Sonntag, 6. Januar 2019

Ich kann nichts Bedingtes annehmen, ohne ein Absolutes vorauszusetzen.

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Die größte Fabelei ist die von der Erkenntnis. Man möchte wissen, wie die Dinge an sich beschaffen sind: aber siehe da, es gibt keine Dinge an sich! Gesetzt aber sogar, es gäbe ein An-sich, ein Unbedingtes, so könnte es eben darum nicht erkannt werden! Etwas Unbedingtes kann nicht erkannt werden: sonst wäre es eben nicht un- bedingt! Erkennen ist aber immer »sich irgendwozu in Bedingung setzen« – –; ein solch Erkennender will, daß das, was er erkennen will, ihn nichts angeht und daß dasselbe Etwas überhaupt niemanden nichts angeht: wobei erstlich ein Widerspruch gegeben ist im Erkennen-wollen und dem Verlangen, daß es ihn nichts angehen soll (wozu doch dann Erkennen?), und zweitens, weil etwas, das niemanden nichts angeht, gar nicht ist, also auch gar nicht erkannt werden kann. – 

Erkennen heißt »sich in Bedingung setzen zu etwas«: sich durch etwas bedingt fühlen und ebenso es selbst uns- rerseits bedingen – – es ist also unter allen Umständen ein Feststellen, Bezeichnen, Bewußtmachen von Bedingungen (nicht ein Ergründen von Wesen, Dingen, »An-sichs«).
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Nietzsche, Aus dem Nachlass (XII)


Nota. - Ja, wo er Recht hat, hat er recht. Nämlich immer, wenn er sich der Pforte zur Transzendentalphilosophie nähert. Aber rein tritt er nie. Wenn etwas unbedingt sein soll, kann ich von ihm nichts wissen. Nicht einmal, ob 'es' sowas 'gibt' oder nicht. Aber wenn etwas gelten soll, muss 'es' Geltung 'geben', egal, was ich unter 'es' und 'geben' verstehe. Und wenn es 'nur bedingte' Geltung geben soll, dann muss es etwas geben, wodurch sie bedingt ist; und das gilt unbedingt.

Ich kann nichts Bedingtes annehmen, ohne ein Absolutes vorauszusetzen. Das wäre eine Fiktion? Allerdings. Logik beruht auf einer Fiktion.

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