Dienstag, 3. März 2015

Gewagtes Urteil und Paradox.


Tiepolo jun.

Ein mit Verstand gegen die allgemeine Meinung gewagtes Urteil ist ein Paradoxon.

Aller Irrtum entsteht aus übereiltem Gebrauche des Verstandes, und ein Mensch, der ein Urteil immer so weit aufschübe, bis er von dem Gegenstande hinlänglich unterrichtet zu sein sich bewusst ist, wird niemals irren; aber auch niemals Wahrheit finden. Er wird niemals fallen, aber auch niemals gehen lernen. Nicht der Weg der Unwissenheit, sondern der Weg des Irrtums führt uns zu dem Tempel der Wahrheit.

Ein gewagtes Urteil ist daher besser als gar keines. Wer über den Gegenstand, der ihm vorkommt, ein Urteil hinwirft - nicht aufs geratewohl, dies wäre abgeschmackt; sondern nach der Maxime der Vernunft - nicht als ein ausgemachtes, sondern als ein auszumachendes -, der erleichtert sich das Finden der Wahrheit um ein beträchtliches. Er braucht nicht zu suchen, sondern bloß zu untersuchen, und dieses ist sehr viel leichter als jenes.
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Friedrich Carl Forberg, Fragmente aus meinen Papieren, Jena 1796, S. 3f.





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