Helene Souza, pixelio.de
aus einer online-Diskussion, in der die deutschen Romantiker als "Antirationalisten" dargestellt worden waren:
...Sicher waren
die Romantiker weder Materialisten noch Rationalisten. Aber weder ist
Idealismus der Gegensatz zum Materialismus, noch ist Irrationalismus der
Gegensatz zum Rationalismus.
Der Reihe nach.
Materialismus ist ein Antwort auf die Frage nach der Beschaffenheit der Welt:
Ist sie eines geistigen oder eines gegenständlichen, "materiellen"
Ursprungs? Das ist eine ontologische Frage. Die eine Antwort ist der Materialismus.
Die andere Antwort ist der Spiritualismus.
Idealismus
heißt die eine Antwort auf die Frage nach dem Ursprung des Wissens: Stammt es
aus den Dingen, oder stammt es aus der Vorstellung? Es ist die
erkentnislogische Grundfrage. Der Idealismus (von gr. ídein=sehen) leitet das
Wissen aus einem ursprünglichen Akt eines Subjekts ab, das sich absichtsvoll
den Dingen zuwendet und von ihnen etwas will. Die andere Antwort - Das Wissen
nimmt seinen Anfang in den Mitteilungen, die uns die Dinge selber machen - ist
der Realismus (von lat. res=das Ding).
Die
erkenntnislogische Frage hat unmittelbar nichts mit der ontologischen Frage zu
tun. Aber mittelbar. Ein Spiritualist muß Realist sein. Wenn das Wesen der
Dinge ein Geistiges ist, kann die Wahrnehmung
der Subjekte nur dessen "Vernehmen" sein und kein setzender
Akt. Und in der Tat war der Begründer allen Realismus, Plato, ein Spiritualist.
Die "wahren Dinge" nannte er "Ideen" (von gr. eídos=Bild),
die sich den Menschen, wenn auch in entstellter Form, "mitteilen".
Ein Idealist
kann kein Materialist sein.* Aber auch kein Spiritualist: Er muß die
ontologische Fragestellung als buchstäblich Gegenstands-los ansehen. Wenn
das Wissen seinen Ursprung in einer ursprünglichen Handlung des Subjekts hat,
kann von einem "Ding an sich" kein Gedanke, sondern höchstens noch
ein Gerede sein. Denn aus den Dingen an sich (oder der "Welt" oder
der "Natur") wird man allenfalls immer das herauslesen können, was
man klammheimlich vorher in sie hineinprojiziert hat. Egal, ob man es dann
"Materie" nennt oder "Leben" oder "Organismus"...
Der Begründer
des modernen, "kritischen" Idealismus war Kant, den Fichte, der
Vordenker der "frühen" Romantik, vollenden wollte (weil jener selbst
nicht mehr dazu gekommen war). Kants Kritiken gehen gegen den
"Dogmatismus". Darunter versteht er alle Philosophie, die glaubt, aus
der Analyse und der Kombination bloßer Begriffe wahre Einsichten gewinnen zu
können. Und alle Philosophen vor ihm waren so verfahren. Namentlich die
Rationalisten der Aufklärungsepoche. Die waren Realisten. Die Logik in unserm
Denken galt ihnen als "Ausdruck" und Niederschlag des
Kausalitätsgesetzes in der Natur; während Kant umgekehrt die
Kausalitäts- vorstellung als ein Konstrukt unserer Einbildungskraft darstellt.
Materialisten
und Rationalisten waren die Romantiker also bestimmt nicht. Sie waren
Idealisten, aber eben kritische Idealisten, und sofern sich Kritik allezeit
nur der Vernunft bedienen kann, ist sie eo ipso rational. ...
Die
Quantenphysik kann zu philosophischen Fragen unmittelbar gar nichts beitragen.
Sie hat lediglich das Dogma der Kausalität in den Naturwissenschaften
gebrochen. Auf die "Natur" können sich die philosophischen
Rationalisten nun nicht mehr berufen. Aber das hätten sie - siehe oben -
ohnehin nicht gesollt.
aus e. online-Forum, 22. 9. 07
*) Allerdings wird er sich, sobald er Naturwissenschaft betreibt, eines strikten Positivismus befleißigen: Nichts lässt er gelten, als was sich in Raum und Zeit unseren Sinnen nachweisen lässt. Und das könnte man in pragmatischer Hinsicht "materialistisch" nennen.
aus e. online-Forum, 22. 9. 07
*) Allerdings wird er sich, sobald er Naturwissenschaft betreibt, eines strikten Positivismus befleißigen: Nichts lässt er gelten, als was sich in Raum und Zeit unseren Sinnen nachweisen lässt. Und das könnte man in pragmatischer Hinsicht "materialistisch" nennen.
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