Caravaggio, Narcissus
I.
Warum ist etwas, statt dass nichts ist?
Die Frage ist dämlich. Denn damit
sie gestellt werden kann, muss es vorab einen geben, der sie stellen
kann. Das ist nicht nur eine grammatische, sondern ein logisches
Erfordernis. Wer so fragt, müsste gewissermaßen hinter sich
"zurückgreifen" und annehmen, 'dass es ihn nicht gibt'. Korrekt müsste
die Frage so lauten: Wäre es möglich, dass es Nichts gibt, statt dass es
Etwas gibt?
Der Haken ist der: Die einzig mögliche Antwort auf die Frage "warum ist etwas..." wäre nämlich die: weil es einer geschaffen hat. Und die ist logisch nicht möglich. - Wenn eine (begründete) Antwort nicht möglich ist, dann ist die Frage nicht statthaft.
aus e. Notizbuch, 21. 3. 10
II.
Na, das war wohl etwas salopp. Denn ob etwas faktisch ist, bedeutet etwas anderes, als ob es denkbar ist. Ich muss denken können, dass etwas ist, ohne dass eine Intelligenz 'da ist', die fragen kann.
Dann kann ich aber auch denken, dass nichts ist, ohne dass ich danach
fragen kann. Im Subjekt des Fragens liegt der Hund nicht begraben.
Sondern in dem Wonach. Was soll
"Etwas" bedeuten? Es ist eine Abstraktion. 'Etwas' gibt es nicht
wirklich. Es gibt dieses und jenes und noch eins und noch eins. Auf die
Frage 'Warum gibt es diesen Apfel?' ließen sich tau- send Antworten
finden, die alle mehr oder minder gültig sind. Auf den 'letzten Grund
seines Seins' werde ich so nicht kommen, denn das Sein ist nichts, was
empirisch vorkommt, sondern wiederum eine Abstraktion - die nicht ist, sondern lediglich denkbar
ist. Empirisch lässt sich immer nur erfragen, ob etwas wirklich, nicht
aber, ob etwas möglich ist. Möglichkeit ist eine logische Kategorie.
Angenommen, es gäbe nichts. Wäre
dann die Frage möglich: Warum gibt es nichts, statt dass es Etwas gibt?
Gäbe es nichts, dann wäre... 'Etwas' gar nicht denkbar; es wäre nicht die Abstraktion von 'all jenen Dingen, die es auf der Welt nicht gibt'. Es wäre nicht möglich. Was es nicht gibt, lässt sich nicht verallgemeinern ('begreifen'). Man kann nicht fragen: Warum gibt es unendlich viele Dinge, die nicht sind, und keines, das ist?
Nichts ist nicht logisch
gleichrangig mit dem Sein so wie Kopf und Zahl auf der Münze. Die Negation ist mög- lich nicht nur nach, sondern wegen der Position; nicht umgekehrt. Nicht nur nicht faktisch, sondern auch nicht
gedanklich. Verneinen ist ein Reflexionsakt. Was nicht ist, darauf kann
man nicht reflektieren.
30. 10. 2014
III.
Das Fragenmüssen, hieß es anderswo, sei der Grund der Conditio humana. Es geht wie jene der Transzenden- talphilosophie voraus und gehört in die Realgeschichte der Gattung. Die Gattung des fragen müssenden Men- schen ist nicht vom Himmel gefallen. Die Tiere, von denen er abstammt, mussten und müssen nicht fragen. Sie leben in einer Wirklichkeit, die sich von selbst versteht und von niemandem verstanden zu werden braucht. Das nennt man ein Umwelt. Weil er die Posistivität seiner Umwelt gegen die Fraglichkeit einer offenen Welt eige- tauscht hat, muss er fragen was und ob. Und aus den Möglichkeiten, die seither denkbar sind, muss er wählen: ja oder nein.
Historisch begann seine Gattungs geschichte mit dem Positiven: Anschauung auf der Objektebene. Indem er begann, seine Geschichte selber zu machen, erfand er die Reflexion: die Metaebene. Seither muss er fragen - und antworten.
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