Samstag, 10. Januar 2015

"Stetigkeit".


ad Wolf Singer

Schon Zenons Paradox vom fliegenden Pfeil, der nicht von der Stelle kommt, beruhte auf der tricksigen Identifizierung eines mathematischen Punktes mit einem 'Zustand in der Zeit'.

Ein Punkt hat keine Ausdehnung, und wenn man unendlich viele Punkte aneinanderreihte, ergäbe sich doch keine Linie. Als eine Stelle in der Zeit gedacht, ist der Punkt nicht "jetzt", sondern nie. Ein Ereignis in der Wirklichkeit ist eines in Raum und Zeit. Es ist nie ohne Ausdehnung.

Wenn Wolf Singer sagt: Wenn ein Umschlag von Materie in Geist wirklich stattfinden soll, so kann er nur als Zeitraum 'Statt' finden - und also stetig, dann ist das eine petitio principii. Denn dass 'das Geistige' in Raum und Zeit 'besteht' - und ergo materieller Art ist -, soll er uns doch gerade erst beweisen. Er setzt es aber bereits voraus.

Er könnte genauso gut sagen: Es gibt keinen Homo sapiens, weil die Aufrichtung auf die Hinterbeine nicht in einem "Sprung" geschah, sondern in einem hunderttausende Jahre währenden stetigen Fluss. Er würde sagen wollen: Weil es im Vorwärtsgang der Geschichte keine Sprünge gibt, kann es im Rückwärtsgang des historischen Betrachters auch keine geben.

- Tja, was im Linné'schen System wie 'Stufen' der Entwicklung vorkommt, verlief in der zeitlichen Wirklichkeit "glatt" und ohne Sprünge. Und wie ist es mit dem Periodensystem der chemischen Elemente?

aus e. Notizbuch, 3. 1. 09



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