Wir haben den
bestimmten Begriff der Sittlichkeit auf die Idee
der Freiheit zuletzt zurückgeführt;
diese aber konnten wir, als etwas Wirkliches,
nicht einmal in uns selbst und in der
menschlichen Natur beweisen; wir sahen nur, daß wir sie voraussetzen müssen, wenn
wir uns ein Wesen als vernünftig und mit Bewußtsein
seiner Kausalität in Ansehung seiner Handlungen, d. i. mit einem Willen begabt, uns [sic] denken wollen, und so
finden wir, daß wir aus eben demselben Grunde jedem mit Vernunft und Willen
begabten Wesen diese Eigen-schaft, sich unter der Idee einer Freiheit zum
Handeln zu bestimmen, beilegen müssen. ... Es scheint
also, als setzten wir in der Idee der Freiheit eigentlich das moralische
Gesetz, nämlich das Prinzip der Autonomie der Willens selbst, nur voraus, und könnten
/ seine Realität und objektive Notwendigkeit
nicht für sich beweisen...
Es zeigt sich hier,
man muß es frei gestehen, ein Art von Zirkel, aus dem, wie es scheint, nicht heraus zu kom-men
ist. Wir nehmen uns in der Ordnung
der wirkenden Ursachen als frei an, um uns in der Ordnung der Zwecke unter
sittlichen Gesetzen zu denken, und wir denken uns nachher
als diesen Gesetzen unterworfen, weil wir
uns die Freiheit des Willens beigelegt haben, denn Freiheit und eigene
Gesetzgebung des Willens sind beides Autonomie, mithin Wechselbegriffe,
davon aber einer eben um deswillen nicht dazu
gebraucht werden kann, um den anderen zu erklären und von ihm Grund
anzugeben...
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Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. in: Werke, Frankfurt/M, Bd. VII, S. 84f.
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