Dienstag, 24. Oktober 2017

Ein Doktortitel fürs Wiederkäuen.


openpr
aus Süddeutsche.de,

Ein Doktortitel fürs Wiederkäuen
In Deutschland werden mehr Doktorarbeiten denn je geschrieben - aber sie interessieren kaum noch. Das Beispiel der Philosophie zeigt, warum die Promotion in der Krise ist.

Von Maximilian Sippenauer

Nachdem Goethes Dissertation abgelehnt wurde, machte ihm der Dekan einen Vorschlag zur Güte: Er möge doch über ein paar Thesen disputieren, was Goethe - wie er in "Dichtung und Wahrheit" schreibt - mit "großer Lustigkeit, ja Leichtfertigkeit" tat. Doch so sehr es Goethe amüsierte, dass ihm ein wissenschaftlich redundanter Beitrag von zwölf Seiten den Doktortitel einbrachte, so wuchs darüber auch seine tiefe Skepsis gegenüber einer institutionalisierten Wissenschaft.

Die Stellung der Promotion, des akademischen Gesellenstücks, war schon immer ein guter Seismograf für den Zustand des forschenden Denkens. Nach Goethes Zeiten wurde sie professioneller und anspruchsvoller; doch heute muss man vor allem für die Geisteswissenschaften sagen: Die Promotion steckt in der Krise.

Spätestens seit den Universitätsreformen im Zuge des Bologna-Prozesses, der eine europäische Vereinheitlichung bringen sollte, übernimmt die Promotion eine undankbare Scharnierrolle zwischen einer Post-Bologna-Realität im Studienalltag - der in diesen Tagen überall wieder beginnt - und dem Humboldt'schen Ideal von Wissenschaft. Ein bis ins Detail ausdefiniertes Studium, das schnell fit machen soll für den Arbeitsmarkt, trifft auf eine extrem uneinheitlich organisierte Universitätswelt.

Bei der Promotion müssen diese inkompatiblen Vorstellungen von Wissen und Wissenschaft irgendwie zusammenfinden; mit gravierenden Folgen nicht nur für die Promovierenden, sondern auch für die Produktion von Wissenschaft. Die Zahl der Promovierenden ist heute so hoch wie noch nie. Im Wintersemester 2014/15 arbeiteten in den Geisteswissenschaften knapp 35 000 Menschen in Deutschland an einer Doktorarbeit. Während aber immer mehr Doktoranden und Studierende hinzukamen, stagnierte die Zahl fester Universitätsstellen. Also gibt es viel, viel mehr Promovenden als Posten. Trotz dieser kurzsichtigen Stellenpolitik setzt die Politik unverdrossen Promotionsanreize, schreibt neue Stipendien aus, subventioniert Sonderforschungsbereiche.

"Man produziert einfach Menschenmaterial"

Was dies bedeutet, wird am Beispiel der Philosophie besonders deutlich. "Man betreibt in einem Großprojekt wie einem Exzellenz-Cluster meistens den Unsinn, dass man vierzig Doktoranden für drei Jahre beschäftigt, in denen sie irgendetwas schreiben müssen", kritisiert Markus Gabriel, Professor für Philosophie an der Universität Bonn. "Sehr wahrscheinlich aber schafft es davon kein einziger zur Professur. Man produziert einfach Menschenmaterial, um die deutsche Philosophie dann im Ausland feilzubieten."

Gabriel plädiert stattdessen für mehr fixe Professuren, etwa wie in Frankreich. Diesen solle aber ein kleineres Kontingent an Promovierenden zugeordnet werden. Statt zwanzig hätte ein Professor etwa vier vollfinanzierte Doktoranden zu betreuen. Diese könnten sich voll auf ihre Dissertationen konzentrieren und hätten realistischere Aussichten auf eine Anstellung.

Die Dissertation selbst zählt kaum

Es geht aber nicht nur um faire Berufsverhältnisse. Das eigentliche Dilemma, das aus dem prekären Ungleichgewicht zwischen Stellen- und Anwärterzahlen resultiert, ist, dass der enorme Konkurrenzdruck unter den Promovierenden zu einer fast schon wissenschaftsschädlichen Arbeitsweise führt. Wer heute eine akademische Karriere anstrebt, für den ist "genau das zu tun, worin sein tiefstes philosophisches Interesse liegt", wie Gabriel die Funktion der Promotion beschreibt, meist der falsche Weg. Statt sich auf die Dissertation zu konzentrieren, verbringen Doktoranden heute schon ihre Zeit auf Konferenzen und versuchen, sich frühzeitig in Zeitschriften zu profilieren.

Dies bedauert auch der Philosophie-Doktorand Guido Barbi, der in München und Berkeley studiert hat und nun an einer Dissertation über das Thema Technokratie arbeitet. "Für eine Uni-Karriere ist es entscheidend, in den bestmöglich platzierten internationalen Zeitschriften zu publizieren. Das Endprodukt Dissertation wird wenig gelesen und zählt als Einstellungskriterium kaum. Wichtiger sind quantitative Kriterien: Wie viele Artikel hat man geschrieben, wo sind sie erschienen, wie oft wurden sie zitiert?" Während der Promotion werde man, so Barbi, schrittweise vom kreativ denkenden Jungakademiker zu einer Publikationsmaschine umtrainiert.

Doch hat sich die Doktorarbeit als Monografie, an der über Jahre gedrechselt wird, nicht überholt? Sind kumulative Promotionen, in denen man eine Reihe von Aufsätzen anfertigt, nicht zeitgemäßer? Und ist es nicht sinnvoll, als Jungakademiker in Essays an aktuellen Debatten zu partizipieren? Auch Lukas Köhler, bis vor Kurzem Post-Doc an der Hochschule für Philosophie München und nun Mitglied des Bundestages für die FDP, sieht die Bedeutung schnellerer Debatten. Nur sähe das in Realität anders aus: "Wissenschaftlich gesehen ist das Veröffentlichen von Aufsätzen kontraproduktiv. Denn die Art und Weise, wie Paper heute zu schreiben sind, erlaubt kaum Neues. Im Prinzip werden in diesen Texten nur alte Gedanken reproduziert."

Ein Grund dafür ist die Gatekeeper-Position der wissenschaftlichen Zeitschriften. In dem ausdifferenzierten und nie ganz zu überblickenden Bereich der Philosophie soll Qualität mittels Peer-Review garantiert werden. Hierzu prüfen zwei oder drei Peer-Leader, renommierte Professoren des Fachs, ob das komplett anonymisierte Paper zu einer Publikation taugt.

Klingt erst einmal seriös. Doch das Vorgehen hat einen Haken. Es treibt die Diskurse nicht voran, sondern in die Breite. "Wenn die harte Währung für eine Unikarriere die Veröffentlichungen sowie gute Netzwerke sind, dann investiert man dafür die meiste Zeit. Und zwar effizienterweise, indem man sich dem Jargon anpasst", meint Köhler. "Das heißt, man schreibt wie alle anderen und über dieselben Themen; und man rezipiert natürlich die Topautoren, die die Peer-Review durchführen."

Gedruckt wird nur, was Schlüsselbegriffe enthält

Diese Mechanismen machten eine unkonventionelle Arbeit schlichtweg riskanter. Doktorand Barbi sagt: "Oft werden unorthodoxe Gedanken zunächst nicht als suspekt betrachtet. Wenn sie jedoch erfordern, sich vom gängigen Jargon abzusetzen, wird der Gedanke als formal unzulänglich angesehen und die Publikation verwehrt." Es gibt also sprachliche Zusammenhänge aus Schlüsselbegriffen, Schlüsselzitaten und Schlüsselquellen, die bedient werden müssen, damit ein Essay problemlos in den Journals erscheint und durch die Algorithmen der Suchmaschinen bestmöglich erfasst wird. Diese bestimmen die Rankings auf Webseiten wie Academia.edu. Wer dort oben steht, wird häufiger zitiert, gilt damit als relevanter und hat bessere Karrierechancen. Hegt man ein philosophisches Erkenntnisinteresse, ist das natürlich völliger Unsinn.

Die Konsequenzen für die philosophische Praxis sind fatal. "Peer-Review in der Philosophie ist die Vortäuschung von Qualitätskontrolle", so Gabriel. "Kein einziger großer Philosoph wäre je mit einem seiner relevanten Texte in ein solches Journal gekommen. Immanuel Kant hätte unter heutigen Bedingungen nicht publizieren können. Seine 'Kritik der reinen Vernunft' wäre nie bei Oxford University Press erschienen, 'Was ist Aufklärung?' vielleicht noch in der Süddeutschen."

Zugrunde liegt dem Journalsystem ein wesentliches Missverständnis. "Die Philosophie, wie vor 2500 Jahren im Westen und Osten konzipiert, ist fundamental inkompatibel mit einem ideologischen Verständnis von Wissenschaft. Aber in der Logik gibt es keine Entdeckungen wie die neuer Proteinvariationen in der Biologie." Dieser quasiwissenschaftliche Ansatz beeinträchtige auch die Sprache. "Heute wird in Deutschland so getan, als werde in dem anonymen, stillosen Stil der Peer-Review-Journals von Tatsachen berichtet. Dabei wird in den USA, entgegen den Vorurteilen, auch sprachlich experimentiert."

Überhaupt sind schnelle Journaldebatten kein Allheilmittel. "Will man sich etwas ausdenken, was eine Wirkungskraft wie etwa Saul A. Kripkes 'Name und Notwendigkeit' hat, dann braucht man Zeit. Bis Kripke dieses Buch schreiben konnte, hat er zehn Jahre nur über Semantik nachgedacht." Die Doktorarbeit ist als so ein Raum konzipiert: Hier folgt man über zwei oder drei Jahre, abseits von Hektik und Karrieresorgen, seinem genuinen Interesse.

De facto aber fließt ein Großteil dieser Energie, so sind sich Professor, Post-Doc und Doktorand einig, in wissenschaftlich redundante Vorträge und Aufsätze, allenfalls als rhetorische Fingerübungen entschuldbar, tatsächlich jedoch selten mehr als ein strategisches Aufmerksamkeitsheischen. Dies bläht die Diskurse immer weiter auf. Ein Teufelskreis, der bei der Promotion nicht endet. "Eine Universitätskarriere bei uns heißt, sich dem Diskurs und seinen Freiheit und Kreativität einschränkenden Mechanismen bis zur entfristeten Stelle zu fügen", erklärt Gabriel. "Und diese wenigen, fixen Posten kommen sehr spät. Etwa in einem Alter um die vierzig." Bis dahin würden etliche Arbeiten aus Karriereerwägungen produziert.

Die deutsche Philosophie zeichnete immer ein besonderes Verhältnis von Sprache und Denken aus. Sie war damit zugleich jargonkritisch und jargonanfällig. Wenn aufgrund struktureller Bedingungen Promovieren heute bedeutet, sich einem quasiwissenschaftlichen Jargon anbiedern zu müssen, ist die Gefahr groß, dass das kritische Gegengewicht im Denken bereits in seinen Anfängen verkümmert. Eine Gefahr, vor der schon Denker wie Weber, Heidegger oder Adorno warnten. "Was Heidegger als das Gestell bezeichnet hat, ist ja die Horrorvision einer Groko des Denkens, die überall einzieht", so Gabriel. "Der philosophische Betrieb heute ist Heideggers Albtraum."


Nota. - Die nächstliegende Bemerkung: Das Problem ist, dass die Universitäten zu Ausbildungsstätten für Berufskarrieren geworden sind. Bologna war ein Höhe-, aber vermutlich nicht einmal der Schlusspunkt.

Allerdings waren die Universitäten als Ausbildungsstätten für Berufskarrieren entstanden. Ärzte, Juristen und Theologen brauchten einen Universitätsabschluss. In der Neuzeit kamen die leitenden Staatsbeamten hinzu; wer den Fürsten ihre Reiche verwalten sollte, brauchte eine umfassende Allgemeinbildung - denn gegen die Juristen und Theologen würde er bestehen müssen.

Die besondere Ausprägung der deutschen Universitäten, deren universalistisches Ideal im 19. Jahrhundert zum Vorbild der westlichen Welt wurde, verdanken sie dem spezifisch deutschen Bildungs-Begriff. 'Tat- sächlich ist die Entgegensetzung von Bildung und dem Lernen nützlicher Realien für sozialölkonomische Zwecke eine deutsche Erfindung. Sie wurde zur identitätsstiftenden nationalen Leitidee, denn eine solche brauchten wir.

Die andern großen Nationen mußten ihre Identität nicht aus der Reflexion konstruieren, sie konnten sie anschauen: in einem lebendigen verbindlichen Menschenbild, in dessen charakteristischen Zügen die Spuren der gemeinsamen Geschichte lesbar sind. Der englische gentleman personifiziert die historische Vereinigung von Adel und Großbürgertum zur typisch britischen Oligarchie, im französischen citoyen verbinden sich der plebejische Stolz des Sansculotten mit römischer Staats- vergötzung, der amerikanische pioneer vereinigt den beengten Blick auf den nächstliegenden Vorteil mit einer kontinentalen Weite des Horizonts. Die tausendfach zersplitterten Deutschen haben als Nationaltype lediglich den Michel hervor- gebracht, und schämten sich seiner: Er mußte sich erst einmal bilden.'

Die erste Realisierung dieses Ideals wurde die Humboldt'sche Universität in Berlin, ihr erster gewählter Rektor wurde der idealistische Philosoph Fichte - der seinerseits das erst hundert Jahre später in Angriff genommene Programm der Landerziehungsheime entworfen hat. Wandervogel und Deutsche Reformpäda- gogik wurden zu unmittelbaren Erben der deutschen Bildungsidee.

Das war eine durch und durch bürgerliche Idee. Durch und durch bürgerlich waren auch die Naturwissen- schaften, die man damals so zu nennen begann, und die universalistische Bildungsidee öffnete ihnen die Hörsäle der Universitäten. Deutschland war im 19. Jahrhundert Heimstatt der Wissenschaft. Wollte wer 'in der Wissenschaft mitreden', wurde er am besten ein deutscher Professor; aber ein deutscher Doktor war das mindeste; natürlich war die Universität ein Sprungbrett für die Berufslaufbahn.


Auch die Philosophie kam seit den siebziger Jahren des 19. Jahunderts wieder zu Ehren, als Sahnehäub- chen auf den Realwissenschaften, das niemand wirklich brauchte, aber über Alles ein weihevolles Licht streute. Den Naturwisschenschaften zeigte sie sich erkenntlich, indem sie sich an deren strengen Wissen- schaftsbegriff anschmiegte: Seither ist deutsche Universitätsphilosophie philologisch, pedantisch und für Außenstehende unverständlich. Und das durfte sie ruhig werden, denn es entstand eine beispiellose Menge neuer Lehrstühle; und ein Studienrat an deutschen Gymnasien war regelmäßig Dr. phil. Ein Studium der Philosophie - gern auch neben einem Brotstudium - diente der Vorbereitung auf einen Erwerbsberuf. Immer weniger der Sache, immer mehr der Form nach.


Das konnte dauerhaft nicht ohne Folgen für das Was der akademischen Philosophie bleiben. Tonnenideo- logie und Kästchendenken wucherten wie in allen andern Erwerkszweigen, und nach einem Überblick suchten nur dreieinhalb Außenseiter. Das Ergebnis: Ein Denkstil, der wie zu Wolff-Baumgartens Zeiten sein Genügen in immer neuen, immer spitzfindigeren Definitionen findet, spielt sich gegen die 'kontinen- tale', 'historische' und philologische Flohknackerei als denkerischer Stoßtrupp auf und nennt sich wie zum Hohne auch noch "systematisch".

Ausufernde Form und dünner Inhalt sind nicht an sich das Problem heutiger philosophischer Dissertatio- nen. Es ist der Gehalt, der nichts als Wiederkäuen gestattet - und sei es 'ganz von vorne an'. Der Gehalt einer Philosophie, die sich zu Recht so nennt, bleibt aber immer:

Von der Wirklichkeit weißt du gar nichts, sondern nur von dem, was in deinem Bewusstsein vorkommt, und das sind Vorstellungen. Die mögen ja richtig sein, das wollen wir gerne unterstellen. Aber wie das möglich ist – das würden wir doch schon herausfinden wollen. Dieses Herausfinden heißt Philosophieren. Das ist ein eng gefasster Begriff von Philosophie, er ist rein kritisch; aber er ist hart und haltbar. Unmittel- bar taugt er zu nichts, da haben die Nörgler Recht. Doch mittelbar taugt er zu allem und ohne ihn taugt nichts: Er ist der Prüfstein, an dem sich Alles bewähren muss. Aber um das Vorstellen selber geht es. Die brauchbaren Begriffe sind bloß Derivate, die seien euch geschenkt.

Kritische Philosophie eignet sich nicht zum Wiederkäuen. Und wer nur einen Titel will, den wird das Wie- derkäuen nicht verdrießen. Philosophie war Jahrhunderte lang keine Sache der Universität und braucht es auch nicht zu bleiben.


Nachtrag. 

Der Richtigkeit halber sei aber angefügt, dass Philosophie als selbständiges wissenschaftliches Fach im heutigen Sinn allerdings an der Universität, mit der Universität neu-entstanden ist: im hohen Mittelalter, und aus diesem Grund heißt diese ihre Entwicklungsetappe bis heute Scholastik. Sie war viel weniger steril, als man es redensartlich glauben macht; der Universalienstreit war ein Wendepunkt der Geistesgeschichte, von eiiner 'Ersten Aufklärung' ist gar die Rede; und dass er andernorts nicht stattgefunden hat, merkt man den außereuropäischen Kulturen bis heute an. Vor allem aber genügte sie sich damals nicht selbst, denn die Universität war kein Elfenbeinturm: Sie stand in unmittelbarer Konkurrenz zur Theologie und war beinahe politisch - und in Gestalt Wilhelm von Ockhams mehr als nur beinahe.

Brechen konnte sie freilich nicht mit dem Dogma. Dazu bedurfte es des Einbruchs der Mathematik in die Philosophie. Galileo war kein Universitätsgelehrter, Descartes, Spinoza, Newton und Leibniz ebensowenig. Zur Universitätsangelegenheit wurde sie erst wieder durch Christian Wolff, der die genialen Essays von Leibniz systematisierte und bis zu Kants Kritiken das darniederliegende deutsche Geistesleben beherrschte. Nach eigenem Verständnis Speerspitze der Aufklärung, erschien sie aber in ihren haarspalterischen Distinktionen und Definitionen schon der folgenden Generation als eine 'Zweite Scholastik', und mit der Kritischen Philosophie brach das Denken wieder aus dem universitären Elfenbeinturm aus.

Aber auch das nur kurz. An kleinlicher Scholastik und zugleich an systematischem Totalitarismus stellte das Hegel'sche System alles Vorangegangene in den Schatten. Als es zusammenbrach, blieb für die Philosophie nur verbrannte Erde. Allerdings war die Universität unterdessen zu ungeahnten Würden gekommen - siehe oben.

Mit andern Worten, das Verhältnis der Philosophie zur Universität war immer ein zyklisches, um nicht zu sagen: ein spasmisches. Universitätsphilosophie ist dem Wesen der Dinge nach schulmäßig - in Form und Gehalt. Neue Vitalität hat sie stets nur erfahren durch Abstandnahme vom Hochschulbetrieb und nicht durch den Versuch, ihn auszubessern. 

"Damit sind einige Bedingungen genannt, unter denen der philosophische Genius in unserer Zeit trotz der schädlichen Gegenwirkungen wenigstens entstehen kann: freie Männlichkeit des Charakters, frühzeitige Menschenkenntnis, keine gelehrte Erziehung, keine patriotische Einklemmung, kein Zwang zum Brot-Erwerben, keine Beziehung zum Staate – kurz, Freiheit und immer wieder Freiheit: dasselbe wunderbare und gefährliche Element, in welchem die griechischen Philosophen aufwachsen durften." Nietzsche, Un- zeitgemäße Betrachtungen; Kapitel 32/8 
JE





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