Malevitch, Carré noir
Denken heißt vereinfachen.
Wir nehmen keine 'Dinge' wahr. Auf unser Sensorium prasselt ohne Pause ein Sturzflut
aller erdenklichen Reize ein. Nicht alle werden wohl an die Zentrale
weiter geleitet: Redundanz betäubt. Und nicht alle kommen in der
Zentrale an – weil die nämlich vorab schon filtert, was des Bemerkens wert ist und was nicht.
Noch bevor übrigens gedacht wurde. Die
Stammesgeschichte hat unser Gehirn mit Regionen ausgestattet, die nur
bei Homo sapiens vorkommmen – weil die dort verarbeiteten
Informationen für die Lebenswirklichkeit von Homo sapiens von Belang
sind, aber für andere Lebensformen nicht. Und jeder von uns bringt eine
ganze Masse von Verschaltungen zwischen den Regionen fix und fertig mit auf die Welt, teils als die materialisierte Kollektiverinnerung unserer
Gattung, teils – und keiner weiß, in welchem Maße – als individuelle
Erbschaft.
Sie alle sind mit Vereinfachung beschäftigt.
Aber
nun erst das Denken selbst! Es handelt sich – nach der unwillkürlichen,
genetisch vorgegeben Auslese – um die willkürliche Anordnung der
wahrgenommenen Gegebenheiten auf eine vorgängige Absicht
hin. Nichts wird "nur so" wahrgenommen. Auch die zweckfreie
ästhetische Betrachtung geschieht "um etwas willen" – um ihrer selbst
willen, anders fände sie nicht statt. Für wahr wird
nur das genommen, was in einem irgend erkennbaren Verhältnis zur
Absicht steht; und im Erkennen unerwarteter und verborgener Verhältnisse
zeichnet sich Intelligenz aus (Humor+Gedächtnis).
Das gilt für das
alltägliche Denken des gesunden Menschenverstands nicht minder als für
die Wissenschaft. Und namentlich die Philosophie. Man kann, ohne einen
allzu großen Schnitzer zu riskieren, sagen: Philosophieren heißt
vereinfachen. Die subtilen Distinktionen der Schulphilosophie sind nicht
der Zweck des Philosophierens, sondern sein Mittel. Die
historisch-philologische Arbeit bereitet der Philosophie ‘nach dem
Weltbegriff’, wie Kant es nennt, das Material zu. Der Sinn ist immer:
Ordnung in das Mannigfaltige bringen; festlegen, was das Wichtige sein
soll und was hintan gestellt werden darf. Und zwar so, dass im Idealfall
eine einfache Frage übrigbleibt, die mit ja oder nein zu beantworten
wäre. Es ist, in einem Akt, das Abstrahieren vom Zufälligen und das
Reflektieren auf das Notwendige.
Eine Anwort auf
eine philosophische Frage von Erheblichkeit kann erst dann richtig sein,
wenn sie einfach ist. (Sie kann allerdings auch dann noch falsch sein.)
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