Freitag, 28. September 2018

Gefühlt und gemeint.

Dornauszieher
 
Kants Unterscheidung von Phänomenon und Noumenon ist der Kern der Transzendentalphilosophie. Das Phänomen ist das, was den Sinnen erscheint, nämlich in Raum und Zeit zugleich. Es ist das, was landläufig ein Ding genannt wird und als das eigentlich Wirkliche gilt. 

Aber es kommt auch in dem vor, was wir unser Denken nennen und unsern Geist. Doch während wir selbst in Raum und Zeit sind, sind es unsere Gedanken nicht. Als Gedanke ist das Ding jenseits - oder diesseits? - von Raum und Zeit. Was wir denken, ist nicht das Ding selbst, sondern das, was es bedeutet. Das Ding gibt es zwei- mal - einmal sinnlich und einmal geistig, einmal gefühlt und einmal gedacht; und soll doch dasselbe sein!

An den Dingen sind Fühlen und Meinen getrennt. Nach der Trennung kann ich fragen: Was ist jedes für sich, wo kommen sie jeweils her? Statt nachzusehen, wo sie vor der Trennung waren! Ursprünglich sind sie nämlich ver- eint - im Handeln. Im Handeln fühle ich und meine ich gleichermaßen und kann nicht das eine ohne das andere. Die Frage muss viel- mehr lauten: Wo kommt die Trennung her? Sie kommt aus dem Reflektieren auf das Han- deln. Das Reflektieren ist selber Handeln. Das Handeln ist sein Gegenstand, den es 'gemeint' hat. Sein gemeinter Gegenstand ist eine Abstraktion vom wirklichen Handeln. So sind alle Noumena Abstraktionen von wirkli- chem Handeln - und bestünde es nur im Vorstellen. 

Das Vorstellen geschieht in Raum und Zeit, und es geschieht in Gedanken; als Gedanke. Es ist Handeln. Es ist Schema des Handelns, aber nicht sein Urbild, sondern sein Abstraktissimum; nämlich wenn es losgelöst von ge- genständlichem Handeln aufgefasst wird: von einer nachträglich hinzugetretenen Reflexion.

Der wirkliche Ausgangspunkt ist das Handeln, im Handeln sind sinnliche Welt und intelligible Welt eins. Erst wenn die Vorstellung sich aus dem Handeln hinausdenkt und von Dingen unterscheidet, entsteht mit der intel- ligiblen Welt eine sinnliche. Im wirklichen Leben sind sie ungeschieden, denn da ist jedes Ding das, als was es gilt, und was nicht als dieses oder jenes gilt, gilt immerhin als Rätsel.




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