne die keine Logik.
JE










 


Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog

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