Ich bedeutet jenes
negativ zu erkennende Absolute, das nach aller Abstraktion übrig bleibt.
Was nur durch Handeln realisiert werden kann und was sich durch ewigen
Mangel realisiert. (So wird Ewigkeit durch Zeit realisiert, ohnerachtet
Zeit der Ewigkeit widerspricht.) Ich wird nur im Entgegengesetzten
wirksam und bestimmt für sich.
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Novalis, "Fichte-Studien", in: Gesammelte Werke, Herrliberg-Zürich 1945, Bd. 2, S. 173
Nota. - Zwar hat wohl Novalis zum Philosophieren mehr Talent gehabt als zum Dichten; doch ohne ein gründ- liches Studium wäre auch daraus nichts geworden. Gründlich oder jedenfalls stürmisch und umfänglich hat Novalis aus beruflichen Gründen seine naturwissenschaftlichen, namentlich mineralogischen Studien betrieben, für die Philosophie blieb weniger Zeit. Er mag aber auch dem Irrtum unterlegen sein, in der Philosophie not- falls mit der Einbildungskraft auskommen zu können.
Das poetische Bild lag ihm auch beim Philosophieren näher als der scharfe Begriff, und damit war er bei Fichte ja so falsch nicht dran; jedenfalls nicht beim Zugang. Aber er hat sie auch gar nicht so recht unterschieden. Und das wird fatal beim Fortschreiten. Da braucht man nämlich die Begriffe zur Prüfung des eingebildeten Materi- als, sonst trägt es die folgenden Stufen nicht. Er hat sich wohlweislich auf die fragmentarische Darstellung be- schränkt, da stehen die Bilder nebeneinander und bauen nicht - wozu Bilder nicht taugen - aufeinander auf.
Tatsächlich bleibt das Ich im analytischen ersten Gang der Wissenschaftslehre als eine Art leeres Absolutum übrig: zugleich Stoff und Energie des Bestimmens, des rein subjektiven Selbstbestimmens, auch sich selbst nie anders Objekt wird, als indem es sich selbst bestimmt: "durch Handeln". Es 'realisiert' sich nur 'als Mangel', in- dem es sich nie restlos bestimmt vorkommt, und der in zum fort bestimmen treibt. Indes, das Bestimmen nimmt kein Ende und geht ewig. Sein Wozu erweist sich seinerseits als ein Absolutes, und wenn es meint, sich ihm un- endlich anzunähern, ist es ein halber Schwindel; denn der Abstand bleibt ewig unvermindert, nämlich unendlich. 'Realisiert' wird es selbst als Ziel nur wie das Absolute am Beginn: durch Handeln; und ist nur als Mangel. Auch nur negativ.
*
Das ist auch ein 'Fragment', wie das obige; es ist die ganze Wissenschaftslehre in einem großen Bogen. Es ist, wie Fichte gesagt hättte, ein Witz, den man aber erst ganz am Schluss machen kann - und bis zum Schluss ge-langt man nur durch die quälenden begrifflichen Spitzfindigkeiten des ganzen Systems.
Die Sammlung von Novalis' "Fragmenten", die Kamnitzer 1929 in Dresden herausgegeben hat, unterscheidet nicht die einzelnen Fundorte im Nachlass. Der war noch ungeordnet, die einzelnen Phasen von Novalis' philo- sophischen Studien wurden ja erst durch ihn sichtbar. Während er zunächst um ein eigenes Verständnis der Fichte'schen Wissenschaftslehre bemüht war, ("Fichte-Studien"), legt er später ein Notizbuch 'für alles' an ("Allgemeines Brouillon"), in das er wie in einem Tagebuch seine Einfälle zu diesem und jenem festhält. Dabei vermischen sich fortschreitend Naturwissenschaft, Naturspekulation und eine zunehmend schwärmende Philo- sophie.
Eine zuverlässige Ausgabe der Fragmente ist inzwischen in Band 2 der Werkausgabe von Hans-Joachim Mähl im Hanser-Verlag erschienen (München 1978).
Nota. - Zwar hat wohl Novalis zum Philosophieren mehr Talent gehabt als zum Dichten; doch ohne ein gründ- liches Studium wäre auch daraus nichts geworden. Gründlich oder jedenfalls stürmisch und umfänglich hat Novalis aus beruflichen Gründen seine naturwissenschaftlichen, namentlich mineralogischen Studien betrieben, für die Philosophie blieb weniger Zeit. Er mag aber auch dem Irrtum unterlegen sein, in der Philosophie not- falls mit der Einbildungskraft auskommen zu können.
Das poetische Bild lag ihm auch beim Philosophieren näher als der scharfe Begriff, und damit war er bei Fichte ja so falsch nicht dran; jedenfalls nicht beim Zugang. Aber er hat sie auch gar nicht so recht unterschieden. Und das wird fatal beim Fortschreiten. Da braucht man nämlich die Begriffe zur Prüfung des eingebildeten Materi- als, sonst trägt es die folgenden Stufen nicht. Er hat sich wohlweislich auf die fragmentarische Darstellung be- schränkt, da stehen die Bilder nebeneinander und bauen nicht - wozu Bilder nicht taugen - aufeinander auf.
Tatsächlich bleibt das Ich im analytischen ersten Gang der Wissenschaftslehre als eine Art leeres Absolutum übrig: zugleich Stoff und Energie des Bestimmens, des rein subjektiven Selbstbestimmens, auch sich selbst nie anders Objekt wird, als indem es sich selbst bestimmt: "durch Handeln". Es 'realisiert' sich nur 'als Mangel', in- dem es sich nie restlos bestimmt vorkommt, und der in zum fort bestimmen treibt. Indes, das Bestimmen nimmt kein Ende und geht ewig. Sein Wozu erweist sich seinerseits als ein Absolutes, und wenn es meint, sich ihm un- endlich anzunähern, ist es ein halber Schwindel; denn der Abstand bleibt ewig unvermindert, nämlich unendlich. 'Realisiert' wird es selbst als Ziel nur wie das Absolute am Beginn: durch Handeln; und ist nur als Mangel. Auch nur negativ.
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Das ist auch ein 'Fragment', wie das obige; es ist die ganze Wissenschaftslehre in einem großen Bogen. Es ist, wie Fichte gesagt hättte, ein Witz, den man aber erst ganz am Schluss machen kann - und bis zum Schluss ge-langt man nur durch die quälenden begrifflichen Spitzfindigkeiten des ganzen Systems.
Die Sammlung von Novalis' "Fragmenten", die Kamnitzer 1929 in Dresden herausgegeben hat, unterscheidet nicht die einzelnen Fundorte im Nachlass. Der war noch ungeordnet, die einzelnen Phasen von Novalis' philo- sophischen Studien wurden ja erst durch ihn sichtbar. Während er zunächst um ein eigenes Verständnis der Fichte'schen Wissenschaftslehre bemüht war, ("Fichte-Studien"), legt er später ein Notizbuch 'für alles' an ("Allgemeines Brouillon"), in das er wie in einem Tagebuch seine Einfälle zu diesem und jenem festhält. Dabei vermischen sich fortschreitend Naturwissenschaft, Naturspekulation und eine zunehmend schwärmende Philo- sophie.
Eine zuverlässige Ausgabe der Fragmente ist inzwischen in Band 2 der Werkausgabe von Hans-Joachim Mähl im Hanser-Verlag erschienen (München 1978).
Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.
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