Donnerstag, 2. Mai 2019

Bei Kant wird das Ich nur ordnend tätig.


Bei Kant ist das Ich, qua transzendentale Synthesis und alles Folgende, in der Erscheinung nur ordnend tätig. Er bleibt, muss man hinzufügen, ein halber Dogmatiker. Denn die Erscheinungen haben ihr Doppel in den dazu- gehörigen Noumenis bzw. "an sich": anschaubar für eine übersinnliche Intelligenz. Das sind Qualitates, die unse- rer Intelligenz schlechterdings occultae bleiben und bleiben müssen.
 

Die wirkliche Transzententalphilosophie - "echter durchgeführter Kritizismus" - setzt das Ich jedoch als produ- zierend voraus; die Vorstellungen produzierend, versteht sich, aber mit Anderem hatte es auch Kant nicht zu tun.

17. 7. 17

 
Nota. - Kant treibt die Vernunftkritik bis zu dem, was er als Apriori zusammenfasst: zwölf Kategorien und zwei Anschauungsformen. Derer bedient sich das Ich, um die Erscheinungen nach ihren erfahrbaren Merkmalen zu ordnen. Woher aber das Apriori stammt, lässt er offen; mit seinem Hinweis, er habe 'dem Glauben Platz schaf- fen' wollen, hat es sein Bewenden. Er bestreitet zwar nicht ausdrücklich, dass es gegebenenfalls vom Ich 'selbst- gemacht' sein könnte, aber er spricht diese Möglichkeit auch nicht aus. Mag er beim Verfassen der Kritiken auch Rücksicht auf die theologische Fakultät genommen haben - auch im Opus postumum, wo solche Vorsicht nicht geboten war, spricht er sie nicht einmal an.

Wenn er zwar die Vorstellung von einer produktiven Einbildungskraft in die Philosophie eingeführt hat - was zu produzieren sie 'kräftig' sei, hat er an keiner Stelle gesagt. Natürlich 'produziert' sie Zwecke. Aber nach seinen Prämissen können die Zwecke nur aus Vorgefundenem zusammen gesetzt - nicht aber gesetzt werden. Namentlich für ein Sittliches, das diesseits alles Erfahrbaren liegt, wäre kein Platz: Da geht es nämlich um Anderes, als was ein Ich lediglich zu ordnen bräuchte.

Um das denken zu können, hätte er die Kritik schon tiefer ins Apriori hinein treiben müssen. Das hat Fichte nachgeholt.
JE

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