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Zuförderst
über den Doppelsinn des Wortes Gefühl, der auch Herrn E. an meiner
Meinung irrig gemacht. Das Gefühl ist entweder sinnlich und das des
Bittern, Roten, Harten, Kalten usw., oder intellektuell. Herr E. und mit
ihm alle Philosophen seiner Schule scheint die letztere Art gänzlich zu
ignorieren, nicht zu beachten, daß auch eine solche Gattung angenommen
werden müsse, um das Bewußtsein begreiflich zu machen.
Ich
habe es hier mit dem ersten nicht zu tun, sondern mit dem letztern. Es
ist das unmittelbare Gefühl der Ge- wißheit und Notwendigkeit eines
Denkens. – Wahrheit ist Gewißheit: und woher glauben die Philosophen der
entgegengesetzten Schule zu wissen, was gewiß ist? Etwa durch die
theoretische Einsicht, daß ihr Denken mit den logischen Gesetzen
übereinstimmt? Aber woher wissen sie denn, daß sie sich in diesem
Urteile über die Übereinstimmung nicht wieder irren? Etwa wieder durch
theoretische Einsicht? Aber wie denn hier? – Kurz, da werden sie ins
Unendliche getrieben, und ein Wissen ist schlechthin unmöglich. –
Überdies, ist denn Gewißheit ein Objektives, oder ist es ein subjektiver
Zustand? Und wie kann ich einen solchen wahrnehmen, außer durch das
Gefühl?
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J. G. Fichte, Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 146]
Nota. - Da steht es klipp und klar: Für Wahrheit gibt es kein Kriterium - was logisch nicht wundert, denn es müsste ja über der Wahrheit stehen -, sondern nur für Gewissheit. Die aber ist ein subjektiver Zustand und lässt sich nur subjektiv erfahren: in einem Gefühl.
Dass Fichte den Bürgen für etwas, das ideal gelten soll, quasi onto-logisch auf dieselbe Stufe stellt wie das sinnliche Erleben, bleibt ein Problem. Er selber hat immer wieder drum herum zu navigieren versucht, doch dass es ein Problem ist, hat er nicht übersehen.
JE
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