Dienstag, 30. August 2016
Jedes hat seine Voraussetzung.
Für Begriffe gibt es Definitionen: eine Kombination von andern Begriffen, die jenen eingrenzen. Diese Begtiffe beruhen ihrerseits auf vorangegangenen Definitionen wie als auf ihren Voraussetzungen. Es ließe sich also ein Register erstellen, das alle Begriffe samt ihren Definitionen verzeichnet, sodass man zu einem jeden die Voraus-setzungen nur noch auszuzählen braucht - und aus allen Definitionen wiederum alle unfehlbar Begriffe rekon-struieren kann. (So etwa hat sich die Wolff-Baumgarten-Schule die Philosophie vorgestellt; und stellt sie sich anscheinend die zeitgenössische 'analytische' Richtung vor.)
Für Vorstellungen gibt es dagegen keine Definitionen, sie werden nicht durch ihre vorausgesetzten Nachbarn eingegrenzt, sondern wollen als Bilder jedesmal aufs Neue hervor gebracht sein; und gibt es schon gar nicht ein Register, in dem man nachschauen kann. Nun beruhen aber auch sie auf Voraussetzungen, nämlich Bildern, die in ihnen versteckt sind und die man in sie hinein schauen muss, um sie heraus zu finden. Man muss sie in jedem einzelnen Fall wieder neu vorstellen, sonst gibt es gar nichts zu erkennen.
Die Radikalform der Transzendentalphilosophie, Fichtes Wissenschaftslehre, knüpft nicht einen Begriff an den anderen, sondern entwickelt aus einer Vorstellung die darauf folgende, statt Definitionen gibt sie Anweisungen, wie man verfahren müsse, um die je gemeinte Vorstellung in sich selbst zustande zu bringen. Das wäre selbst dann mühsam, wenn es weniger ungewohnt wäre. Denn es erfordert nicht bloß Einbildung, sondern Einbil-dungskraft.
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