Sonntag, 30. November 2014
Beifall und Missbilligung.
In seiner Umwelt "erscheint" dem Tier nur das, was durch seinen Platz in der ökologischen Nische "für es bestimmt" ist: seinen Stoffwechsel und seine Fortpflanzung. Für das Tier sind Bedeutung und Erscheinung ungeschieden. Genauer gesagt, "für" das Tier ist nichts. Etwas ist "da" und damit basta.
Der Mensch hat mit seinem Ausbruch in eine fremde Welt die Vorbestimmtheit alles ihm Erscheinenden verloren: Ihm "erscheint" auch das, was für Stoffwechsel und Fortpflanzung (zu einem gegebenen Zeitpunkt) ohne Bedeutung ist. Er muss Dinge selbst-bestimmen. Zuerst, ob sie für Stoffwechsel und Fortpflanzung 'in Frage kommen'. Von ihm fordert jede Erscheinung ein Urteil. Das ist die Grundbedingung des Existierens in einer Welt. Das Urteilen ist: im Wahrnehmen ipso actu entscheiden zwischen Beifall und Missbilligung.
So tritt er in eine apriorischen Distanz zu allem Etwas. Was erscheint, wird zu 'etwas' erst in diesem distanzierenden Akt. (Der lässt sich prinzipiell umkehren: So kann er zu "sich" in Distanz treten und zu "ich" werden.)
Die Distanz zu Dingen setzt ihn in einen Zustand der Freiheit. Sie erzwingt Abstraktion und eo ipso Reflexion. Diese Distanz macht ihn zu einem ideellen, seine physische Organisation (Folge und Voraussetzung des zur-Welt-Kommens) setzt ihn in den Zustand eines sachlichen Produzenten.
Die Erfahrung mögliches Überflusses setzt ihn in Lage, zu sich, das heißt zu seinem Bedürfnis, in Distanz zu treten.
aus e. Notizbuch, 13. 3. 07
"Im Wahrnehmen ipso actu entscheiden zwischen Beifall und Missbilligung" - da ist mir, ohne es recht zu bemerken, die anderwärts vergeblich gesuchte Herleitung unseres Geistes alias Einbildungskraft aus unserm ästhetischen alias 'poietischen' Vermögen unterlaufen. Beifall und Missbilligung erfolgen nämlich einstweilen versuchsweise: 'Ob es was taugt?' - Mal sehen, zu was.
Man muss nicht demonstrieren, dass es so kommen musste. Es reicht zu zeigen, weshalb es so kommen konnte.
Samstag, 29. November 2014
"Geist = Absicht"...
...heißt es bei Fr. Schlegel, und wo er keine solche findet, da sucht er nach dem, was fehlt.
Absicht ist die Meinung, das Etwas (etwas) besser sei als nichts (nicht-Etwas), ein Bestimmtes besser sei als ein Unbestimmtes.
Der Witz ist, dass die Menschen den Geist jetzt einmal haben; und wo er nichts findet, worauf er sich verwenden kann, da denkt er sich etwas.
Geist ist das Vermögen, die Bedeutungs-Lücke aufzufüllen, nachdem er aus der Umwelt, wo alles seine Bedeutung hatte, in die Welt aufgebrochen ist, wo alles, was ihm begegnet, eine Bedeutung erst noch braucht.
aus e. Notizbuch, 26. 10. 2000
Freitag, 28. November 2014
Syllogismus , transzendental.
Der Form nach besagt der Syllogismus nur: Wenn (a) und wenn zugleich (b), dann ebenfalls zugleich (c).
Material, nämlich in der wirklichen Vorstellung, klingt der Syllogismus aber so: Wenn in einen Fundus toter Bedingungen eine Tat eingreift, dann wirkt sie Wirklichkeit. Aus a+b folgt c.
aus e. Notizbuch, Mai 2009
Donnerstag, 27. November 2014
Mittwoch, 26. November 2014
Der Horizont schafft die Welt.
Eine Welt entsteht, indem dem erfahrenen chaotisch-Mannigfaltigen ein Horizont hinzugedacht wird.
Eine Umwelt wird in ihrer Gänze erfahren; und es wird nichts anderes erfahren als sie.
Auch die Menschen leben in Umwelten, die sie aber nicht ererbt, sondern selber geschaffen haben. Sie sind das, was wir unsere Kulturen nennen. Die aber liegen in der Welt.
Umwelten werden erfahren, die Welt wird gedacht.
Eine Grenze wird als solche nie wahrgenommen. Von den Tieren nicht, weil sie in ihrer Umwelt keiner begegnen. Von den Menschen nicht, weil sie in ihrer offenen Welt immer nur je einzelne Schranken antreffen, die dadurch ausgezeichnet sind, dass es sie zu überschreiten gilt.
aus e. Notizbuch, im März 2010
Der Horizont selbst sieht überall gleich aus. Aber er ist ein ganz anderer, je nachdem, was vor ihm erscheint. Und das hängt vom Standpunkt des Beschauers ab, nämlich von der Perspektive. Mit andern Worten, der Horizont ist die Perspektive von hinten.
Montag, 24. November 2014
Nicht die Welt ist endlich.
Nicht die Welt ist endlich, sondern meine Zeit.
Die Endlichkeit der Welt ist nicht erfahrbar, weil sie keine Grenzen hat. Erfahrbar ist die Grenze meiner Zeit, aber nicht für mich.
aus e. Notizbuch, April 19010
Rück-Versicherung.
Das Absolute, das Unbedingte, das Vollkommene - ist das, was so ist, wie es sein soll.
Für das naive Bewusstsein ist alles "so, wie es sein soll".
Das ursprüngliche Bewusstsein der Menschen - nämlich als sie überhaupt zu Bewusstsein kamen - ist nicht naiv. Denn es ist geprägt von der Fraglichkeit von allem, was begegnet. Die Frage 'ist es so, wie es sein soll', geht auf in der Frage, was es ist. Weil die Selbstverständlichkeit der Urwaldnische verloren ging.
Die Idee vom Vollkommenen, Unbedingten, Absoluten, das "so ist, wie es sein soll", ist der Wunsch, die Selbstverständlichkeit der Urwaldnische wiederzufinden.
aus e. Notizbuch, 30. 8. 10
Ja, das ist nichts anderes als im gestrigen Eintrag. Manch neuer Einfall ist so elementar, dass man ihn ein paarmal haben muss, bis er sitzt.
Samstag, 22. November 2014
Neugewonnene Gewissheit.
Die Annahme eines absoluten Rechtsgrunds allen Geltens ist das Erbe unserer 'natürlichen' Vorgeschichte. Mit dem Fortfall der 'Umwelt' verlor diese Annahme ihre praktische Verbindung mit den wirklichen Lebensbedin-gungen. Es entstand der Hiatus: das fragen-Müssen.
Das Absolute als Idee ist ein Reflexionsprodukt. Es kommt zustande, 'weil anders gar nichts gelten könnte'. Es ist eine Konstruktion a tergo. Oder, mit Fichte zu reden, eine proiectio per hiatum irrationlem. (Er hat den Jacobi besser verstanden als der sich selbst. Dafür hat der ihn besser verstanden als er sich selbst.)
aus e. Notizbuch, Mai 2007
Das Absolute ist die Wiederherstellung der Selbstverständlichkeit, die uns mit dem Verlassen unserer Urwald- nische verloren gegangen ist, mit andern Mitteln. Während die Gründe der Selbstverständlichkeit dem Tier als seine Umwelt gewissermaßen im Rücken liegen, haben wir die Bürgschaft allen Geltens erst noch vor Augen, und in ganz weiter Ferne
Das Absolute ist ein ästhetisches Ding.
Unum, verum, bonum, pulchrum: Das Eine Absolute ist keine logische, es ist keine ethische, es ist eine ästhetische Idee. Es ist sogar die ästhetische Idee schlechthin. Was sollte denn, jenseits von seiner brauchbaren Richtigkeit, am Wahren besser sein als das Unwahre? Was sollte, jenseits von seinen gesellschaftlichen Vorteilen, am Guten besser sein als das Böse? Es ist genau das, was am Schönen schön ist: daß es ohne Interesse gefällt.
Freitag, 21. November 2014
Das Absolute ist Stoff an sich.
Das Absolute ist das Schema des Vollkommenen. Vollkommenheit ist eine ästhetische Kategorie; die Vorstellung von Etwas, das ohne Makel ist; was ohne Einschränkung gilt. Doch in der Vorstellung eines Absoluten wird nun auch von dieser Bestimmtheit noch abstrahiert: "Etwas", welches als ein solches bestimmbar wäre. Im Absoluten entfällt alle Bestimmtheit. Oder anders: es ist negativ bestimmt als das, was schlechterdings nicht bestimmbar ist, weil es aller Bestimmung selber zu Grunde liegt. Das Absolute ist kein Begriff, sondern eine Idee. Es wird angeschaut, aber nicht mit den Sinnen, sondern allein mit der Einbildungskraft.
aus e. Notizbuch, im Juli 2009
Das Absolute ist der allgemeinste Urteilsgrund. Es ist der Stoff des Geltens; das heißt, der Stoff schlechthin. Es ist Qualitas qualitatium.
Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.
Donnerstag, 20. November 2014
Arbeit und Langeweile.
Thomas Couture, Pierrot vor Gericht
42 Arbeit und Langeweile. — Sich Arbeit suchen um des Lohnes willen — darin sind sich in den Ländern der Civilisation jetzt fast alle Menschen gleich; ihnen allen ist Arbeit ein Mittel, und nicht selber das Ziel; wesshalb sie in der Wahl der Arbeit wenig fein sind, vorausgesetzt, dass sie einen reichlichen Gewinn abwirft.
Nun giebt es seltenere Menschen, welche lieber zu Grunde gehen wollen, als ohne Lust an der Arbeit arbeiten: jene Wählerischen, schwer zu Befriedigenden, denen mit einem reichlichen Gewinn nicht gedient wird, wenn die Arbeit nicht selber der Gewinn aller Gewinne ist. Zu dieser seltenen Gattung von Menschen gehören die Künstler und Contemplativen aller Art, aber auch schon jene Müssiggänger, die ihr Leben auf der Jagd, auf Reisen oder in Liebeshändeln und Abenteuern zubringen. Alle diese wollen Arbeit und Noth, sofern sie mit Lust verbunden ist, und die schwerste, härteste Arbeit, wenn es sein muss. Sonst aber sind sie von einer entschlossenen Trägheit, sei es selbst, dass Verarmung, Unehre, Gefahr der Gesundheit und des Lebens an diese Trägheit geknüpft sein sollte. Sie fürchten die Langeweile nicht so sehr, als die Arbeit ohne Lust: ja, sie haben viel Langeweile nöthig, wenn ihnen ihre Arbeit gelingen soll.
Für den Denker und für alle erfindsamen Geister ist Langeweile jene unangenehme Windstille der Seele, welche der glücklichen Fahrt und den lustigen Winden vorangeht; er muss sie ertragen, muss ihre Wirkung bei sich abwarten: — das gerade ist es, was die geringeren Naturen durchaus nicht von sich erlangen können! Langeweile auf jede Weise von sich scheuchen ist gemein: wie arbeiten ohne Lust gemein ist. Es zeichnet vielleicht die Asiaten vor den Europäern aus, dass sie einer längeren, tieferen Ruhe fähig sind, als diese; selbst ihre Narcotica wirken langsam und verlangen Geduld, im Gegensatz zu der widrigen Plötzlichkeit des europäischen Giftes, des Alkohols.
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Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft. 4. Buch 1882
42 Arbeit und Langeweile. — Sich Arbeit suchen um des Lohnes willen — darin sind sich in den Ländern der Civilisation jetzt fast alle Menschen gleich; ihnen allen ist Arbeit ein Mittel, und nicht selber das Ziel; wesshalb sie in der Wahl der Arbeit wenig fein sind, vorausgesetzt, dass sie einen reichlichen Gewinn abwirft.
Nun giebt es seltenere Menschen, welche lieber zu Grunde gehen wollen, als ohne Lust an der Arbeit arbeiten: jene Wählerischen, schwer zu Befriedigenden, denen mit einem reichlichen Gewinn nicht gedient wird, wenn die Arbeit nicht selber der Gewinn aller Gewinne ist. Zu dieser seltenen Gattung von Menschen gehören die Künstler und Contemplativen aller Art, aber auch schon jene Müssiggänger, die ihr Leben auf der Jagd, auf Reisen oder in Liebeshändeln und Abenteuern zubringen. Alle diese wollen Arbeit und Noth, sofern sie mit Lust verbunden ist, und die schwerste, härteste Arbeit, wenn es sein muss. Sonst aber sind sie von einer entschlossenen Trägheit, sei es selbst, dass Verarmung, Unehre, Gefahr der Gesundheit und des Lebens an diese Trägheit geknüpft sein sollte. Sie fürchten die Langeweile nicht so sehr, als die Arbeit ohne Lust: ja, sie haben viel Langeweile nöthig, wenn ihnen ihre Arbeit gelingen soll.
Für den Denker und für alle erfindsamen Geister ist Langeweile jene unangenehme Windstille der Seele, welche der glücklichen Fahrt und den lustigen Winden vorangeht; er muss sie ertragen, muss ihre Wirkung bei sich abwarten: — das gerade ist es, was die geringeren Naturen durchaus nicht von sich erlangen können! Langeweile auf jede Weise von sich scheuchen ist gemein: wie arbeiten ohne Lust gemein ist. Es zeichnet vielleicht die Asiaten vor den Europäern aus, dass sie einer längeren, tieferen Ruhe fähig sind, als diese; selbst ihre Narcotica wirken langsam und verlangen Geduld, im Gegensatz zu der widrigen Plötzlichkeit des europäischen Giftes, des Alkohols.
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Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft. 4. Buch 1882
Mittwoch, 19. November 2014
Auch das Tier lebt nicht in einer Welt, die ‘der Fall ist’…
… sondern in Bedeutungen. Evolution ist Auslese und Anpassung. Im Laufe ihrer Geschichte hat jede Spezies ihre ökologische Nische gefunden und hat sie zu ihrer Umwelt eingerichtet. Jede tierische Umwelt bildet nach Jakob von Uexküll, dem Begründer des biologischen Umwelt-Begriffs,“eine in sich geschlossene Einheit, die in all ihren Teilen durch die Bedeutung für das Subjekt beherrscht wird. Alles und jedes, das in den Bann einer Umwelt gerät, wird umgestimmt und umgeformt, bis es zu einem brauchbaren Bedeutungsträger geworden ist – oder es wird völlig vernachlässigt.”
aus Die Wendeltreppe, oder Philosophische Propädeutik.
aus Die Wendeltreppe, oder Philosophische Propädeutik.
Dienstag, 18. November 2014
Denken und bewusst sein.
333 Was heisst erkennen. — Non ridere, non lugere, neque detestari, sed intelligere! sagt Spinoza, so schlicht und erhaben, wie es seine Art ist. Indessen: was ist diess intelligere im letzten Grunde Anderes, als die Form, in der uns eben jene Drei auf Einmal fühlbar werden? Ein Resultat aus den verschiedenen und sich widerstrebenden Trieben des Verlachen-, Beklagen-, Verwünschen-wollens?
Bevor ein Erkennen möglich ist, muss jeder dieser Triebe erst seine einseitige Ansicht über das Ding oder Vorkommniss vorgebracht haben; hinterher entstand der Kampf dieser Einseitigkeiten und aus ihm bisweilen eine Mitte, eine Beruhigung, ein Rechtgeben nach allen drei Seiten, eine Art Gerechtigkeit und Vertrag: denn, vermöge der Gerechtigkeit und des Vertrags können alle diese Triebe sich im Dasein behaupten und mit einander Recht behalten. Wir, denen nur die letzten Versöhnungsscenen und Schluss-Abrechnungen dieses langen Processes zum Bewusstsein kommen, meinen demnach, intelligere sei etwas Versöhnliches, Gerechtes, Gutes, etwas wesentlich den Trieben Entgegengesetztes; während es nur ein gewisses Verhalten der Triebe zu einander ist.
Die längsten Zeiten hindurch hat man bewusstes Denken als das Denken überhaupt betrachtet: jetzt erst dämmert uns die Wahrheit auf, dass der allergrösste Theil unseres geistigen Wirkens uns unbewusst, ungefühlt verläuft; ich meine aber, diese Triebe, die hier mit einander kämpfen, werden recht wohl verstehen, sich einander dabei fühlbar zu machen und wehe zu thun — : jene gewaltige plötzliche Erschöpfung, von der alle Denker heimgesucht werden, mag da ihren Ursprung haben (es ist die Erschöpfung auf dem Schlachtfelde). Ja, vielleicht giebt es in unserm kämpfenden Innern manches verborgene Heroenthum, aber gewiss nichts Göttliches, Ewig-in-sich-Ruhendes, wie Spinoza meinte. Das bewusste Denken, und namentlich das des Philosophen, ist die unkräftigste und desshalb auch die verhältnissmässig mildeste und ruhigste Art des Denkens: und so kann gerade der Philosoph am leichtesten über die Natur des Erkennens irre geführt werden.
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Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft. 4. Buch. 1882
Nota.
Die Reflexion kommt hinterdrein, wenn das Vorstellen etwas geschafft hat. Unkräftig ist sie allerdings, denn sie bringt selber nichts zustande, sondern scheidet nur nachträglich die Spreu vom Weizen. Und auch dabei greift sie oft genug daneben. Es ist wirklich nicht gerecht, sie für das wahre Denken und alles andere nur für Launen der Phantasie oder womöglich bloße Leidenschaft zu halten.
Aber das letzte Wort wird man ihr immer lassen müssen, selbst auf die Gefahr, wieder nur eine Niete zu ziehen.
JE
Montag, 17. November 2014
Ausbleibende Antworten.
Natürlich ist die Welt eine Rätselveranstaltung. Nur weil die Welt ein Rätsel ist, gibt es Philosophie. Und natürlich machen wir unsere Rätsel selbst. Denn nur "für uns" gibt es eine Welt. (Das Tier legt in seiner Umwelt und wundert sich nicht.) Nur weil an die Welt Fragen stellen, gibt sie Antworten und ausbleibende Antworten, alias Rätsel.
aus e. Notizbuch, Sommer 2008
Nota.Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.
Sonntag, 16. November 2014
Transzendentalphilosophie hat keinen Grund, sondern ein Motiv.
Transzendentalphilosophie ist, wenn sie ist, kritisch. Sie ist nicht begründet, sondern motiviert.
Begründet ist, was ihr standhält.
Natürlich nicht, weil es ihr standhält; sondern es hält ihr stand, weil es begründet war.
Samstag, 15. November 2014
Reflektieren kann jeder.
Tun können wir – "wenn sonst alles erledigt ist" – auch das bloße Anschauen; das Betrachten der Dinge, ohne mit ihnen etwas tun zu wollen - außer eben: betrachten. Das ist das wahre Mysterium des Denkens, alles andere ist trivial. Reflektieren kann jeder. Betrachten muss man können.
aus e. Notizbuch,
Spätherbst 2010
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Donnerstag, 13. November 2014
Ein Ding ist; eine Bedeutung gilt.
Was
ist, ist ein Ding. Was gilt, ist eine Bedeutung.
Das
Ding kann man sich ohne Zeit denken, nur im Raum.
Die Bedeutung
gilt immer nur für einen, der handelt. Deshalb kann man sich die Bedeutung nicht ohne einen Verlauf, nicht ohne
Zeit vorstellen; aber zur Not ohne Raum, als
bloßes Denken = bloße Form des
Handelns.
aus e. Notizbuch,
Anf. März 2008
Nota. - Bedeutungen gelten. In der Zeit, wo sonst? Gelten ist eine logische Qualität, die kann ich mir gar nicht "vorstellen", weder im Raum noch in der Zeit.
Nota. - Bedeutungen gelten. In der Zeit, wo sonst? Gelten ist eine logische Qualität, die kann ich mir gar nicht "vorstellen", weder im Raum noch in der Zeit.
Das Libet-Experiment und die Freiheit, nein zu sagen.
1. 6. 2009
Als der Hirnforscher Gerhard Roth im Philosophischen Quartett bei Sloterdijk und Safranski die These von der vollständigen Determiniertheit unseres durchaus nicht freien Willens vertrat, räumte er am Ende der Diskussion doch eine Ausnahme ein: „die Verneinung“.
Er hat die Tragweite seiner Einschränkung nicht bedacht. Wenn der Verneinungsmodus eine Ausnahme von der Determiniertheit unseres Willens ist, dann ist der ganze Mensch eine Ausnahme von der Determination. Denn der Mensch kann grundsätzlich Alles verneinen und verleugnen. Könnte er nicht nein sagen, dann könnte er nicht ja sagen. Eben das ist die Freiheit seines Willens. „Der Mensch ist das Tier, das nein sagen kann“ meint Max Scheler.
Das Interesse der Hirnforschung, den Glauben an die Freiheit unseres Willens zu widerlegen, datiert von dem berühmten Libet-Versuch her. Der amerikanische Neuropsychologe Benjamin Libet wollte mit Hilfe der neuen bildgebenden Verfahren der Hirnforschung herausfinden, wie menschliches Handeln strukturiert ist, in welcher Reihenfolge, nach welchem Zeitverlauf Willensakte zustande kommen. Er forderte seine Probanden auf, irgendeinen Körperteil zu bewegen. Libet erwartete folgenden Ablauf: An erster Stelle steht der Willensentschluss, der sich in Aussagen wie „Ich werde jetzt meine rechte Hand heben” artikuliert. Dann baut sich im Gehirn ein Bereitschaftspotenzial auf – das ist der messbare neuronale Prozess der Vorbereitung einer Körperbewegung; und dann kommt es schließlich zur Ausführung der Körperbewegung.
Als Libet das Experiment durchführte, zeigte sich überraschenderweise, dass die angenommene Chronologie falsch war: Das Bereitschaftspotenzial ging nämlich der bewussten Willentscheidung um rund ein Fünftel Sekunde voraus, das heißt: Das Gehirn hatte die Handlung bereits eingeleitet und geplant, bevor sich die Person auf bewusste Weise zu ihr entschließen konnte.
Unter Willen und Ich wird „das Bewusstsein“ verstanden. Aber sie übersehen, dass die Aufgabe: „ein Körperteil bewegen“ im Bewusstsein schon präsent gewesen ist – nämlich als Frage: „welches?“ Kein Wunder, dass das „Bereitschaftspotenzial“ schon da war…
Tasächlich hat Libet nicht den Willensakt selbst beobachtet, sondern den Akt seiner Bewusstwerdung: die Reflexion, durch welche der Wille seiner inne wird. Es handelt sich dabei um eine nachträgliche Kenntnisnahme zum Zweck der Selbstkontrolle – um im gegebenen Fall noch rechtzeitig nein sagen zu können.*
Er setzt voraus eine willentliche Ausrichtung der Aufmerksamkeit.
Im wirkliche Leben geschehen – sagen wir: – neunundneunzigkommaneun Prozent der willkürlichen, nämlich nicht vom Zentralen System gesteuerten Bewegungen 'vor-bewusst' und treten in den Kreis der Aufmerksamkeit gar nicht erst ein. Anders käme ich nie zum Handeln. Das an dieser Stelle stets bemühte Beispiel ist das Autofahren. Die Aufmerksamkeit ist gerichtet auf das Verkehrsgeschehen. Meine Muskulatur – Hände und Füße – “wissen von allein”, welche Bewegungen jeweils auszuführen sind. Ich richte meine Aufmerksamkeit nur dann darauf, wenn ich einen sich abzeichnenden Fehler zu unterbinden habe.
Während dessen ziehe ich meine Aufmerksamkeit vom Verskehrsstrom ab. Eine Verzögerung von einer Fünftelsekunde geht im Straßenverkehr gerade noch an. Brauche ich länger, wird mich das Verkehrsgeschehen überrollen. Für den Musiker, der seine Stimme oder sein Instrument betätigt, ist eine Fünftelsekunde schon zu lang. Der Rhythmus ist futsch. Da hilft nur üben, üben, üben…**
Ergebnis: Das Ich entsteht da und dann, wo die Reflexion die vorgängigen Willenakte überprüft, um im gegebenen Fall nein sagen zu können. Das Ja ist die ‘natürliche’ Prämisse. Aber erst, wenn ich darauf verzichtet habe, nein zu sagen, kann ich ein Ja auch sagen. In diesem Moment war mein Wille frei. An dieser Stelle 'ereignete sich' Ich.
*) Das war auch Libets eigene Interpretation.
**) Und dies nicht zu vergessen: Es handelt sich nicht um ein abgeschlossenes Stück in drei Akten, sondern um eine willkürlich herausgegriffene Sequenz eines fortwährenden systemischen Prozesses.
Nota.Die obigen Fotos gehören mir nicht, ich habe sieim Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.
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Mittwoch, 12. November 2014
Das Nein ist die Ausnahme von der Naturregel.
Der freie Wille ist die Fähigkeit, nein zu sagen.
Das Was der
Wahl ist dem Willen als Anmutung seines Sensoriums vorgegeben; positio; gleichgültig, ob das Sensorium
einen Reiz von außen oder von innen transportiert, und gleichgültig, ob dem
Willen diese Anmutung als eine verlockende Versuchung, als „Bedürfnis“ oder als
Zumutung vorkommt: Der Wille kann nur noch nein
sagen; unterlässt er es, ist es so gut,
als ob er ja gesagt hätte. Dann behält das Sensorium nach dem ersten auch das
letzte Wort.
Max Schelers
Kernsatz, der Mensch sei das Tier, das nein sagen kann, erhält durch die Hirnforschung (cf. Libet)
eine radikalere (tiefer an die Wurzel reichende ) Bedeutung.
PS. Es liegt
nahe, dass der Wille im Zweifelsfall – der im Alltag die Regel sein dürfte –
auf das Neinsagen verzichtet.
aus e. Notizbuch,
14. 11. 13
Dienstag, 11. November 2014
Einladung an die Leser.
Ich denke, dieses Blog hat einige Leser gefunden, die meine einfache Schreibweise schätzen, weil sie einen Zugang zu philosophischen Gedankengängen gibt, der sonst oft eher erschwert als erleichtert wird. Offenbar gibt es aber inzwischen auch einige regelmäßige Besucher, die auf didaktische Rücksichtnahme nicht angewiesen sind.
Ich wähle die einfache Art der Darstellung nicht, weil sie einfacher zu verfassen wäre (ist sie nicht).
Vielmehr: Ich bin kein Schulphilosoph, mich beschäftigt Philosophie nach ihrem "Weltbegriff". Für die schulmäßigen Mikrologismen fehlen mir die Geduld und das Talent. Zur Strafe gerate ich ab und zu auf Glatteis. Aber da kommen einem gelegentlich auch gute Einfälle.
Nur ob sie gut sind, kann man selber nicht immer einschätzen.
Ich hoffe zwar stets, dass ich meinen Gewährsmann Fichte richtig verstehe. Doch im Zweifel ist mir an meiner eigenen Erkenntnis mehr gelegen als an philologischer Korrektheit. Ich muss nur Acht geben, dass ich mir nicht die Zügel schießen lasse, und da ist mir dann der wohlwollend kritische Blick des Sachkenners sehr willkommen. Die Leser, die dies Blog regelmäßig verfolgen, wollen sich bitte nicht zurückhalten, wenn ihnen das eine oder andere des Kommentars bedürftig erscheint.
Ich verspreche Ihnen auch, mich gut zu benehmen.
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Montag, 10. November 2014
Was hat Sittlichkeit mit Vernunft zu schaffen?
Leonardo, Hieronymus in der Wildnis
Wenn aber Vernunft nicht die Mutter der Sittlichkeit und Sittlichkeit nicht Mutter der Vernunft ist - sind sie dann Geschwistere? Verschwägert? Oder nur gute Bekannte? Irgendein privilegiertes Verhältnis scheinen sie jedenfalls zu haben.
Der Eremit in seiner Wildnis braucht für seine Sittlichkeit keine Vernunft. Ein bissel Verstand reicht aus für seine täglich unvermeidlichen Verrichtungen.
Der Zyniker in der Welt braucht für seine Schachzüge auch keine Vernunft, Verstand reicht auch ihm, aber nicht nur ein bisschen.
Vernunft braucht, wer in einer Welt mit den vielen andern sittlich leben will, denn sich sieht er nie ohne sie und sie nicht ohne sich. Vernunft ist die faktische Bedingung eines freien Ichs in der Welt der Vielen.
Bedenke nämlich: Sittlich ist die Entschlossenheit, in jedem Zweifelsfall dem Urteil meines Gewissens zu folgen. In Versuchung gerät mein Gewissen aber nur in der Welt, in der ich mit andern bin.
Sonntag, 9. November 2014
Hat Vernunft einen Zweck?
Rainer Sturm, pixelio.de
Es soll Vernunft geben, damit Öffentlichkeit herrschen kann.
aus e. Notizbuch,im August 2008
Es soll Vernunft herrschen, damit es Öffentlichkeit geben kann.
Nur wo Öffentlichkeit sein soll, muss Vernunft herrschen.
In der Öffentlichkeit kann nur Vernunft herrschen.
Wo Vernunft herrschen soll, muss Öffentlichkeit sein.
Samstag, 8. November 2014
Ist Vernunft ein Zweck?
Ich führe ein sittliches Leben nicht um des Vernunftprinzips willen, sondern ich setze mir das Vernunftprinzip voraus, um ein sittliches Leben führen zu können.
aus e. Notizbuch, Anf. Sept. 2010
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