Dienstag, 11. Juli 2017

Anschauen, Begriff und denken.


Magnus Enckell

Den sinnlichen Anteil an der Anschauung nennt Fichte Gefühl, Leiden: ein unfreier Zustand. Anschauen ist - als ein Reflektieren auf das Gefühl - ein Handeln, und geschieht aus Freiheit. (Kant hatte zwischen Anschauung und Sinnlichkeit noch nicht unterschieden.

Die Scheidelinie zwischen anschauen und denken markiert der Begriff. Und zwar geht es nicht darum, ob ich ihn 'richtig' gebrauche, so wie alle anderen in derselben Situation; sondern dass ich ihn mir vorsetze als Regel, wonach ich ihn konstruieren soll. Ich habe meine Anschauung gefasst heißt: Ich habe sie so auseinandergelegt, wie ich sie bei nächster Gelegenheit wieder zusammenzusetzen mir vornehme. Nun erst habe ich sie. Denn als Begriff ist er aus dem Zeitverlauf ausgeschieden, er ist 'im Raum' verfügbar geworden wie ein Rechenchip. Ich kann mit ihm operieren, ohne meine Einbildungskraft neu bemühen zu müssen; die vertrüge nämlich keine (Re-) Konstrukti- onsvorschrift

Empirisch handelt es sich wohl um den Akt der Digitalisierung. Jedoch: Die Transzendentalphilosophie be- schreibt nicht einfach, was geschieht, sondern will seinen Sinn deuten. Das ist kein bloßes Übersetzen aus der einen Sprache in die andere. Es ist - übrigens in beiden Richtungen - mehr als das.

Und nie vergessen: Wir treten in der Wissenschaftslehre aus der Vorstellung nie hinaus. Sie bleibt überall im- manent, sie ist Selbstaufklärung des Vorstellens. (Aber außerhalb des Vorstellens ist nichts weiter. - Oder alles, was es gibt, gibt es in der Vorstellung und durch die Vorstellung. Was ich mir nicht vorstellen kann, kann ich mir nicht einmal vorstellen.)


 

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