Dienstag, 10. März 2015
Wozu braucht man Philosophie überhaupt? (II)
Von wie viel Dingen habe ich jetzt eine bestimmte und deutliche Erkenntnis statt der ungewissen und verwor- renen, die der große Haufe davon hat? ist in der Masse meines Wissens Licht und Ordnung? hat jedes darin seine rechte Stelle? greifen meine Erkenntnisse in einander ein? ist die eine die Stütze von den andern, während sie selbst von einer dritten gestützt wird? würde, wenn eine ausfiele, sogleich das System der übrigen in Verwir- rung geraten, oder würde alles bleiben, wie es ist, ohne dass man etwas vermisste?
Bin ich bloß der Besitzer meines Erkenntnisse, oder bin ich Herr darüber? kann ich mit meinen Begriffen machen, was ich will? oder muss ich es mir zuweilen gefallen lassen, dass sie mit mir machen, was ich nicht will? - Beherrsche ich mein System und bin ich fähig, es aufzugeben, so bald ich ein besseres finde? oder beherrscht vielmehr mein System mich und hat es sich mir unentbehrlich gemacht? -
Kann ich den Gedanken ertragen, alle meine Meinungen fahren zu lassen und andere anzunehmen, die bisher nicht die meinigen waren? ... Kann ich mir von allem, was ich denke und annehme und behaupte und meine und weiß, Rechenschaft geben, warum ich das alles tue? oder finde ich vielmehr eine ganze Menge von Mei- nungen in mir, von denen ich durchaus nicht anzugeben weiß, wie ich zu ihnen gekommen bin, und die sich bei all dem sehr unentbehrlich, mitunter auch sehr unnütz gemacht haben?
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Friedrich Carl Forberg, Fragmente aus meinen Papieren, Jena 1796, S. 94f.
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