Dienstag, 6. Oktober 2015
Natur- und Geisteswissenschaft
Eine Wissenschaft X konstituiert sich prozessierend durch die stetige Vermittlung ihres Grundes mit ihrem Gegenstand. Natur- und Geisteswissenschaften unterscheiden sich dadurch, dass der Grund im einen Fall als positiv gegeben und im andern Fall als problematisch aufgegeben erscheint. Gemeinsam ist ihnen das kritische Prinzip: die fortlaufende Vermittlung.
Oktober 10, 2010
Der Grund in dem einen Fall sind Raum und Zeit (oder Raumzeit) und das regulative Prinzip von Ursache und Wirkung. Der Gegenstand wird frei gewählt durch Eingrenzung in Raum und Zeit. Vermittlung heißt: Die Schlinge immer enger ziehen.
Und im andern Fall? Der Grund kann nicht, wie in den Naturwissenschaften, im Material 'aufgefunden' wer-den. Das fängt damit an, dass das Material ja noch gar nicht identifiziert ist. Es wäre der Gegenstand zum Grund. 'Gefunden' werden könen immer nur Phänomene, die nicht in Raum und Zeit (oder der Raumzeit) liegen und nicht dem Prinzip von Ursache und Wirkung unterliegen. Das ist eine rein negative Bestimmung und setzt keine Grenze. So wenig wie nach außen, lässt sie sich nach innen bestimmen.
Bei Dilthey hieß es, Geisteswissenschaften sind jene, in denen sich der Mensch mit sich selbst beschäftigt. Gemeint ist natürlich nicht der Mensch als Subjekt von Stoffwechsel und Fortpflanzung, sondern als das Subjekt seiner Freiheit; der Mensch in specie.
Der Grund wäre die Freiheit und der Gegenstand wären die Handlungen aus Freiheit. Es sieht nicht aus, als ob man auf diesem Weg mit dem Bestimmen groß weiter käme. Freiheit ist nichts Bestimmtes, sondern die Fähig-keit zu bestimmen.
Es bleibt dabei, für den Hausgebrauch im akademischen Betrieb mag die Unterscheidung immer noch taugen, aber wo es wissenschaftlich wird - so in jedem einzelnen Grenzfall! -, ist sie unbrauchbar. Die Unterscheidung zwischen nomothetischen und idiographischen Fächer führt viel weiter. Meine obige Formulierung war bloß ein Wortspiel.
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