Samstag, 29. Dezember 2018

"Es blitzt."


Wenn ich sage »der Blitz leuchtet«, so habe ich das Leuchten einmal als Tätgkeit und das andere Mal als Subjekt gesetzt: also zum Geschehen ein Sein supponiert, welches mit dem Geschehen nicht eins ist, vielmehr bleibt, ist und nicht »wird«. – Das Geschehen als Wirken anzusetzen: und die Wirkung als Sein: das ist der doppelte Irrtum, oder Interpretation, deren wir uns schuldig machen.
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Nietzsche, Aus dem Nachlass (XII)

Nota. -Ich sehe es blitzen, aber einen Blitz sehe ich nicht; schon gar nicht, wie er leuchtet. Das ist der Unter- schied von Anschauung und Begriff. Der Begriff fasst alles, was geschieht, so auf, als ob etwas ist. Das Hilfsverb sein ist als Begriff die größte Nummer, die wir haben.

Nietzsche fällt auf, dass da ein Problem ist. Doch statt der Sache auf den Grund zu gehen, bleibt er stehen beim Beklagen eines Irrtums. Der Begriff ist aber kein Irrtum. Es ist nur dann ein Irrtum, tätiges Wirken als totes Sein vorzustellen, wenn man zugleich annimmt, aus Begriffen sei die Welt erbaut. 

Das wäre der dogmatische Gebrauch des Begriffs. Reell ist nur, was anschaubar ist, und das ist allein aktuelles Wirken in seinem Verlauf. Doch unverzichtbar wird der Begriff, wenn man tätiges Wirken (und tätig Wirkende) beurteilen will - das macht nicht die Anschauung, dazu bedarfs der Reflexion; und die verlangt nach festen Bezü- gen.

Das war aber gar nicht Nietzsches Problem. Er will vielmehr ein Werden ohne Subjekt. Alles fließt und bleibt sich gleich, weil alles wiederkehrt. Das ist wiederum die Verwandlung von etwas, das ich anschaue, in etwas, das... ist. "Das Werden" ist hier Subjekt - und Begriff! 

Wenn er werden anschaut, schaut er nicht 'das Werden' an. Sondern er handelt; selber! Bei ihm kommen Sinnes- eindrücke an, viele auf einmal, miteinander und nacheinander. Irgend eine Bestimmung, nach der er sie ordnet, muss er selbst hineinbringen; 'sie selber' haben keine. Er sieht es blitzen - wobei das es schon etwas ist, das er nicht sieht, das hat er sich vorgestellt, aber nicht so richtig, es ist eine objektivierende Interpretation, die ihm unterläuft wie ein als Begriff verkleidetes Hilfsverb. 

Das Subjekt steckt als Voraussetzung immer drin. Wenn er es loswerden will, muss er mit dem Anschauen aufhören; mit dem Denken schon gar.

(Der Haken ist, dass N. nicht abstrahieren kann. Unter einem Subjekt kann er immeer nur ein reales verstehen. Das transzendentale Ich ist ihm unbekannt.)
JE






Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE    

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