Sonntag, 15. Oktober 2017

Hysteron proteron, oder Die ursprüngliche Synthesis.


Der Grund der Unmöglichkeit, das Selbstbewusstsein zu erklären, ohne es immer als schon vorhanden vor- auszusetzen, lag darin, dass, um seine Wirksamkeit setzen zu können, das Subjekt des Selbstbewusstseins immer schon vorher ein bjekt, bloß als solches, gesetzt haben musste: und wir sonach immer aus dem Momente, in welchem wir den Faden anknüpfen wollten, zu einem vorigen getrieben wurden, wo er schon angeknüpft sein musste. 

Dieser Grund muss gehoben werden. Er ist aber nur so zu heben, dass angenommen werde, die Wirksamkeit des Subjektes sei mit dem Objekte in einem Moment synthetisch vereinigt: Die Wirksamkeit des Subjekts sei selbst das wahrgenommene und begriffene Objekt, das Objekt sei kein anderes, als diese Wirksamkeit des Subjekts, und so seien beide dasselbe.

Nur von einer solchen Synthesis würden wir nicht weiter zu einer vorhergehenden getrieben; sie allein enthielte alles, was das Selbstbewusstsein bedingt, in sich, und gäbe einen Punkt, an welchen der Faden des Selbstbe- wusstseins sich anknüpfen ließe. Nur unter dieser Bedingung ist das Selbstbewusstsein möglich. ...

Es ist die Frage nur, was denn die aufgestellte Synthesis bedeuten möge, was sich darunter verstehen lasse, und wie das in ihr Geforderte möglich sein werde. Wir haben sonach von jetzt an das Gefundene nur noch zu ana- lysieren.

Es scheint, dass die vorgenommene Synthesis statt der Unbegreiflichkeit, die sie heben wollte, uns einen voll- kommenen Widerspruch zumutet.
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J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts..., SW III, S. 31f. 


Nota. - Aber freilich ist nicht der Akt der Selbstbewusstwerdung selber eine Synthesis von zwei vorher Getrenn- ten. Er ist ein Akt. Doch als solcher kommt er im Bewusstsein nicht vor. Im Bewusstsein kommt sein Ergebnis vor: die Entgegensetzung von Ich und Nicht-Ich. In der Vorstellung müssen wir sie nachträglich 'synthetisieren': und so kommt uns das Zweite als das Erste vor. Von nichts anderm als von Vorstellungen aber handelt die Transzendentalphilosophie. Die Vorstellung stellt sich sich selber vor. Da steht alles auf dem Kopf.
JE



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