Sonntag, 11. März 2018

Gewissheit.

Lupo  / pixelio.de

Zuförderst über den Doppelsinn des Wortes Gefühl, der auch Herrn E. an meiner Meinung irrig gemacht. Das Gefühl ist entweder sinnlich und das des Bittern, Roten, Harten, Kalten usw., oder intellektuell. Herr E. und mit ihm alle Philosophen seiner Schule scheint die letztere Art gänzlich zu ignorieren, nicht zu beachten, daß auch eine solche Gattung angenommen werden müsse, um das Bewußtsein begreiflich zu machen.

Ich habe es hier mit dem ersten nicht zu tun, sondern mit dem letztern. Es ist das unmittelbare Gefühl der Ge- wißheit und Notwendigkeit eines Denkens. – Wahrheit ist Gewißheit: und woher glauben die Philosophen der entgegengesetzten Schule zu wissen, was gewiß ist? Etwa durch die theoretische Einsicht, daß ihr Denken mit den logischen Gesetzen übereinstimmt? Aber woher wissen sie denn, daß sie sich in diesem Urteile über die Übereinstimmung nicht wieder irren? Etwa wieder durch theoretische Einsicht? Aber wie denn hier? – Kurz, da werden sie ins Unendliche getrieben, und ein Wissen ist schlechthin unmöglich. – Überdies, ist denn Gewißheit ein Objektives, oder ist es ein subjektiver Zustand? Und wie kann ich einen solchen wahrnehmen, außer durch das Gefühl? 
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J. G. Fichte, Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 146]


Nota. - Da steht es klipp und klar: Für Wahrheit gibt es kein Kriterium - was logisch nicht wundert, denn es müsste ja über der Wahrheit stehen -, sondern nur für Gewissheit. Die aber ist ein subjektiver Zustand und lässt sich nur subjektiv erfahren: in einem Gefühl.

Dass Fichte den Bürgen für etwas, das ideal gelten soll, quasi onto-logisch auf dieselbe Stufe stellt wie das sinnliche Erleben, bleibt ein Problem. Er selber hat immer wieder drum herum zu navigieren versucht, doch dass es ein Problem ist, hat er nicht übersehen.
JE


 

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