Vernunft nennen
wir die Annahme, dass es ein Urteilsvermögen gibt, welches als einem
Jeden („der menschliches Antlitz trägt“, sagt Fichte) in gleichem Maße
gegeben vorausgesetzt, und dessen Betätigung einem Jeden in gleichen
Maße zuzumuten ist.
Vernunft ist ein
Postulat, das sich selbst setzt und voraussetzt. Es ist eo ipso das
Postulat, dass zumindest in dieser einen Hinsicht „Alle gleich“ sind.
Das ist offenbar
zunächst nur eine formale Bestimmung. Welche die positiven Gehalte der
Vernunft seien, muss sich immer wieder erst im Zuge von deren Betätigung
erweisen: im argumentativen Verkehr eines Jeden mit Jedem.
Und dieser Verkehr heißt Öffentlichkeit.
Dass es sich nur
um Postulate handelt, bedeutet zugleich, dass sie nur problematisch
gelten, d. h. als immer wieder zu bewältigende Aufgabe. Ob es ‚wirklich
so ist’, muss sich allezeit im Vollzug erst noch bewähren. Vernunft gibt
es nur als self fulfilling prophecy – oder eben nicht.
*
Man sollte meinen,
dass es der Öffentlichkeit noch nie leichter gefallen ist, sich
herzustellen, als im Zeitalter der WorldWideWeb.
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