Dienstag, 19. Januar 2016

In Verlegenheit.

natur-portrait

Die Transzendentalphilosophie kommt immer in Verlegenheit, wenn eine positive Wissenschaft Ergebnisse zu Tage fördert, die so aussehen, als könnten sie auf einen ihrer eigenen Begriffe passen. Wenn nämlich empiri-sche Forschung dasselbe herausfinden kann wie die Transzendentalphilosophie, dann ist letztere überflüssig – denn die empirische Forschung ist es jedenfalls nicht und war früher da.

Zum Glück passiert so etwas in der Regel nur ex negationem. Als etwa die Hirnforschung herausfand, dass es in unserm Zentralorgan keinen Homunculus, keinen obersten Steuermann gibt, sagte sie ja nur, was nicht ist: Das Ich ist keine Substanz; doch nicht etwa, das Ich sei lediglich transzendental – davon wusste sie ja gar nichts.

Andererseits wäre die Transzendentalphilosophie buchstäblich gegenstandslos, wenn sie nicht von etwas Wirkli-chem handelte. Allerdings beschreibt sie das Wirkliche nicht so, wie es ist; das ist ja Sache positiver Wissen-schaft (und taugt immer soviel, wie es sich technisch verwerten lässt). Sondern so, wie es in unserm Bewusst-sein vorkommt, als das, was es bedeutet – doch auch nur für die, die nach Bedeutung fragen, weil sie danach ihr Leben führen müssen. Wenn also beide dieselben Gegenstände haben, tun sie doch je etwas vollkommen ande-res.

*

Ich bin nun auf meiner Suche nach der Herkunft unseres poietischen, wertnehmenden und -setzenden Vermö-gens auf ein empirisches Resultat gestoßen, das, wenn es in weiterer Forschung bestätigt wird, seine Bedeutung sozusagen biologisch eingeprägt in sich trägt. 

Es ist Ernst Pöppels hirnphysiologische Hypothese von der Einbildungskraft.

Die Versuchung ist natürlich groß, hier das missing link zu feiern, das ungeahnte Zwischenstück, das biologische Anthropologie und Transzendentalphilosophie in einander – in beide Richtungen – übergehen lässt.

Und was bin ich froh, dass es das Internet gibt und ich hier bloggen kann! Ich kann meine Versuchung vor aller Welt (soweit sie mich anklickt) zum Besten geben, und muss mich doch nicht darauf festnageln lassen. Das wäre in Gutenbergs Reich nicht möglich gewesen.






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