Urteil
ist im höchsten und strengsten Sinne die ursprüngliche Trennung des in
der intellektualen Anschauung innigst vereinigten Objekts und Subjekts,
diejenige Trennung, wodurch erst Objekt und Subjekt möglich wird, die
Ur=Teilung. Im Begriffe der Teilung liegt schon der Begriff der
gegenseitigen Beziehung des Objekts und Subjekts aufeinander, und die
notwendige Voraussetzung eines Ganzen, wovon Objekt und Subjekt die
Teile sind. »Ich bin Ich« ist das passendste Beispiel zu diesem Begriffe
der Urteilung, als Theoretischer Urteilung, denn in der praktischen Urteilung setzt es sich dem Nichtich, nicht sich selbst entgegen.
Wirklichkeit
und Möglichkeit ist unterschieden, wie mittelbares und unmittelbares
Bewußtsein. Wenn ich einen Gegenstand als möglich denke, so wiederhol
ich nur das vorhergegangene Bewußtsein, kraft dessen er wirklich ist. Es
gibt für uns keine denkbare Möglichkeit, die nicht Wirklichkeit war.
Deswegen gilt der Begriff der Möglichkeit auch gar nicht von den
Gegenständen der Vernunft, weil sie niemals als das, was sie sein
sollen, im Bewußtsein vorkommen,
sondern nur der Begriff der Notwendigkeit. Der Begriff der Möglichkeit
gilt von den Gegenständen des Verstandes, der der Wirklichkeit von den
Gegenständen der Wahrnehmung und Anschauung.
Sein - drückt die Verbindung des Subjekts und Objekts aus.
Wo
Subjekt und Objekt schlechthin, nicht nur zum Teil vereiniget ist,
mithin so vereiniget, daß gar keine Teilung vorgenommen werden kann,
ohne das Wesen desjenigen, was getrennt werden soll, zu verletzen, da
und sonst nirgends kann von einem Sein schlechthin die Rede sein, wie es bei der intellektualen Anschauung der Fall ist.
Aber
dieses Sein muß nicht mit der Identität verwechselt werden. Wenn ich
sage: Ich bin Ich, so ist das Subjekt (Ich) und das Objekt (Ich) nicht
so vereiniget, daß gar keine Trennung vorgenommen werden kann, ohne, das
Wesen desjenigen, was getrennt werden soll, zu verletzen; im Gegenteil
das Ich ist nur durch diese Trennung des Ichs vom Ich möglich. Wie kann
ich sagen: Ich! ohne Selbstbewußtsein? Wie ist aber Selbstbewußtsein
möglich? Dadurch daß ich mich mir selbst entgegensetze, mich von mir
selbst trenne, aber ungeachtet dieser Trennung mich im entgegengesetzten
als dasselbe erkenne. Aber inwieferne als dasselbe? Ich kann, ich muß
so fragen; denn in einer andern Rücksicht ist es sich entgegengesetzt
Also ist die Identität keine Vereinigung des Objekts und Subjekts, die
schlechthin stattfände, also ist die Identität nicht = dem absoluten
Sein.
in Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Frankfurt a. M. 1961, S. 547f.
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