Freitag, 6. März 2015

Begriffe erschöpfen?


Partschins

Expositionen kann man wagen, so viel man will. Je kühner, je paradoxer, desto besser. Sie sind so viele neue Ansichten alter Begriffe, und daran kann man nie zu viele verschaffen. Nur darf man seine Ansicht nicht sogleich für Übersicht ausgeben wollen. Dies wäre Übereilung, und diese ist die Mutter aller Irrtümer. Dass wir nicht alles an einem Begriffe sehen, was sich an ihm sehen lässt, das können wir nicht wohl vermeiden. Dass wir aber das, was wir an ihm sehen, nicht sogleich für alles halten, was sich an ihm sehen lässt, das können wir gar wohl vermeiden. Vermieden wir dies immer, so würden wir niemals irren.
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Friedrich Carl Forberg, Fragmente aus meinen Papieren, Jena 1796, S. 25f.


Nota. - Wo kamen aber die Begriffe her, dass sie so mühsam zu erschöpfen sind, wer hat sie gemacht?

Einer sagt, die Bedeutungen der Begriffe seien nichts anderes als ihre Verwendung im Sprachspiel. Waren erst die Begriffe da und ist dann, je länger mit ihnen gespielt wurde, immer mehr Bedeutung an ihnen hängen geblieben?

Noch Kant wollte "alles aus Begriffen dartun". Zwar hat er zuerst gezeigt, wie er zu seinen Begriffen gekommen war, aber sobald er sie definiert hatte, benutzte er sie weiter wie Hammer und Zange, als würden sie ewig halten. Dass er sie eben erst selbst gemacht hatte, erschien ihm nicht merkwürdig. Das war eine schlechte Gewohnheit, die er aus der Wolff-Baumgarten'schen Schule mitgebracht hatte. 

Forberg war unter den Kantianern seiner Zeit einer der Radikalen. Er war Dozent in Jena und mit Fichte befreundet, an dessen Philosophischem Journal er mitgearbeitet hat. Sein Beitrag Entwicklung des Begriffs der Religion gab den eigentlichen Anstoß zum Atheismusstreit. Ein Schüler Fichtes ist er in einem engeren Sinn nie geworden. Denn für Fichte war der Begriff nie mehr als eine bestimmte, in eine Form gefasste Anschauung, aber Anschauung ist immer Tätigkeit eines Anschauenden. 

So ist seine Wissenschaftslehre auch keine Begriffskonstruktion, sondern die genetische Rekonstruktion des Weges, den unsere Vorstellungstätigkeit wirklich zurückgelegt hat, bis sie auf den Standpunkt unseres heutigen natürlichen Bewusstseins gelangt ist; und darüber hinaus seine Rückführung auf die Bedingungen, die ihm 'notwendig vorausgesetzt werden müssen'. Da sind keine Begriffe zu "erschöpfen", sondern Vorstellungen zu generieren. Die Einbildungkraft ist produktiv.


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