Thomas Couture, Pierrot vor Gericht
42 Arbeit und Langeweile. —
Sich Arbeit suchen um des Lohnes willen — darin sind sich in den Ländern
der Civilisation jetzt fast alle Menschen gleich; ihnen allen ist Arbeit
ein Mittel, und nicht selber das Ziel; wesshalb sie in der Wahl der
Arbeit wenig fein sind, vorausgesetzt, dass sie einen reichlichen Gewinn
abwirft.
Nun giebt es seltenere Menschen, welche lieber zu Grunde gehen
wollen, als ohne Lust an der Arbeit arbeiten: jene Wählerischen,
schwer zu Befriedigenden, denen mit einem reichlichen Gewinn nicht
gedient wird, wenn die Arbeit nicht selber der Gewinn aller Gewinne ist.
Zu dieser seltenen Gattung von Menschen gehören die Künstler und
Contemplativen aller Art, aber auch schon jene Müssiggänger, die ihr
Leben auf der Jagd, auf Reisen oder in Liebeshändeln und Abenteuern
zubringen. Alle diese wollen Arbeit und Noth, sofern sie mit Lust
verbunden ist, und die schwerste, härteste Arbeit, wenn es sein muss.
Sonst aber sind sie von einer entschlossenen Trägheit, sei es selbst,
dass Verarmung, Unehre, Gefahr der Gesundheit und des Lebens an diese
Trägheit geknüpft sein sollte. Sie fürchten die Langeweile nicht so
sehr, als die Arbeit ohne Lust: ja, sie haben viel Langeweile nöthig,
wenn ihnen ihre Arbeit gelingen soll.
Für den Denker und für alle
erfindsamen Geister ist Langeweile jene unangenehme Windstille der
Seele, welche der glücklichen Fahrt und den lustigen Winden vorangeht;
er muss sie ertragen, muss ihre Wirkung bei sich abwarten: — das
gerade ist es, was die geringeren Naturen durchaus nicht von sich
erlangen können! Langeweile auf jede Weise von sich scheuchen ist
gemein: wie arbeiten ohne Lust gemein ist. Es zeichnet vielleicht die
Asiaten vor den Europäern aus, dass sie einer längeren, tieferen Ruhe
fähig sind, als diese; selbst ihre Narcotica wirken langsam und
verlangen Geduld, im Gegensatz zu der widrigen Plötzlichkeit des
europäischen Giftes, des Alkohols.
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Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft. 4. Buch 1882
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