Mittwoch, 11. März 2015
Wozu braucht man Philosophie überhaupt? (III)
Kann ich alle diese Fragen zu meinem Vorteil beantworten, so hat meine Erkenntnis den Rang einer philosophischen Erkenntnis, und ich selbst kann mich, wenn ich will, als Mitglied des Ordens der Philosophen betrachten, d. h. ich kann mich zu der Klasse der denkenden Menschen rechnen, die von Natur dazu bestimmt sind, die Vormünder der übrigen zu sein, das Geschäft des Denkens für sie zu übernehmen, für ihre Kultivierung, ihre Zivilisierung und ihre Moralisierung Sorge zu tragen, und wo nicht ihre Hände und Füße, doch ganz unfehlbar ihre Geister zu beherrschen.
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Friedrich Carl Forberg, Fragmente aus meinen Papieren, Jena 1796, S. 95f.
Nota. - Das kommt etwas überraschend. Man hätte erwartet, er sagt uns, welche Vorteile es für seine eigene Lebensführung bringt, alles so viel genauer und so viel sicherer zu wissen als der große Haufe; oder welche Vorteile es für die andern Wissenschaften und das Wohl der Gemeinschaft überhaupt hat, wenn die Philosophie den Platz, der ihr öffentlich eingeräumt wird, in dem von ihm beschriebenen Sinn ausfüllt.
Lebensweisheit hier, Wissenschaftstheorie und -politik da - das war noch nicht zur Bestimmung der Philosophie geworden, schon gar nicht zur ausschließlichen. In einer noch ständisch geprägten Gesellschaft ist die Gelehrsamkeit der einzige Weg, auf dem man weiter nach oben kommen kann - Kant und Fichte waren durchaus repräsentativ in diesem Sinn. Bei Plato war die Idee einer von den Weisen regierten Polis vom Heimweh nach der vormaligen Adelsherrschaft geprägt. Bei Forberg umgekehrt gegen einen Adel gerichtet, dessen Herrschaft weder durch Erkenntnis noch Tugend, sondern lediglich durchs ererbte Privileg begründet war.
Doch während Fichtes platonisierende Träume von einer "Republik der Deutschen" ausdrücklich für den Übergang gedacht waren, für eine Epoche, in der auch "die Übrigen" zu Freiheit und Selbstbestimmung gelangen sollen, ist für Forberg die Klassenherrschaft der Gelehrten "von der Natur" vorherbestimmt; und wenn nicht anstelle des Adels, dann notfalls in seinem Dienst. Er hat denn auch den größeren Teil seines Lebens als Bibliothekar an einem Adelshof verbracht.
JE
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