Dienstag, 27. Dezember 2016

Was darf sich Philosophie nennen?



Dem vernünftigen Bewusstsein - fast ist das eine Tautologie - erscheint die Welt als ein virtuell geschlossenes System von Begriffen, die einander wechselseitig bestimmen, indem sie ihre jeweiligen Geltungsbereiche gegen- einander eingrenzen: definieren. Dieses System ist entstanden und vervollständigt sich weiter durch den Gebrauch; die Bedeutung der Wörter ist ihre Verwendung im Sprachspiel. 

Doch geschlossen ist es erst virtuell. Reell stößt die Verwendung im Sprachspiel immer wieder auf Lücken: Die müssen geschlossen werden durch das Einpassen in die Leerstellen, die das Sprachspiel bislang frei gelassen hatte; einpassen so, dass bisherige Definitionen gegebenenfalls justiert werden müssen. (Ist ein ganzer Komplex von Bedeutungen berührt, geschieht ein sogenannter 'Paradigmenwechsel'.) Die - quasi transzendentale - Prä- misse bleibt unberührt: Das System ist intakt. Es geht immer nur darum, es auszufüllen.

Denn nur, wenn der Rahmen gewahrt bleibt, ist es überhaupt ein System; nur dann kann erwartet werden, dass aktuell auftretende Lücken von uns gewiss gefüllt werden können, weil sie an sich schon gefüllt sind.

*

Das gilt freilich nur für die Begriffe. Wenn das System geschlossen ist, gelten die Begriffe an sich. Oder anders, wenn die Begriffe an sich gelten sollen, muss ich mir das System als geschlossen vorstellen.

Rationell sollte ich aber gar nicht vom System der Begriffe - oder "der Welt" - ausgehen. Rationell muss ich mich an das halten, was ich weiß, und was ich weiß, ist lediglich das, was in meinem Wissen vorkommt. Tautologisch? Nicht, wenn ich mir klarmache, dass in meinem Wissen nichts anderes vorkommt als meine Vorstellungen. Dass ich mir (etwas) vorstelle, ist nun das einzige, das ich nicht bezweifeln kann (weil anders ich auch das Bezweifeln bezweifeln - und gleich wieder aufhören müsste, nachdem ich kaum angefangen habe). 

Wenn ich zugeben muss, dass ich vorstelle, muss ich annehmen, dass ich es konnte; ich meine: muss, sonst wäre gleich wieder Schluss. Wenn ich es ohne eine andere Voraussetzung konnte - und das muss ich annehmen, denn ich habe keine weitere Voraussetzung gemacht -, dann muss ich annehmen, dass ich es ohne Voraussetzung können werde; es sei denn, ich stelle mir selber Dinge vor, die zu Voraussetzungen werden, die mich am Fort- schreiten hindern. 

Vorstellen ist, nach Fichte, Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten. Annehmen musste ich: ein Ver- mögen dazu. Das heißt konventionell Ich. Es ist selber nicht bestimmt: Das könnte es erst selber besorgen. Wie? Indem es sich Etwas vorstellt. Ist es bestimmt? Das wird man sehen: Lässt es sich bestimmen? Dann kann  ich fortschreiten; wenn nicht, dann wäre - hier wiederum Schluss.

Wenn das richtig ist, dann kann das Bestimmen kein Ende finden - und das Bestimmbare schon gar nicht. Denn anders würde die ganze Kette hinfällig, und ihre Prämisse, ihr erstes Glied: dass Ich Unbestimmtes zu bestimmen vermag. Das System, das ich mir allenfalls vorstellen kann, ist ein System in processu, ein unabge- schlossenes System.

Und wer immer diese Prämisse bestreiten wollte - dass ich zu bestimmen vermag -, wird doch jene andere Prä- misse - jene andere Seite der Prämisse -, dass es Unbestimmtes gibt, nicht bestreiten können. Das System meiner Vorstellung kann gar nicht abgeschlossen werden; und mit jedem weiteren Fortschritt des Bestimmens kann - mag? soll? - eine rückwirkende Umbestimmung der gesamten Kette geschehen.


Summa: Von Einem lässt sich schlechterdings, bei gutem und bei schlechem Willen, nicht abstrahieren: dass es in der Welt, wie immer wir sie uns denken, teils Bestimmtes, teils Unbestimmtes gibt. Ein Denken, das sich dar- auf keinen Reim zu machen weiß, soll sich nicht Philosophie nennen.
















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Sonntag, 25. Dezember 2016

Begriffe sind wie Schachfiguren.


  norwegisch, 12. Jhdt.
 
Begriffe sind wie Schachfiguren. An sich mögen sie sonstwas bedeuten. Aber solange keiner Schach spielt, sind sie bloß Schnitzwerk. 

Es hat einmal einer gesagt, die Bedeutung der Wörter sei ihre Verwendung im Sprachspiel. Er hat nicht be- dacht, wie viele Voraussetzungen in diesem einen Satz stecken.



Freitag, 23. Dezember 2016

Dogmatische und kritische Philosophie.


 
Die begründende Frage (sic) aller Metaphysik lautet: Was kann ohne alle Bedingung sein? 
Da bleibt das An-sich mit sich allein; der Fragende kann dort nicht einmal anklopfen.

Die begründende Frage (resic) der Transzendentalphilosophie lautet: Was kann ohne alle Bedingung gelten?
Da ist von vornherein der, der fragt, mit im Spiel: Nur für ihn kann etwas gelten. Da muss er zu suchen an- fangen: Woher? und Wozu? So findet sich auch das Was.





 
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Dienstag, 20. Dezember 2016

...bei deinem Leisten.


 
Das Labor ist nicht die Wirklichkeit, sondern künstlich wie eine Theaterkulisse. Wirklich ist, was erscheint. Wirklich ist, dass die Sonne morgens im Osten aufgeht und abends im Westen untergeht. Ich kann es bezeu- gen, ich habe es selber gesehen.

Rein wissenschaftlich gesehen, ist leben Stoffwechsel und Fortpflanzung. Das lässt sich in unendlich viele biochemische Mikroprozesse auflösen. Was leben "wirklich ist", wird sich dabei aber nicht erfahren lassen.

Der Philosophie wurden vor zweieinhalb Jahrhunderten von Kant ihre Grenzen gezogen. Dass sie sie über- schritte, kann man der gegenwärtigen Philosophie nicht vorwerfen; eher schon, dass sie sie nicht einmal aus- füllt.

Hat der Naturwissenschaft je einer ihre Grenzen gezeigt? Hirnforschung, Molekularbiologie, Mikro- und Mak- rophysik - nirgends genieren die Forscher sich zu spekulieren, und manch einer wartet dazu nicht einmal den Tag seiner Emeritierung ab. 


aus Weltschaum

Sonntag, 18. Dezember 2016

Modell, Schema, Begriff.



Das theoretische Modell. 

Das theoretische Modell ist dazu da, in einer Sache ihren Sinn freizulegen. Wenn man sieht, wie sie funktioniert und welche Resultate sie erbringt, wenn man Kontingenz ausscheidet und sie auf sich selbst reduziert, so mag man darin einen Zweck erkennen, der sich mit den Zwecken vergleichen lässt, die man selber verfolgt: Danach wird man die Sache bewerten.

Wenn dies nicht die Absicht ist, wenn man nicht bewerten und verwerten will, und sei es zu Erkenntniszwek- ken, kann man kein Modell entwerfen.

Merke: Ohne eine solche Absicht lässt sich eine Sache gar nicht als 'sie selbst' bestimmen; nicht unterscheiden, was dazu gehört und was kontingent ist.


26. 10. 16


Theorie und Praxis. 

Ein Schema ist ein Funktionsmodell. 
Wozu etwas funtionieren soll, ist, worauf es ankommt. 

Ob oder ob nicht ist ein technisches Detail.

11. 12. 16



Das Schema ist ein praktisches Ding. 

Im Schema wird von allem abgesehen, was nicht zum Wesen der Sache gehört. 
Was ist das Wesen der Sache? 
Dasjenige an ihr, worauf ich es jeweils abgesehen habe. 

Im Schema fallen Abstraktion und Reflexion zusammen. 
Denn merke: Das Schema ist ein praktisches Ding (und so ist das Wesen der Sache).

10. 12. 16



Schema und Hermeneutik. 

Die Wissenschaftslehre ist das Schema – modern: theoretische Modell – eines tatsächlichen Denkens, sofern es als vernünftig gelten soll. Aber das ist erst die halbe Miete; bleibt immer übrig das hermeneutische Problem, ein tat- sächliches Denken so zu deuten, dass es dem Modell entspricht; oder eben nicht.

Mit andern Worten,  die Wissenschaftslehre ist nach ihrem Abschluss so kritisch wie an ihrem Anfang.

8. 1. 16


Der Begriff einer Sache. 

Der Begriff einer Sache ist ein Schema all dessen, wozu man sie brauchen zu können meint. 
So ist er entstanden, so hat er Bestand. Doch mal fasst er zu wenig und mal zuviel.

8. 12. 16. 




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Freitag, 16. Dezember 2016

Das Mysterium des Anfangs.



Wenn ich jetzt (zum Beispiel) völlig frei und ohne den nothwendig bestimmenden Einfluß der Naturursachen von meinem Stuhle aufstehe, so fängt in dieser Begebenheit sammt deren natürlichen Folgen ins Unendliche eine neue Reihe schlechthin an, obgleich der Zeit nach diese Begebenheit nur die Fortsetzung einer vorherge- henden Reihe ist. 

Denn diese Entschließung und That liegt gar nicht in der Abfolge bloßer Naturwirkungen und ist nicht eine bloße Fortsetzung derselben; sondern die bestimmenden Naturursachen hören oberhalb derselben in Anse- hung dieses Eräugnisses ganz auf, das zwar auf jene folgt, aber daraus nicht erfolgt und daher zwar nicht der Zeit nach, aber doch in Ansehung der Causalität ein schlechthin erster Anfang einer Reihe von Erscheinungen genannt werden muß.
___________________________________________________________________________

Kant, Kritik der reinen VernunftB 478 Akademie-Ausgabe: Die Antinomie der reinen Vernunft: Anmerkung zur dritten Antinomie, S. 312

 
Nota. – Nun wird zu Recht eingewandt: Ab er dass du aus deinen Entschlüssen die 'Naturwirkungen' überhaupt ausschließen kannst, wird ja gerade bestritten! Was du für deinen freien Willen hältst, ist nichts als die Summe von Eindrücken, die von außen auf dein Gemüt wirken. – Geht es um eine Frage der Psychologie? Die hat ihre eigenen Verfahren und ihre eigenen Maßstäbe. Philosophisch ist entscheidend: Die äußeren Eindrücke wirken nicht unmittelbar bestimmend auf die Handlung, sondern verwandeln sich zuerst in Motive. Der Philososoph sagt: Das Motiv muss ich zuerst zu meinem machen, ehe es mein Handeln bestimmen kann; aber das kann ich ja unterlassen! Kommt sogleich der Einwand: Das ist ein schlechter Zirkel! Mit dem Ich begründest du die Frei- heit der Wahl, aber die Freiheit der Wahl brauchst du, um einen Begriff vom Ich überhaupt erst zu begründen.

So steht es immer ex aequo, hängt, welche Philosophie man wähle, wirklich davon ab, was man für ein Mensch ist?

Was haben wir für ein Glück, dass an dieser Stelle ganz wider ihre Gewohnheit die experimentelle Seelenkunde der Philosophie unter die Arme greift: Im Gehirn entsteht zwischen dem Moment, in dem sich das sog. Bereit- schaftspotenzial gebildet hat  das womöglich restlos durch äußere Eindrücke geprägt war –, und dem Moment, in dem die Entscheidung wirklich fällt, eine Pause von rund einer Fünftelsekunde: Es ist die Zeit, in der das Ge- hirn zögert und verschiedenen Möglichkeiten erwägt. Solange könntet es zu den Anmutungen des 'Bereit- schaftspotenzials' nein sagen – und nochmal von vorn anfangen. Und wenn es nichts anderes gäbe – diese Fünftelsekunde ist der empirische Beweis, dass es eine Freiheit der Willensentscheidung gibt. Ein ganz andere Frage ist, ob ein jeder davon Gebrauch machen will.
JE

9. 12. 15 



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Montag, 12. Dezember 2016

Freiheit ist eine bloße Idee.



Denn wir können nichts erklären, als was wir auf Gesetze zurückführen können, deren Gegenstand in irgend einer möglichen Erfahrung gegeben werden kann. 

Freiheit aber ist eine bloße Idee, deren objektive Realität auf keine Weise nach Naturgesetzen, mithin auch nicht in irgend einer möglichen Erfahrung, dargetan werden kann, die also darum, weil ihr selbst niemals nach irgend einer Analogie ein Beispiel untergelegt werden mag, niemals begriffen, oder auch nur eingesehen werden kann. Sie gilt nur als notwendige Voraussetzung der Vernunft in einem Wesen, das sich eines Willens, d.i. eines vom bloßen Begehrungsvermögen noch verschiedenen Vermögens (nämlich sich zum Handeln als Intelligenz, mithin nach Gesetzen der Vernunft, unabhängig von Naturinstinkten, zu bestimmen), bewußt zu sein glaubt. 

Wo aber Bestimmung nach Naturgesetzen aufhört, da hört auch alle Erklärung auf, und es bleibt nichts übrig, als Verteidigung, d.i. Abtreibung der Einwürfe derer, die tiefer in das Wesen der Dinge geschaut zu haben vorgeben, und darum die Freiheit dreust vor unmöglich erklären. Man kann ihnen nur zeigen, daß der vermeintlich[96] von ihnen darin entdeckte Widerspruch nirgend anders liege, als darin, daß, da sie, um das Naturgesetz in Ansehung menschlicher Handlungen geltend zu machen, den Menschen notwendig als Erscheinung betrachten mußten, 

und nun, da man von ihnen fodert, daß sie ihn als Intelligenz auch als Ding an sich selbst denken sollten, sie ihn immer auch da noch als Erscheinung betrachten, wo denn freilich die Absonderung seiner Kausalität (d.i. seines Willens) von allen Naturgesetzen der Sinnenwelt in einem und demselben Subjekte im Widerspruche stehen würde, 

welcher aber wegfällt, wenn sie sich besinnen, und, wie billig, eingestehen wollten, daß hinter den Erscheinungen doch die Sachen an sich selbst (obzwar verborgen) zum Grunde liegen müssen, von deren Wirkungsgesetzen man nicht verlangen kann, daß sie mit denen einerlei sein sollten, unter denen ihre Erscheinungen stehen.
__________________________________________________
I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, A/B 121


Nota. - Intelligenz ein "Ding an sich"? Aber ein Ding an sich ist Noumenon; wie die Freiheit selber ein reines Gedankending, das lediglich anzunehmen ist, um in den Phänomenen einen Sinn erkennen zu können.

Lediglich? "... daß hinter den Erscheinungen doch die Sachen an sich selbst (obzwar verborgen) zum Grunde liegen müssen, von deren Wirkungsgesetzen man nicht verlangen kann, daß sie mit denen einerlei sein sollten, unter denen ihre Erscheinungen stehen"! Da hält er sich doch wieder eine Hintertür auf: Was von vorn (im Auge des Menschen) als Freiheit erscheint - nämlich im Handeln - , ist von hinten (im Auge einer höheren Intelligenz?) vielleicht doch in einem verborgenen Wirkungsgesetzt begründet...

Und das ist eine von den vielen Stellen, wo wir uns darin erinnern, dass er "das Wissen aufheben" wollte, "um zum Glauben Platz zu schaffen". Mit andern Worten: Das, was an seinem Ding-an-sich mehr wäre als bloßes Noumenon, gehörte in die Theologie; in der Philosophie hat es nichts zu suchen, und deswegen bleibt er an der Stelle auch stets im Konjunktiv.
JE








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Sonntag, 11. Dezember 2016

Theorie und Praxis.



Ein Schema ist ein Funktionsmodell. 
Wozu etwas funtionieren soll ist, worauf es ankommt. 
Ob oder ob nicht ist ein technisches Detail. 




Samstag, 10. Dezember 2016

Das Schema ist ein praktisches Ding.


ulrich-rapp
 
Im Schema wird von allem abgesehen, was nicht zum Wesen der Sache gehört. 
Was ist das Wesen der Sache? 
Dasjenige an ihr, worauf ich es jeweils abgesehen habe. 

Im Schema fallen Abstraktion und Reflexion zusammen. 
Denn merke: Das Schema ist ein praktisches Ding (und so das Wesen der Sache). 


Nachtrag, 31. 1. 17

Das muss man sich klarmachen: Eine Schere zum Beispiel ist, für sich betrachtet, auch nur ein Schema; das Schema einer Handlung: des Schneidens. Zu einer wirklichen Schere wird sie erst, wenn einer mit ihr schneidet. Wenn er sie aber als Briefbeschwerer verwendet, ist sie ein Briefbeschwerer.


Donnerstag, 8. Dezember 2016

Der Begriff einer Sache.


 
Der Begriff einer Sache ist ein Schema all dessen, wozu man sie brauchen zu können meint.
So ist er entstanden, so hat er Bestand. Doch mal fasst er zu wenig und mal zuviel.









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Montag, 28. November 2016

Primat des Praktischen.


supervisionswerkstatt

Wenn dein einziges Werkzeug ein Hammer ist, wird dir jedes Problem als ein Nagel vorkommen.
 

Mark Twain
(zugeschrieben) 




Samstag, 26. November 2016

Erhaben ist das schlichtweg Unangemessene.


El Capitán. Yosemite valley

Die obige Erklärung kann auch so ausgedrückt werden: Erhaben ist das, mit welchem in Vergleichung alles andere klein ist. Hier sieht man leicht: daß nichts in der Natur gegeben werden könne, so groß als es auch von uns beurteilt werde, was nicht in einem andern Verhältnisse / betrachtet bis zum Unendlichkleinen abgewürdigt werden könnte; und umgekehrt, nichts so klein, was sich nicht in Vergleichung mit noch kleinem Maßstäben für unsere Einbildungskraft bis zu einer Weltgröße erweitern ließe. Die Teleskope haben uns die erstere, die Mikroskope die letztere Bemerkung zu machen reichlichen Stoff an die Hand gegeben.

Nichts also, was Gegenstand der Sinnen sein kann, ist, auf diesen Fuß betrachtet, erhaben zu nennen. Aber eben darum, daß in unserer Einbildungskraft ein Bestreben zum Fortschritte ins Unendliche, in unserer Vernunft aber ein Anspruch auf absolute Totalität, als auf eine reelle Idee liegt: ist selbst jene Unangemessenheit unseres Vermögens der Größenschät- zung der Dinge der Sinnenwelt für diese Idee die Erweckung des Gefühls eines übersinnlichen Vermögens in uns; und der Gebrauch, den die Urteilskraft von gewissen Gegenständen zum Behuf des letzteren (Gefühls) natürlicher Weise macht, nicht aber der Gegenstand der Sinne, ist schlechthin groß, gegen ihn aber jeder andere Gebrauch klein. Mithin ist die Geistesstimmung durch eine gewisse die reflektierende Urteilskraft beschäftigende Vorstellung, nicht aber das Objekt erhaben zu nennen. 

Wir können also zu den vorigen Formeln der Erklärung des Erhabenen noch diese hinzutun: Erhaben ist, was auch nur denken zu können ein Vermögen des Gemüts beweiset, das jeden Maßstab der Sinne übertrifft.
___________________________________________________________
I. Kant, Kritik der Urteilskraft, § 25, [S. 170f.]


Freitag, 18. November 2016

Warum gibt es etwas, statt dass es nichts gibt?



Wir wissen gar nicht, dass es etwas gibt. Wir wissen nur, dass etwas in unserer Vorstellung vorkommt, und können erklären, weshalb wir annehmen müssen, dass dem in unserer Vorstellung etwas außer unserer Vor- stellung entspricht.

Könnte in unserer Vorstellung nichts vorkommen - und wir müssten annehmen, dass dem außer unserer Vorstellung nichts entspricht? Wir können uns nicht vorstellen, dass wir uns nichts vorstellen können. Wenn wir vorstellen, müssen wir etwas vorstellen.

Das Wissen kann von sich nicht abstrahieren. Vielleicht, wenn es ein Ding wäre; es ist aber eine Tätigkeit.






Donnerstag, 10. November 2016

Leibniz.




Zum 300. Todestag von Gottfried Wilhelm Leibniz am kommenden Montag brigt die Wiener Presse heute einen langen Beitrag zu dessen Bedeutung als letzter Universalgelehrter.

Das war mir Anlass, besonders an Leibniz als Philosophen zu erinnern:

 
Leibniz wird bis heute von Mathematikern und Physikern als einer ihrer Ahnherren reklamiert. Für den Philo- sophen Leibniz ist das ein Pech, denn der geriet dadurch beim großen Publikum in Vergessenheit. Seine Bedeu- tung für die Philosophie ist aber kaum zu überschätzen. Das rationalistische metaphysische System, das Kant mit seiner Kritik der reinen Vernunft zu Fall brachte, stammte im Wesentlichen von ihm.

Es ging aber nicht, wie die seitherige Philosophiegeschichte vermuten lässt, auf den Ideenrealismus Platos zurück, sondern in Gestalt der Leibniz'schen Monaden auf die (eigentlich animistische) Vorstellung von der Entelechie, die Aristoteles formuliert hatte. Da s macht einen gewaltigen Unterschied. Die scholastischen Nominalisten,* die als die Begründer des neuzeitlichen Denkens gelten können, waren Anhänger des Aristoteles und entschiedene Gegner Platos. Auf sie beriefen sich aber nicht nur Leibniz und seine Epigonen Wolff und Baumgarten, son- dern auch... alle Materialisten!


Und während die Spuren, die Platos Ideen immer wieder im Denken auch gegenwärtiger Philosophierer hinter- lassen, ohne weiteres auf den ersten Blick zu erkennen und kenntlich zu machen sind, treiben die Entelechien im (monado-) Logischen Atomismus der gegenwärtigen Analytischen Philosophie unerkannt und ungerügt ihr fröh- liches Unwesen, bloß weil... Leibniz als Philosoph in Vergessenheit geraten ist. 

Dem wäre abzuhelfen.



*) ['Wirklich ist immer nur das je-Einzelne; alle Vergleichung und Verallgemeinerung ist Zutat des Denkens - bloßer Name.']

Sonntag, 6. November 2016

Worauf es im Leben ankommt.



…auf das Wahre? 
  
Aber was wäre am Wahren besser als das Falsche – es sei denn, es ließe sich im praktischen Leben besser zu sachlich Nützlichem verwerten? 

…auf das Gute?
 
 

Aber was wäre am Guten besser als das Schlechte – es sei denn, wer Gutes tut, der könnte auch hoffen, dass Andere ihm Gutes täten? Also besser als seine soziale Nützlichkeit?

…auf das Schöne?
 
Das muss es sein! Denn es teilt, unerachtet aller Nützlichkeiten, dem Wahren und dem Guten diese seine besondere Qualität mit: dass sie alle 'ohne Interesse gefallen'.



Samstag, 5. November 2016

“Ich weiß nichts.”


Johann Gottfried Schadow, Sokrates im Kerker

Der Satz 'ich weiß nichts' ist offenbar ein Widerspruch in sich. Er setzt sich aus zwei Aussagen zusammen: 1) Ich weiß etwas; und 2) dieses Etwas ist Nichts. Doch wenn Nichts nichts ist, kann ich davon nicht Etwas wissen. Wir wissen immer entweder Etwas, oder wir wissen Etwas nicht. Schon die Kinder wenden ein: Wenn ich Nichts weiß, dann weiß ich zumindest Dieses. Nämlich mindestens, was Wissen ist! Aber dann darf ich nicht mehr sagen, dass ich das nicht weiß. Wissen und Nichtwissen sind logisch nicht gleichrangig; nicht 'gleich-ursprünglich'. Dass 'Wissen ist', ist allezeit vorausgesetzt. Es "kommt vor", dass ich nicht weiß, was dieses oder jenes ist; aber das weiß ich. Der Gegenpol zu Wissen ist nicht Nichtwissen, sondern Fragen.

Dass wir 'etwas wissen', ist eine empirische Tatsache, oder eine phänomenale Gegebenheit; es "kommt vor"… Unsicherheit besteht darüber, was mit 'Etwas' bezeichnet ist, und darüber, was mit 'Wissen' bezeichnet ist. Aber das sind nicht zwei verschiedene Unsicherheiten, sondern ein und dieselbe. 'Etwas' kommt nur im Wissen vor, und 'Wissen' kommt nur als Wissen von Etwas vor. Wenn nicht das eine, dann auch nicht das andre.

12. 2. 14

Dienstag, 1. November 2016

"Denken ist das Überprüfen von Prognosen."



Am 27. 10. veröffentlichte Manuela Lenzen in der Neuen Zürcher einen ausführlichen Bericht über die neue kognitionspsycholigsche Schule des Predictive Coding, die auf den britischen Neurowissenschaftler Karl Friston zurückgeht. Danach bestünde unsere höhere Hirntätigkeit im wesentlichen nur aus dem Prüfen und Korrigieren von Prognosen.

Sie schließt ihren Beitrag mit der skeptischen Wendung: «'Bevor diese Theorie erklären kann, wie höhere Kognition entsteht, muss sie noch viel spezifischer werden.' – Vielleicht zeigt sich dann indes, dass wir im Oberstübchen ja doch noch etwas mehr tun, als immerzu nur Prognosefehler zu korrigieren.»

Das habe ich kommentiert:

Na selbstverständlich tun wir im Oberstübchen noch etwas mehr, als immerzu nur Prognosefehler zu korri- gieren. Nämlich Prognosen entwerfen. Die kämen von allein durch die Erfahrung auf uns zu? Aber die Erfah- rung bestand in der Korrektur von Prognosefehlern. 

Man kann es drehen und wenden wie man will: Um die Annahme einer Allerersten Prognose kommen wir nicht herum. Damit Erfahruungen überhaupt gemacht werden können, müssen nicht nur die Instrumente - Kants Apriori - 'zuhanden' sein, sondern ein vorgä ngiger Sinnentwurf: Fichtes Tathandlung.

Wenn nun das Predictive Coding ideengeschichtlich bis auf J. F. Herbart (und mit ihm auf die englische Assoziati- onspsychologie)zurückgeführt wird, sollte nicht vergessen werden, dass Herbart bei J. G. Fichte in der philoso- phischen Lehre war. Ein früh und entschieden abtrünniger Schüler zwar, aber es hat ihn nicht gehindert, sich am Material der Fichte schen Philosophie reichlich zu bedienen (wie später auch Schopenhauer). 

Hier ist es der Primat des Praktischen in all unserer Vorstellungstätigkeit; ihrer Intentionalität und Gerichtet- heit: 'Wollen', 'Streben', 'Trieb'. Das (lediglich zum Behuf der Erklärung angenommene) 'Ich' ist ursprünglich schlechthin handelnd, aber es handelt nicht nur 'einfach so', sondern immer um zu....

Wenn m an also sucht, mit welcher Philosophie sich die neue Psychologie am besten verträgt, muss man nicht weit gehen, es reicht ein Klick zu meinem Blog





Donnerstag, 27. Oktober 2016

Positio und negatio, oder: Gibt es denn Wahrheit?


 
Wahr kann offenbar kein Ding oder Sachverhalt sein, sondern lediglich das Verhältnis meiner Vorstellung zu ihm. Die Frage, ob es Wahrheit der Vorstellung geben könnte, setzt also voraus, dass ich mir von der Wahrheit der Vorstellung eine Vorstellung bereits gemacht habe; ich kann also nicht mehr fragen, ob das möglich war. Ich kann immer nur fragen, ob diese Vorstellung wahr ist.

Mit andern Worten, positio und negatio sind nicht logisch gleichrangig - und daher ontologisch schon gar nicht.

(Ein Ding wird nicht gesetzt. Es wird vorgefunden. Das Vorgefundene wird bestimmt. Bestimmen heißt: Setzen seiner Bedeutung. Bedeutung ist kein Sachverhalt, sondern ein idealer Akt. Ein idealer Akt muss als ein solcher gesetzt worden sein, bevor er negiert werden kann. Es gibt den Modus ponens ohne darauffolgenden Modus tollens, aber keinen Modus tollens ohne vorangegangenen Modus ponens.)


Mittwoch, 26. Oktober 2016

Das theoretische Modell.




Das theoretische Modell ist dazu da, in einer Sache ihren Sinn freizulegen. Wenn man sieht, wie sie funktioniert und welche Resultate sie erbringt, wenn man Kontingenz ausscheidet und sie auf sich selbst reduziert, so mag man darin einen Zweck erkennen, der sich mit den Zwecken vergleichen lässt, die man selber verfolgt: Danach wird man die Sache bewerten.

Wenn dies nicht die Absicht ist, wenn man nicht bewerten und verwerten will, und sei es zu Erkenntniszwek- ken, kann man kein Modell entwerfen.

Merke: Ohne eine solche Absicht lässt sich eine Sache gar nicht als 'sie selbst' bestimmen; nicht unterscheiden, was dazu gehört und was kontingent ist.

Montag, 24. Oktober 2016

Das Sittengesetz gebietet nur negativ.


Judas
 
Es ist doch merkwürdig - in seiner Wirklichkeit gebietet das Sittengesetz immer nur negativ: Tu nicht dies, lasse dies nicht zu, weil du sonst Schuld auf dich lädst.

Wie könnte das positiv denn lauten? Tu dies, damit... ? Damit du nicht seist wie jene? So gebietet nicht das Sittengesetz, sondern der Hochmut der Pharisäer.

Auch in seinen besten Momenten sagt das Sittengesetz noch: Unterlasse nicht, ...

Das radikal Böse im Menschen sei seine Fähigkeit, nicht zu tun, was er als seine Pflicht erkannt hat, sagt Kant. Praktisch ist es aber umgekehrt. Es ist seine Fähigkeit, zu tun, was er als schuldhaft erkannt hat. Kriterium der Sittlichkeit ist nicht die Pflicht, sondern die Schuld. Nämlich Dinge für möglich zu halten, die schwerer wögen.





Sonntag, 23. Oktober 2016

Zwei Arten, vom Begriff zu reden.



Ein Thema der gegenständlichen (reellen) Philosophie ist, wie und wozu die Begriffe zu verwenden sind.
Das ist nicht Sache der Transzendentalphilosophie. Die fragt, wie und woher Begriffe entstehen.






Dienstag, 18. Oktober 2016

Vernunft ist die Überkompensation eines Mangels.


Die Bedeutungen der Urwaldnische waren an den Erhaltungswert gebunden.
Der Mangel an Bedeutungen in der offenen Welt ist nicht an den Erhaltungswert gebunden.

aus e. Notizbuch, Frühjahr 2010


Das ist der Schlüssel zum Verständnis der Hominisation und der Schlüssel zum Mysterium der Vernunft. Nicht der Verstand ist das spezifisch Menschliche; tierische Intelligenzen reichen da nah heran. Hinzu kam die Fähigkeit, Zwecke zu setzen: wahrnehmen und wägen von Werten: Vernunft. 

Wertnehmen ist das Erfinden von etwas vorher-nie-Dagewesenem. In der Umwelt des Tieres gibt es nur einen Wert - Erhaltung; also keinen: von Werten kann erst die Rede sein, sobald ich wählen kann. Doch gegeben war nun auch der nicht mehr. Aber geführt werden musste das Leben, weil die 'Welt' in der Savanne offen war. Das war die Stunde der produktiven Einbildungskraft. Musste sie entstehen? Nein, aber sie konnte. Und dass die Familie Homo bis heute überlebt, bezeugt, dass sie entstanden ist.

31. 10 14

 

Freitag, 14. Oktober 2016

Analog anschauen, digital repräsentieren, II.


Uwe Steinbrich  / pixelio.de

Der analoge Modus ist der Modus der Anschauung. Er ist nicht "positiv": Positiv ist erst das Setzen eines Was als Dieses. Um das Erscheinende der Anschauung als ein Dieses zu fassen, bedarf es der Verneinung; determinatio est negatio. Es müsste gefasst werden als 'nicht-alles-Andere'. Das lässt sich nicht anschauen, weil es das Paradox einer 'unendlichen Menge' ist: Das Unendliche lässt sich nicht anschauen. Es muss verendlicht werden zu 'nicht-Dieses'. - Also ist das Was der Anschauung selber zu bestimmen: Das Dieses muss selber 'gefasst' werden: Es muss 'vorgestellt' werden; durch Negation, d. h. Übergang in den digitalen Modus. Die Vorstellung ist die (qua Negation) digitalisierte Anschauung. 

Das Tier kann anschauen, aber mangels Digitalisierung nicht vorstellen.

2. 11. 08

Nota. - Das ist realistisch zu verstehen, nicht transzendental: Das Was, von dem hier die Rede ist, ist ein Vorge- fundenes, kein Hervorgebrachtes.




Donnerstag, 13. Oktober 2016

In der Welt sein.



Altdorfer, Alexanderschlacht, Ausschnitt                                                                                         aus Über Ästhetik, Rohentwurf; 10.

Die Welt (wereld: dort, wo die Menschen sind) ist eher da als die "Umwelt"! Der Mensch ist nicht nur das einzige Lebewesen, das "Welt hat", sondern auch das einzige, das 'von Natur' keine Umwelt hat (hat Pleßner übersehen). Nämlich seit er seinen heimischen Regenwald verlassen und in die offene Savanne "übergelaufen" ist und eine vagante Lebensweise angenommen hat: Die Savanne ist ihm keine "Umwelt", ist keine "Nische" [er hat sich ihr nicht durch 'natürliche Zuchtwahl' evolutiv angepaßt], sondern der Weg zwischen den möglichen Nischen; Zwischenraum, in dem er sich immer nur vorübergehend niederläßt, aber nicht einrichtet! In ihr bleibt er immer "fremd", aber in unbestimmter Weise, weil er den bestimmenden Gegensatz "Zuhause" (noch) gar nicht (mehr) kennt. [Erste (?) Fixpunkte: die rituell genutzten und bemalten Höhlen! Auch erste "Kunst": Ästhetik jenseits der alltäglichen 'Welt'...] 

- Eine 'Umwelt', in die er 'hineinpaßt', weil er hinein gehört, muß er sich erst selber schaffen: Seßhaftigkeit, Acker- bau, Arbeit! Retour à la case départ: Dort, wo er arbeitet, ist die Welt bestimmt, oder immerhin bestimmbar. Was jenseits der Arbeit ("Praxis") liegt, läßt sich allenfalls betrachten ("Theorie"!); welches die ästhetische Anschau- ungsweise ist.
 
Die Vorstellung des positivistischen Jahrhunderts: den Raum der Arbeit ausdehnen, bis er mit den Grenzen der Welt zusammenfällt; "Entzauberung", sagt Max Weber. Die Welt aneignen: Zu meiner Umwelt fungibilisieren; "bestimmen". (DDR!)

Daniel Naumann, pixelio.de

Und was nicht-bestimmbar ist, läßt sich nicht ex ante definieren, sondern nur ex post praktisch erweisen, negativ: indem man das Bestimmen versucht und daran scheitert. Was das Ästhetische sei, "zeigt sich"... Zuerst war die Welt nur unbestimmt. Ihren Rätselcharakter gewinnt sie mit fortschreitender Bestimmung - als der widerständige Rest, caput mortuum; und der wird eo ipso immer bestimmter - als unbestimmt; d. h. als Rätsel...



Mittwoch, 12. Oktober 2016

Dienstag, 11. Oktober 2016

Wo der Geist herkommt.


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Die Besonderheit des Menschen ist es nicht, dass für ihn die Dinge neben ihrem Dasein in Raum und Zeit auch noch eine Bedeutung haben – das haben sie für die Tiere auch. Sondern dass er beides unterscheiden kann – und so die Bedeutung jenseits von Raum und Zeit und übersinnlich erscheint.  

Geist ist ein  Spaltprodukt. 

1. 13. 09

Sonntag, 9. Oktober 2016

Mit dem Kopf kommt man durch die Wand, womit denn sonst?


Matteo Pugliese

Mit dem Kopf kommt man durch die Wand, womit denn sonst?

Wenn dir einer was anderes sagt, glaub mir's, dann gehts ihm nicht um deinen Kopf, sondern um die Unver- sehrtheit der Wand. Du tust gut daran, ihn für einen Gegner zu halten.

Wenn man nicht mit dem Kopf zuerst durch war, wie will man die Schultern und all den Rest hinterherziehen? Im Kopf hast du die Schärfe und Findigkeit, die die schwachen Stellen erkennen und die deinen Händen und Füßen sagen, wohin sie hauen und treten sollen. Mit dem Kopf musst du durch die Wand, wozu hast du ihn denn?





Samstag, 8. Oktober 2016

Mit dem Kopf durch die Wand.



Objektiv, nämlich aus Sicht eines unbeteiligten Andern, sieht es so aus: Ich will mit dem Kopf durch die Wand, und das tut weh. 

Aber in meinem Bewusstsein geht es anders vor: Aus dem Schmerz schließe ich, dass da, wo ich mit dem Kopf durchwollte, eine Wand ist.

Das erste ist die Sicht des gesunden Menschenverstands, der mich von außen betrachtet. Das zweite ist die Sicht der Transzendentalphilosophie, die in mich hinein, hindurch und gewissermaßen hinter mich blickt.



Donnerstag, 6. Oktober 2016

Ist Sprache Natur oder Kultur?



Was immer Sprache sonst noch ist, sie ist auch ein artikuliertes System von Symbolen. Ein Symbol symbolisiert etwas, sonst ist es keins. Was ist dieses Etwas? Es ist die Bedeutung des Symbols. Ein Symbol gibt es nicht ohne Bedeutung. Aber gibt es Bedeutungen ohne Symbole? Aber ja, so ist es in unserm alltäglichen Denken. Bedeu- tungen scheinen auf im Gedankenstrom, verbinden sich mit den darauf folgenden zu neuen, komplexeren Be- deutungen, und so fort. Wenn ich nicht absichtlich darauf merke, ziehen sie an mir vorbei bis an den Punkt, 'auf den ich hinauswollte': das Denkergebnis. Wenn ich das erfassen, behalten und prüfen will, dann allerdings brauche ich ein Symbol. Erst das Symbol macht eine Bedeutung fungibel, und das bedeutet letzten Endes nichts weiter als: bedeutend, denn eine Bedeutung, mit der sich nichts anfangen lässt, ist keine.

Historisch wird es sich so zugetragen haben, dass sich Bedeutungen und ihre Wortsymbole in einem systemi- schen Prozess miteinander und auseinander entwickelt haben - das Ganze hat schließlich eine Vorgeschichte von einigen Millionen Jahren. Da ist die Frage, ob das Ei früher da war als die Henne, sinnlos. Aber genetisch ist die Antwort eine ganz andere: Sie mögen sich gleichzeitig und zusammen entwickelt haben; aber die Wort- symbole um der Bedeutungen willen, und nicht umgekehrt.

siehe:


Dienstag, 4. Oktober 2016

Reflektieren ist bilden.


uschi dreiucker, pixelio.de
 

Unterscheiden zwischen 'der Sache' und ihrer 'Bedeutung' ist Reflexion. Es setzt voraus, dass die Bedeutungen der Sachen nicht schlechterdings gegeben sind, sondern erfragt werden mussten. 

Die Emergenz der Reflexion ist also nicht verschieden von der Emergenz der Vorstellung selbst. Nämlich von der Anschauung, die von der Einbildungskraft als diese fixiert und ins Gedächtnis aufgehoben wurde. Die Vor- stellung verdoppelt die Sache zu einem Bild der Sache, das von ihr unterschieden und unter einem Zeichen archi- viert werden kann. Das wiedergefundene Bild bedeutet die Sache. 

Es handelt sich um ein und denselben Vorgang. Die verschiedenen Worte, mit denen wir ihn beschreiben, be- zeichnen verschiedene logische, aber nicht Zeitmomente - nicht eins nach dem andern, sondern je in dieser oder anderer Hinsicht.

Und ist der elementare Akt des Bildens einmal gelungen, lässt er sich prinzipiell allezeit wiederholen. Vom Bild lässt sich nun wiederum ein Bild machen, und immer so fort. Die Reflexion schläft nie. Sie schlummert höch- stens mal, aber sie ist immer dabei.


13. 9. 13

Nota. - 'Vorstellung' ist hier nicht ihrer unspezifischen transzendentalen Bedeutung gebraucht, sondern in einer realen und spezifischen.
JE



Montag, 3. Oktober 2016

Das Unmittelbare und das Verkehrte.


Aber ich bin auch in 'meiner' Welt nicht allein. Ich stehe von Anbeginn bis Schluss in Verkehr. Im Verkehr kann der Eine an die Stelle des Andern treten. Im Verkehr wird der Wechsel der Perspektiven habituell. Aus dem Verkehr erwachsen Abstände und Nähen, der Verkehr manifestiert Unterschiede und schafft Reflexion. Verkehr ist Vermittlung. In der Welt, die Verkehr ist, ist nichts unmittelbar. Genauer gesagt: In 'unserer' Welt ist nichts unmittelbar, ist alles nur 'vermittels…': Alles ist verkehrt. Das Unmittelbare kommt allein in 'meiner' Welt vor. In 'unserer' Welt kann ich es nur symbolisch vermittelt "zur Sprache bringen" – was in 'meiner' Welt gar nicht nötig ist. 

März 1, 2009