Dass die Philologen das philosophische Feld
beherrschen, ist für einen wie mich ärgerlich; aber es ist unver- meidlich.
Anders als zu Zeiten von Kant und Fichte ist Wissenschaft heute ein Betrieb. Das ist die Folge des
Übergreifens wissenschaftlicher Erkenntnisresultate auf das ganze Leben in der
industriellen Gesellschaft, und als solche war es nicht nur unvermeidlich,
sondern auch begrüßenswert.
Nur in ihrer philologischen
Bearbeitungsweise kann die Philosophie eine Erkenntnis- und Arbeits gemeinschaft sein. Sie können sich untereinander
nur über das austauschen, was allen geläufig ist. Nur so gibt es
prozessie- renden Zusammenhang. Wenn aber alle Philosophen Systematiker wären, müsste
jeder – anders geht’s ja nicht – annehmen, dass er erkannt hat, was keiner vor
ihm und keiner neben ihm eingesehen hat. Darauf müsste er bauen. Das
Verständigen mit Andern wäre ihm allenfalls ein persönliches – charakterliches,
temperamentliches – Bedürfnis, aber ein
sachliches Erfordernis wäre es nicht.
Damit ließe sich ein in Raum und Zeit
kontinuierlicher Betrieb nicht
unterhalten. In dem Maß, wie die Universi- täten nicht als isolierte Herde, sondern als akademisches Netz zur Stätte des Philosophierens
wurden, konnte nur das Philologische ihren Zusammenhalt gewährleisten.
Systematiker waren immer Eigenbrötler, je mehr einer beim Philosophieren
systematisiert, weil er wissen will, was wahr
ist, umso mehr isoliert er sich von allen andern. Dass ihm einer dreinredet,
stört ihn und lenkt ihn ab. Er braucht die andern als Spiegel und Resonanz- kisten; weniger
als Stichwortgeber und Besserwisser.
Will er die Folge nicht in Kauf nehmen,
darf er die Ursache nicht wählen. Und muss schlimmstenfalls seine Wahl
rückgängig machen: Noch jeder der Sache verschworene Philosophiestudent dürfte
als anmaßlicher Systematiker begonnen haben. Aber mit erfolgreichem Eintritt in
den akademischen Betrieb – und anders lässt sich Philosophie nicht zum Beruf
machen - bleiben es die wenigsten. Dass sie ihre anfängliche Wahl im Lauf der
Zeit tagtäglich ein bisschen revidiert und sich zu Philologen beschieden haben,
merken die wenigsten; mit dem Ergebnis, dass hartnäckige Systematiker zu
Außenseitern und Störern der Philosophie werden.
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