Johann Gottfried Schadow, Sokrates im Kerker
Der Satz 'ich weiß nichts' ist offenbar ein Widerspruch in sich. Er setzt sich aus zwei Aussagen zusammen: 1) Ich weiß etwas; und 2) dieses Etwas ist Nichts.
Doch wenn Nichts nichts ist, kann ich davon nicht Etwas wissen. Wir
wissen immer entweder Etwas, oder wir wissen Etwas nicht. Schon die
Kinder wenden ein: Wenn ich Nichts weiß, dann weiß ich zumindest Dieses.
Nämlich mindestens, was Wissen ist! Aber dann darf ich nicht mehr
sagen, dass ich das nicht weiß. Wissen und Nichtwissen sind logisch nicht gleichrangig; nicht 'gleich-ursprünglich'. Dass 'Wissen
ist', ist allezeit vorausgesetzt. Es "kommt vor", dass ich nicht weiß, was dieses oder jenes ist; aber das weiß ich. Der Gegenpol zu Wissen ist nicht Nichtwissen, sondern Fragen.
Dass
wir 'etwas wissen', ist eine empirische Tatsache, oder eine phänomenale
Gegebenheit; es "kommt vor"… Unsicherheit besteht darüber, was mit 'Etwas' bezeichnet ist, und darüber, was
mit 'Wissen' bezeichnet ist. Aber das sind nicht zwei verschiedene
Unsicherheiten, sondern ein und dieselbe. 'Etwas' kommt nur im Wissen
vor, und 'Wissen' kommt nur als Wissen von Etwas vor. Wenn nicht das
eine, dann auch nicht das andre.
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