Montag, 16. September 2013

Zeichen, Name, Begriffsbestimmung.


Man schreibt sehr viel jetzt über Nomenklatur und richtige Benennungen, es ist auch ganz recht, es muß alles bearbeitet und auf das Beste gebracht werden. Nur glaube ich, daß man sich zu viel davon verspricht, und zu ängstlich ist den Dingen Namen zu geben die ihre Beschaffenheit ausdrücken.

Der unermeßliche Vorteil den die Sprache dem Denken bringt besteht dünkt mich mehr darin, daß sie überhaupt Zeichen für die Sache, als daß sie Definitionen sind. Ja ich glaube daß grade dadurch der Nutzen den die Sprachen haben wieder zum Teil aufgehoben wird. Was die Dinge sind, dieses auszumachen ist das Werk der Philosophie. Das Wort soll keine Definition sein, sondern ein bloßes Zeichen für die Definition, die immer das veränderliche Resultat des gesamten Fleißes der Forscher ist, und es in so unzählichen Gegenständen unsres Denkens ewig bleiben wird, daß der Denker daher gewöhnt wird sich um das Zeichen, als Definition gar nicht mehr zu bekümmern, und diese Unbedeutlichkeit auch endlich unvermerkt auf solche Zeichen überträgt die richtige Definitionen sind.

Und das ist auch dünkt mich sehr recht. Denn da einmal nun die Zeichen der Begriffe keine Definitionen sein können, so ist fast besser gar keines derselben eine Definition sein zu lassen, als auf das Ansehen einiger Zeichen hin, die richtige Definitionen sind, so vielen andern die es nicht sind einen falschen Kredit zu verschaffen. Das würde eine Herrschaft der Sprache über die Meinungen bewirken die alle den Vorteil wieder raubte den uns die Zeichen verstatten. Es ist aber nicht zu befürchten, die sich selbst überlassene Vernunft wird immer die Worte für das nehmen was sie sind.

Es ist unglaublich wenig was ein solches definierendes Wort leistet. Das Wort kann doch nicht alles enthalten und also muß ich doch die Sache noch besonders kennen lernen. Das beste Wort ist das das jedermann gleich versteht. Also sei man ja behutsam mit der Wegwerfung allgemein verstandener Wörter, und man werfe sie nicht deswegen weg weil sie einen falschen Begriff von der Sache gäben! 

Denn einmal ist es nicht wahr, daß es mir einen falschen Begriff gibt, weil ich ja weiß und voraussetze, daß das Wort diene die Sache zu unterscheiden, und für das andere, so will ich aus dem Wort das Wesen der Sache nicht kennen lernen. Wer hat beim Metall-Kalch je an Kalch gedacht? Was kann es schaden die Kometen Kometen das ist Haar-Sterne zu nennen, und was würde es nutzen sie Brand- oder Dampf-Sterne zu nennen? (Sternschnuppe.)

Es läßt sich selten viel in die Namen eintragen, so daß man doch erst die Sache kennen muß. Parabel, Hyperbel, Ellipse sind Namen dergleichen sich die Chymie weniger rühmen kann, denn [sie] drücken Eigenschaften dieser Linien aus, aus denen sich alle die übrigen herleiten lassen, welches freilich mehr reiner Natur der Wissenschaft wohin diese Betrachtungen gehören als einem besonderen Witz der Erfinder dieser Namen zuzuschreiben ist. Aber was hilft eben diese Weisheit, man braucht sie wie den Namen Zirkel und Kreis oder Muschel-Linie, die keine Definition sind. Der Dispüt hat würklich etwas Ähnliches mit den puristischen Bemühungen der Sprachmelioristen, und Orthographen. Man hofft zu viel von guten und fürchtet zuviel von schlechten Wörtern. Die Richtigkeit des Ausdrucks ist es nicht allein sondern die Bekanntheit und der Wert eines Worts steht also gewissermaßen in der zusammengesetzten Verhältnis aus der jedesmalen Richtigkeit und der Bekanntheit. Freilich Regeln für die Wörterfertigung festzusetzen ist immer sehr gut, denn es kann ein Fall kommen, wo man sie gebraucht. Es ist würklich gut den Dingen griechische zu geben. Hätte man für die ganze Chemie hebräische Namen oder arabische wie Alkali pp, so würde man am besten dabei fahren je weniger man von dem Namen versteht.
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Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher Heft K, N°19

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