Marx und Fichte.
Exposé, im Februar 1987:
Über die logische Begründung der ‘Kritik der politischen Ökonomie‘ in der ‘Wissenschaftslehre’
A
Einleitung (Begründung des Themas) :
Objektives Subjekt, objektive
Dialektik…
B
Hauptteil
I. ‘Stellungnahme’ : der
transzendentale Standpunkt
II. ‘Darstellung’ : die
kritische Methode
1) der Wert — Wesen oder Form
2) “Realabstraktion”
3) der Stoff
4) ‘Arbeit’ — Substanz oder
Medium
5) die Formen des
’Arbeitsvermögens’
6) das Ganze oder das Allgemeine
7) kein Realsubjekt, keine
Realdialektik
III. ‘Historischer
Materialismus’ oder: die “Metakritik” der politischen Ökonomie
C
Schluß: der Primat des
Praktischen — die Aktualität der Revolution
*
A
Objektives Subjekt, objektive
Dialektik…
Bei
der Begründung meines Themas kann ich anknüpfen an M e r l e a u -P o n t
y s “Abenteuer der Dialektik”: Sein Argument, daß die Marx‘sche
Dialektik unvermeidlich in ihre Negation im Stalinismus hineinführe, entwickelt
er in der Kritik von G. Lukács‘ “Geschichte und Klassenbewußtsein“, das
er als die authentische Repräsentation der Marx’schen T h e o r i e
darstellt (während die ‘Praxis‘ authentisch repräsentiert sei in
Leo Trotzki …) Diese Kritik geht so:
Daß Lukács
die ‚Dialektik‘ aus der N a t u r entfernt und ausschließlich im
‘Subjekt’ begründet habe, sei p r a k t i s c h ohne Belang,
solange nämlich jenes Subjekt als objektiv s e i e n d
aufgefaßt werde: Denn wenn das Subjekt (=”Proletariat“) real g e g e b e
n sei, dann sei es auch die in ihm gründende Dialektik: ein
objektives G e s e t z — nicht der Natur, aber, was viel schlimmer ist,
der Geschichte; f r e i ist dieses ’Subjekt’ dann allerdings
nur noch nach Maßgabe seiner “Einsicht in die Notwendigkeit”; und da ja
diese ‘Notwendigkeit‘ ihrerseits o b j e k t i v ist,
nämlich in einem S e i n begründet, dann läßt sie sich auch
‘objektiv’ “erkennen” — l o s g e l ö s t vom ‘Subjekt‘, s t
e l l v e r t r e t e n d, durch den ‚kollektiven‘ Theoretiker:
DIE PARTEI …
Theoretisch
ausgedrückt: Der Fehler sei, daß Marx seine Dialektik auf den Standpunkt der
’emanatistischen‘ Logik H e g e l s gegründet habe (statt auf
den transzendentalen Standpunkt der kritischen Philosophie), indem er das
logisch zugrunde gelegte Subjekt als ein S e i n auffasse, und
nicht als G e l t u n g.
Dieser
Vorwurf trifft nun zwar zu auf G. Lukács, aber nicht, wie ich darlegen will,
auf Marx: Dessen ‘vom-Kopf -auf-die-Füße-Stellen’ der Hegelschen Dialektik
bedeutet nämlich die Wiederherstellung, bzw. richtiger: die Neubegründung der
k r i t i s c h e n Dialektik der F i c h t e’ schen
‘Wissenschaftslehre‘ – zunächst als Neubegründung der ‘ontologischen’ G r
u n d l a g e, dann als Wiederherstellung ihrer logischen M e t h o
d e.
B
Zunächst
fasse ich die herkömmliche Unterteilung des Marxschen Gesamtwerks in
‘Frühschriften’ und ’Spätwerk’ als eine Scheidung in einen ‘kritischen’
und einen ’vorkritischen’ Teil auf.
Im e
r s t e n Teil geht es um die Gewinnung des (‘metaphysischen’) S t
a n d p u n k t s, der der reellen Wissenschaft zugrunde zu legen sei; es
wird sich finden, daß dieser ‘Standpunkt’ — vulgo ”materialistische
Geschichtsauffassung” — der des ‘sich selbst setzenden Subjekts‘ ist; eine
aktualistische Fundamentalontologie als transzendentale Voraussetzung
positiver (historischer) Wissenschaft.
Im
z w e i t e n Teil — der gesamten ‘Kritik der politischen Ökonomie’
— geht es, a l s Kritik, um die Durchführung der (onto)logischen
Voraussetzung — nach der die (ökonomischen) Kategorien nichts seien als
Handlungsweisen des Subjekts — am empirischen Material. Diese Durchführung ist
1) Kritik einer vorliegenden historischen Wissenschaft, der klassischen Nationalökonomie;
2) positive Darstellung des empirischen Stoffs selbst: des
Gesamtprozesses der kapitalistischen Form der gesellschaftlichen Reproduktion
nach dem Prinzip des vorangestellten ’Standpunkts‘; 3) durch die
Darstellung des Stoffs, Darstellung des ‘Standpunkts’ selbst: Reflexion
über den ‘Standpunkt’ als Reflexion auf das tatsächlich
angewendete/anzuwendende Verfahren, und insofern auf dessen Voraussetzungen:
genauere Bestimmung derselben — des sich selbst setzenden Subjekts — nicht als
“seiend“, sondern als g e l t e n d .
I. ‘Stellungnahme‘: der
transzendentale Standpunkt
Der
Inhalt des ‘Frühwerks’ ist also die Überwindung der Hegelschen “absoluten
Methode”, aber nicht nach deren F o r m - Seite hin — Logik der
‘Selbstbewegung ‘ des Begriffs‘ — , sondern nach deren
I n h a l t: Bestimmung des ‘Absoluten’
als I d e e .
Zunächst
(in der Doktor-Diss.) nimmt M. ohne weiteres den Standpunkt der
Junghegelianer ein; eine pseudo- fichtisierende Hegel-Auffassung, die in
Wahrheit eine Umdeutung Hegels auf den Standpunkt des jungen S c h e l l
i n g ist: Nicht d i e Su b s t a n z wird ‘als
Subjekt gesetzt‘, sondern d a s S u b j e k t
wird ‘als Substanz’ gefaßt (was immer auch dabei zu denken
sei..)
Im
Ms. Kritik des hegelschen Staatsrechts stößt M. dann allerdings schon
auf Hegels Methode a l s s o l c h e : die
Ahnung, daß die affirmative, anti-kritische Tendenz von Hegels politischer
Philosophie vorgegeben sei in dem affirmativen Prinzip der “Logik” — bzw. daß
der affirmativen Methode die restaurative politische Tendenz zugrunde liegt;
aber er verfolgt diesen Faden zunächst nicht weiter.
S o
n d e r n :
Unterm
Einfluß von F e u e r b a c h (und von Moses H e s s)
Hinwendung zum “wahren Sozialismus“; Bestimmung des substanten Subjekts als
“Gattungswesen” und Fassung der bürgerlichen Gesellschaft unter die Alles
bestimmende Kategorie “Entfremdung”: Kritik der Hegelschen
Rechtsphilosophie, Einleitung und die Pariser Manuskripte…
‘Dialektik‘ kommt in diesen beiden Texten lediglich als rhetorische Figur vor,
es werden keineswegs ‘Begriffe’ ”durch einander bestimmt”, sondern: “ein
Wort gibt das andre…” Die hegelsche Triade tritt nur auf als
geschichtsmetaphysische Schablone: die “Entfremdung” (Antithesis) des bürgerlichen
Menschen von seinem “Gattungswesen” (Thesis) — ‘Entfremdung’ heißt hier:
K o n k u r r e n z — m u ß “umschlagen” in den
Kommunismus: Versöhnung, Heimkehr, Synthesis… — die alte
Geschichte von Sündenfall und Erlösung.
In
der Heiligen Familie schließlich — immernoch auf dem Standpunkt von
Feuerbachs “Gattungswesen” — Bruch mit den “Ideologen”(die durch das Verknüpfen
bloßer Begriffe zu faktischen Einsichten kommen wollen) und resolute Wendung zu
Empirie umd Nominalimus (=”Materialismus”).
Schließlich
– in der Auseinandersetzung mit S t i r n e r s ”Einzigem” – nach
dem praktischen Anschluß an die revolutionäre Arbeiterbewegung und (darum)
erneutem Studium der klassischen Nationalökonomie — wird in den Feuerbachthesen
und der Deutschen Ideologie das ‘Gattungswesen’ als bloß säkularisierte
Version des lieben Gotteas abgeschafft; an die Stelle des s u b s t a n t
e n Subjekts tritt ein… nun ja, ein transzendentales: ein aus dem
Begründeten als dessen Grund logisch erschlossenes, das sich — in einer selber
nicht abzuleitenden ‘Tathandlung’ (bei Marx “generatio aequivoca”) ‘als‘ Subjekt ‚gesetzt‘
haben ‘m u ß’: der “ersten geschichtlichen Tat”…
Mit
der Ersetzung des ‘ideologischen’ Standpunkts durch den transzendentalen wird
nun aber die “absolute Methode” auch ihrer Form nach unhaltbar (vgl. Elend
der Philosophie). Entsprechend verzichtet schließlich das Kommunistische
Manifest konsequent auf alle begrifflichen Verallgemeinerung und begnügt
sich damit, ‘Tatsachen’ aussprechen zu wollen (z.B. daß “die herrschenden
Gedenken stets die Gedanken der herrschenden Klasse” gewesen seien, wird nicht
als materialistisches ‘Gesetz’ formuliert, sondern als empirische
Feststellung).
—
Die nunmehr, nach der Bestimmung des kritischen ‘Standpunkts’, möglich
gewordene umfassende, d.h. systematisch v o n e i n e m
P r i n z i p a u s-gehende Kritik der politischen Ökonomie
erfordert nicht allein eine erneute Sichtung des gesamten
wissenschaftlichen Schrifttums, sondern ermöglicht (erstmals!) auch die
Sammlung und Ordnung des gegebenen ökonomischen Materials: der “realen
Bewegung” der kapitalistischen Produktion.
II. ‘Darstellung’ : die
kritische Methode
Der
Gegenstand der politischen Ökonomie, und also der Kritik der politischen
Ökonomie, ist d a s K a p i t a l — als “sich selbst
vermehrender Wert”. Aufgabe der ‘Kritik’ — welche von der ökonomischen
Wissenschaft selbst ungelöst übriggelassen war — ist, darzustellen, w i e
es ‘der Wert’ a n s t e l l t, sich selbst zu
vermehren… Die Aufklärung dieses Mysteriums findet sich nach M. in der
doppelten Gestalt des ‘Werts’ als Tauschwert und als Gebrauchswert.
Das
sieht nun zwar sehr nach “absoluter Methode” aus: Die ‘Kategorie’ ’legt
sich auseinander‘ in ihre ‘gegensätzlichen Bestimmungen‘; indes die
Analyse geht umgekehrt vor, beginnt bei dem “einfachsten gesellschaftlichen
Konkretum”: dem ‘Ding’ als W a r e .
1) Der W e r t —
’Wesen’ oder ‘Form‘ ?
Tauschwert
ist F o r m bestimmung; ‘Form’ wovon? Form des gesellschaft1ichen Verkehrs
— eben des T a u s c h s. E t w a s wird getauscht,
dessen F o r m ’als’ Tauschwert bestimmt wird: Die Bestimmung
‘Tauschwert’ ist also nicht eine Eigenschaft an dem Etwas — der Ware — selbst,
sondern wird ihm (ihr) in dem A k t des Tauschs, durch den Akt, zum
Zwecke des Akts… als seine G e l t u n g — in dem und für den Akt! — von den
Austauschenden b e i g e l e g t. Dies ‘Etwas’ hat S t
o f f , ist Stoff; jedoch a l s Stoff ist es ja nicht b e s t
i m m t: Stoff ist als solcher u n bestimmt, ‘gilt’ nichts für
sich selbst, sondern immer erst für ein Subjekt (d.h. für die Zwecke von dessen
Handlung…)
Also
nicht, wie in Hegels “Logik”: Die Materie selbst ‘drängt’ zur Form als
ihrer eignen, immanenten Bestimmung — das, wozu sie ‚an und für‘, d.
h. a u s sich heraus ‘bestimmt’ ist; sondern die ‘Form’ wird dem
‘Stoff’ durch einen spontanen Akt eines Subjekts h i n z u g e f ü g t.
Der
Stoff, dessen Form ‘als‘ Tauschwert ‘gesetzt’ ist, der im Akt des
Austauschs als (Tausch-) Wert g i l t, ist G e b r a
u c h s w e r t; nicht dieser oder jener besondere, sondern i
r g e n d e i n Gebrauchswert — Gebrauchswert ‘überhaupt‘…
Das
ist zunächst ein Widersinn, denn dem Gebrauchswert geht es wie jedem ‚Stoff’:
er i s t eo ipso i n d i v i d u e l l , und
eben n i c h t ’überhaupt’ — denn der aktuelle G e b r a u c
h (Verzehr, “Vernutzung”) des p.p. Gegenstands geschieht immer durch
einen einzelnen Akt eines I n d i v i d u u m s, dieses oder
jenes Individuums, nicht eines ’Individuums überhaupt’ (=’das’ Subjekt).
Und
doch läßt sich die Paradoxie des ‘Gebrauchswerts überhaupt’ offensichtlich nur
auflösen durch die Allgemein-Setzung des Individuums zum ’Individuum
überhaupt’. — Aber wie ?
Offenbar
nur, indem wir aus der Begriffsdialektik heraustreten und uns dem
empirischen Geschehen zuwenden, das der Begriff fassen sollte.
(Freilich
liegt ‚der‘ Gebrauchswert allenthalben dem Tauschwert als gegeben zugrunde —
indes nur formal bestimmt, im allgemeinen: d a ß er vorhanden ist,
nicht, w e l c h e r er ist — als bloßes M o t i v des
Austausches, sachliche B e d i n g u n g; n i c h t als eine
seiner B e s t i m m u n g e n; geht also weiterhin die ökonomische
Betrachtung — als Analyse der Formbestimmungen — hichts mehr an; so in der
klassischen politischen Ökonomie, namentl. Ricardo.)
D a
ß die Individuen im Akt des Austauschs ihre Produkte — als
‘Vergegenständlichungen ihrer selbst’ — als äquivalent b e h
a n d e l n, zeigt, daß sie tatsächlich in einem so a l l g e
m e i n e n — ”prozessierenden” — Zusammenhang
miteinander stehen, daß sie einander (jedenfalls auf dem Markt) als G l e
i c h e gelten, a l s ‘Individuum überhaupt’, handelndes
Individuum i m a l l g e m e i n e n, eben: als ‘ S u b
j e k t ‘.
(NB
: Das ist nicht einfach eine l o g i s c h e, sondern eine
historisch - r e a l e Voraussetzung.)
2 ) „Realabstraktion“
Des
‘Subjekt des Austauschs’ (=‘Individuum‘ im allgemeinen) ist eine
A b s t r a k t i o n, die durch die Z i r k u l a t i o n,
in einer auf verallgemeinertem Austausch beruhenden Form des
gesellschaftlichen Verkehrs, tatsächlich hervorgebracht wird (sie ist
’w i r k l i c h’, weil sie im Handeln der empirischen Individuen als
dessen Bestimmungsgrund w i r k t.)
Und
dieser reellen Abstraktion “Subjekt des Austauschs” auf der Formseite
entspricht die Abstraktion ‘Gebrauchswert überhaupt’ auf der Stoffseite. Es ist
die Abstraktion von allem b e s t i m m t e n Gebrauch, allem
bestimmten Verzehr durch ein bestimmtes Individuum: g e s e l l s c
h a f t l i c h e r Gebrauchswert, sofern er nämlich für den reellen
allgemeinen Zusammenhang der Individuen, i n ihrem wirklichen, d.
h. tätigen Zusammen w i r k e n, a l l g e m e i n als Gebrauchswert
g i l t — nämlich als N a c h f r a g e auf dem M a r k t.
‚Allgemeiner’
Gebrauchswert, Gebrauchswert für ‚d e n‘ Andern — das ist
schlechthin Wert: das, was ‚den Andern’ “wert” ist…
Daß
sich der so bestimmte W e r t darstellt als Ä q u i v a l e n
z — noch ganz abgesehen von deren immanenter Bestimmung als “Arbeit
überhaupt” —, ist eine s p e z i f i s c h e Bestimmung einer auf
dem T a u s c h, dem Austausch von W a r e n beruhenden
Verkehrsform: der kapitalistischen Form des gesellschaftlichen Zusammenhangs
als K o n k u r r e n z; ist eine zusätzliche, a k z e s s o
r i s c h e Bestimmung, die zur allgemeinen Bestimmung der Wert s
u b s t a n z (=allgemeiner Gebrauchswert) h i n z u t r i t t.
(Also:
keineswegs ‘schlagen‘ die gegensätzlichen Bestimmungen’ — Gebrauchswert und
Tauschwert — ‘ineinander um’, keineswegs ’bestimmen’ sie einander
‘wechselseitig’; und keineswegs ist ‘der Wert’ das substante Prius (‘Wesen’,
‘Idee’), das sich in der ‘Erscheinung’ in die ‘Antithesen’ Gbw./Tw.
auseinanderlegte; also keineswegs die “Selbstbewegung des Begriffs”…)
…sondern
diese Formen sind ebensoviele Handlungsweisen, Formen realer Tätigkeiten
empirischer Subjekte. Der ‘Wert’ ist das P r o d u k t (also nicht
ein ‘Prinzip’!) der A b s t r a k t i o n von der Individualität
der empirisch gegebenen mannigfaltigen Gebrauchsgegenstände; ist eine
gesellschaftlich reale, historisch gewordene Form über einem empirisch
Gegebenen. (( Natürlich läßt sie sich nachträglich als Kategorie auch von
dieser ihren realen gesellschaftlichen Voraussetzung — nämlich daß die
Individuen wirklich in allgemeinem Zusammenhang stehen — abstrahieren und dann
rückwärts auf Gesellschaftsformen applizieren, in denen diese empirische
Voraussetzung eben nicht gegeben war — wie es die klassische politische
Ökonomie ja auch reichlich getan hat; freilich muß man dabei dann im Auge
behalten, daß es sich allenfalls um ein regulatives Prinzip handeln kann,
Erkenntnis m i t t e l, nicht selber Inhalt der Erkenntnis: andernfalls ist die
Vorstellung einer in der Endlichkeit erscheinenden ’Idee’ schlechterdings nicht
abzuhalten…))
Diese
Abstraktion, die hier im Begriff vollzogen wird, wird in der kapitalistischen
Gesellschaft tatsächlich und real vollzogen in dem Prozeß der Zirkulation, dem
wirklichen allgemeinen Zusammenhang, der allgemeinen Vermittlung (oder
vermittelten Allgemeinheit)…; diese reale Abstraktion i s t der
Tauschwert; sie ‘erscheint‘ nicht ‚als‘…, sondern i s t e s
s e l b s t: ‘Wert‘ ist die l o g i s c h vollzogene
Abstraktion von der Individualität (besondern Nützlichkeit) der
Gebrauchsgegenstände; T a u s c h wert ist die täglich (reell, im
empirischen Handeln der austauschenden Produzenten auf dem Markt.
Also
der ‘Wert‘ i s t Tauschwert (nämlich unter kapitalistischen
Verhältnissen); und der Tauschwert i s t Gebrauchswert.
Und so handelt es sich allerdings um gegensätzliche Bestimmungen derselben
identischen Sache. Aber nicht um Bestimmungen der Sache durch sie selbst,
sondern um Bestimmungen durch die handelnden Subjekte: drücken aus die
wechselnden, nämlich a b wechselnden Verhaltungsweisen des Subjekts
zur Sache. (Die Ware X ist Tauschwert für A nur, sofern sie nicht Gebrauchswert
für A ist, aber Gebrauchswert für B; und wenn Gebrauchswert für B, dann nicht
Tauschwert für B: das eine nicht, wenn das andre; aber jedes nur, wenn
abwechselnd — “prozessierend” — das eine sowohl als das andre!); und ‘die Sache
selbst’ ist dann nicht die K a t e g o r i e, der ’Oberbegriff‘ Wert; sondern
‘die Sache’ ist das zwar logisch unterste, aber empirisch erste: das Produkt
als besonderer nützlicher Gegenstand — der unter bürgerlichen Verhältnissen zur
W a r e wird…
3) der ‘Stoff’
Gegenstand
der nationalökonomischen Wissenschaft ist das Kapital als die spezifisch
bürgerliche Form des “R e i c h t u m s”; und da sie es eben mit
den Formen des Reichtums zu tun hat, geht sie, wie gesagt, der ‘Stoff‘, aus dem
der Reichtum ‘gemacht’ ist, an und für sich nichts an. Jedoch, um w i s s
e n s c h a f t l i c h zu sein — und als K r i t i k zumal
—, muß sie sich ihrer logischen Voraussetzungen vergewissern: als dem
theoretischen P r i n z i p, von dem aus das empirische Material zu
o r d n e n und zu d e u t e n ist. Aber dies Prinzip ist
nicht ‘gewiß’, sondern erst noch problematisch, solange ein caput mortuum von
‘Stoff’ übrigbleibt, das nicht in die Tätigkeit des Subjekts aufgelöst wurde…
(Aber
der naheliegende Rückgriff auf die A r b e i t als Substanz des
stofflichen Reichtums führt in die Irre: Ein Gegenstand muß keineswegs
Arbeitsprodukt sein, um nützlich sein zu können; und außerdem ergäbe sich eine
abgeschmackte Tautologie: die Nützlichkeit des bestimmten Gegenstandes ergäbe
sich aus der bestimmtem Nützlichkeit der ihn produzierenden Arbeit; und was
machte die bestimmte Nützlichkeit jener Arbeit aus? Nichts als die Nützlichkeit
ihres Produkts…)
Also
wie ist der Stoff des Reichtums ‘an sich’ bestimmt? “Stofflich betrachtet, ist
der Reichtum nichts anders als der Reichtum der Bedürfnisse”, und so ist der
‘Stoff’ allerdings i m S u b j e k t gesetzt; denn sein
‘Bedürfnis’ hat das Subjekt s e l b s t e r z e u g t: das war jene
“erste geschichtliche Tat” (‘Tathandlung’, “generatio aequivoca”), mit der ‘der
Mensch’ aus seiner Naturbestimmtheit heraus-, und in die Geschichte — als dem
Selbsterzeugungsakt seiner ‘Gattung’ — eingetreten ist. Mit der Produktion
seines Bedürfnisses setzt ‘das Subjekt’ sich als solches — und b e w ä h
r t sich als solches nicht in der Befriedigung, sondern in der
unablässigen (‘unendlicher Progreß‘) N e u s c h ö p f u n g der
Bedürfnisse.
Die
“erste geschichtliche Tat“ ist dabei n.b. nicht als der Bericht von einer
tatsächlichen Begebenheit, sondern als S i n n behauptung aufzufassen:
das historische Geschehen s o l l so aufgefaßt werden,
a l s o b in ihm ‘das Subjekt sich selbst setzt’; das ist
die transzendentale Voraussetzung, der ‘Standpunkt’, die (‘fundamental’-)
ontologische S t e l l u n g n a h m e, über (hinter) die kein Begriff
hinaus-(zurück-)führt, sondern der im Gegenteil allem Begreifen zu G r u
n d e liegt — als theoretisches ‘Prinzip’, d.h. aus der realen
Wissenschaft nicht a b g e l e i t e t, sondern ihr v o r a u
s g e s e t z t.
(Soviel
über “Materialismus”; aber übrig bleibt immerhin als unbegriffner Rest der
Gegenstand des Bedürfnisses a l s s o l c h e r, sein
‘dingliches Substrat’. Indes, was ist “das Gegenständliche am Gegenstand“?! Es
ist seine „G l e i c h g ü l t i g k e i t g e g e n d
i e Z w e c k e d e r A r b e i t“
- und wird im Akt der Produktion (= A n e i g n u n g an
diese Zwecke) "als v e r s c h w i n d e n d gesetzt"; also:
er i s t begriffen, aber negativ, d.h. nicht als das, was er
i s t, sondern als das, was er n i c h t ist;
als u n bestimmt, d a s h e i ß t als
bestimm b a r. Also selbst seine Gegenständ l i c h k e i t ‚ist’
nur, sofern sie dem Bedürfnis g i l t: als Bestimmbarkeit überhaupt.
4) ‘Arbeit’ : Substanz oder
Medium
Wenn
also die Substanz des ‘Werts‘ seine gesellschaftliche Nützlichkeit, und wenn
deren Stoff B e d ü r f n i s, also gesellschaftliches Bedürfnis
ist, dann… kann nicht, wie in der klassischen Nationalökonomie, ”d i e
A r b e i t” der immanente Bestimmungsgrund des ‘Werts’ sein; denn
die Arbeit ist dann lediglich v e r m i t t e l n d e Tätigkeit,
die den ‘an sich‘ indifferenten Gegenstand dem Bedürfnis a n e i g n e
t, ihn zum Gebrauch tauglich macht; sie ist F o r m gebung
(“bestimmte nützliche Tätigkeit”, zweck m ä ß i g, nicht zweck s e t z e
n d!); M e d i u m, nicht Substanz; und vor allem: sie ist noch gar nicht
“Arbeit überhaupt”, sondern immer nur d i e s e oder j e n e
bestimmte Arbeit, die eine bestimmte Nützlichkeit setzt, nicht
‘Nützlichkeit überhaupt’. Denn daß die einzelnen Arbeiten gelten können als
‘Arbeit im Allgemeinen’, setzt wiederum voraus, daß die individuellen
Bedürfnisse ihrerseits zu ‘Bedürfnis überhaupt‘, allgemein geltendem
gesellschaftlichem Bedürfnis v e r a l l g e m e i n e r t worden sind:
als N a c h f r a g e auf dem (allgemeinen!) M a r k t.
Und
das ist, siehe oben, eine r e a l e Voraussetzung, die empirisch
gegeben sein muß, b e v o r sie logisch ‘gelten’ kann, und ist
folglich nicht abzuleiten aus der Bewegung der Kategorien (und insofern hat
“die dialektische Form der Darstellung“ ihre “Grenzen”…). Vorausgesetzt
ist das historische Faktum verallgemeinerten Austauschs (der Markt als
‚übergreifende‘ Instanz), und also verallgemeinerte T e i l u n g
d e r A r b e i t (die ihrerseits einen gewissen
Entwicklungsgrad der Produktivkräfte = Stand der Technik voraussetzt), und
endlich: das Vorhandensein des formsetzenden V e r m ö g e n s
als eine veräußerliche, austauschbare Sache (Ware): Durch das
Gleich-Gelten der Arbeits k r ä f t e — als bloßer Individuationen eines
schon gesellschaftlich bestimmten ‘Allgemeinen Arbeitsvermögens' — f ü r
das verselbständigte ‚Arbeitsmittel überhaupt‘ (hier schon = K a p i t a
l) werden die individuellen Arbeiten allererst als ‘Arbeit im
Allgemeinen’ gesetzt.
Also:
erst wenn “die Arbeit” selber Tauschwert b e k o m m e n hat, kann
sie ihrerseits zum M a ß des Tauschwerts werden.
5) die drei Gestalten des
’Arbeitsvermögens‘
Das
‘Arbeitsvermögen überhaupt’ kann also auch nicht der real wirkende
G r u n d hinter der empirischen Geschichte sein: denn es ist ja
selber ein geschichtliches Produkt. Und das nicht einmal als ein ‚Sein’,
sondern wiederum nur als Geltung.
Denn
es hat gar keine empirische Existenz, ist auch nicht analytisch aufgefunden
durch die Anwendung der ökonomischen Kategorien auf das empirische Material,
sondern ist synthetisch e r s c h l o s s e n aus der phänomenal
gegebnen ‘lebendigen Arbeit’ als dem durch es Begründeten. Es ist noch reine
Reflexionsbestimmung ohne eigne Realität, ist dýnamis, n i c h t
wirkende Kraft; es ist rein formal bestimmt als das vermittelnde Glied
zwischen dem eigentlich setzenden Vermögen (‘Bedürfnis’) und den gegen ihn
gleichgültigen Gegenständen.
Als
transzendentaler Grund dar wirklichen lebendigen Arbeiten ist dasjenige
’a n’ den empirischen Arbeitern, was sie a l s einander
gleich g e l t e n macht: nämlich Besitzer eines Quantums von
diesem allgemeinen Vermögen zu sein, das sie als Ware zum Tausch anbieten
können.
Die
Abstraktion ‘Arbeitsvermögen’ steht der andern Abstraktion ‘Arbeits m i t t e
l’ gegenüber (=‘das’ Kapital); dagegen der einzelne Arbeiter ist stets
nur Besitzer eines individuellen Arbeitsvermögens, und gilt lediglich gegenüber
dem Kapital als Individuation eines allgemeinen Vermögens, nämlich als ein
bestimmtes Quantum davon: eine Arbeits k r a f t; d. h. weder an, noch
für sich selbst ist der einzelne Arbeiter Repräsentant eines Allgemeinen
(‚Erscheinung‘ eines ‚Wesens‘), sondern immer nur fürs Kapital; und umgekehrt
steht ihm immer nur eine bestimmter K a p i t a l i s t gegenüber,
nie ‚das‘ Kapital (d. h. s o f e r n es ihm gegenübersteht, nämlich
ihn ‚anwendet‘; ‚das’ Kapital tritt ich allenfalls negativ gegenüber,
nämlich… wenn es ihm n i c h t gegenübertritt, wenn es n i c
h t d a ist, um ihn anzuwenden…)
6) das Ganze oder das
Allgemeine
‘Wirklich’,
d.h. wirkend, ist das ‘allgemeine Arbeitsvermögen’ nur auf dem Standpunkt des
gesellschaftlichen G a n z e n. Jedoch ist ‚die Gesellschaft‘ ein
’Ganz0s’ n u r in der V o r s t e l l u n g (als ein V
e r h ä l t n i s); empirisch ist sie dagegen nur ein endloser Strom
individueller Austauschakte, vermittelt durch die K o n k u r r e n
z: diese r e d u z i e r t qua ‚allgemeines Äquivalent‘ die
verschiedenen Arbeiten auf ‚Arbeit überhaupt‘ „abstrakt allgemeine Arbeit”, und
diese Abstraktion vollzieht sie r e a l: nämlich als D u r c
h s c h n i t t. Also was im Begriff ‘Arbeitsvermögen’ dargestellt ist, existiert
empirisch nur als ein Durchschnitt von vielen Arbeiten, und dieser Durchschnitt
ist wiederum das Medium des gesellschaftlichen Zusammenhangs — als Parameter
der individuellen Austauschakte. Aber ein Durchschnitt ist eben kein ‚Ganzes’,
sondern ein Allgemeines; d.h. empirisch real ist nur die (unbestimmte) Menge —
“unendliche Mannigfaltigkeit”— von individuellen Anbietern bestimmter
Arbeitskräfte: das ist die “Klasse an sich” der marxologischen Literatur,
reines Ausbeutungsmaterial, das ein ’Ganzes’ darstellt f ü r das
ihr gegenüberstehende Kapital — also gerade n i c h t ‘an sich’.
‘Klasse’
wird diese empirische Menge nur, insofern sie sich wirklich, d.h. wirkend dem
Kapital entgegen s e t z t, “sich zur Klasse b i l d e t” (und sei es nur ‘an
sich für sich‘, faktisch, noch ohne das bestimmte Bewußtsein davon: ‘für sich
für sich’ ; ‘zur Klasse bilden’ heißt: “zur politischen Partei”.
Und
hier stoßen wir auf die dritte Gestalt des ‘Arbeitsvermögens’ bei
K. M.: die “Arbeiterklasse” als transzendentale ‘Idee’ , sowohl
erkenntnisleitendes, ‘regulatives’ Prinzip als auch — sofern die Erkenntnis
nämlich praktisch, d. h. politisch, m o t i v i e r t ist — als
“praktisches Postulat”, nicht Bestimmtheit, sondern Bestimmung, d.h.
nicht S e i n, sondern S o l l e n.
In
keiner der drei Gestalten, in denen das Arbeitsvermögen in der ‘Kritik der
politischen Ökonomie‘ vorkommt, handelt es sich um ein substantes Subjekt: als
bloßes ‘Vermögen’ ist es logisches Konstrukt, lediglich Erklärungsgrund eines
empirisch Wirklichen; transzendentale Voraussetzung, keineswegs selber Realie;
—
als empirische Realität ist es bloß faktische Addition ( p r o z e s s i e r e
n d e: also nichteimal endliche S u m m e ) individuell Gegebner;
als solche nicht handelnd (‘wirkend’), sondern lediglich ‘leidend’; also
g a r k e i n ’Subjekt‘
—
zur “Arbeiterklasse” wird diese empirische Menge nur, sofern sie handelnd sich
als solche setzt; wirkliches, weil wirkendes Subjekt wird nur
durch E n t g e g e n setzung, nämlich effektive.
7) Kein Realsubjekt, keine
Realdialektik
—
Zwischen dem Arbeitsvermögen als transzendentalem Begriff und seinem Gegensetz:
dem ‘Arbeitsmitttel‘, (bzw. ’Kapital’) waltet allerdings eine
’Dialektik’: nämlich Wechselbestimmung durch Entgegensetzung; aber eben nur
zwischen den Begriffen, wo sie auch hingehört ;
—
zwischen den empirisch gegebnen Proletariern und den ebenso empirisch gegebnen
Kapitalisten herrscht keine ‘Dialektik’, nicht einmal begrifflich: denn selbst begrifflich
sind erstere lediglich O b j e k t e der letzteren, ‘Leiden’ ohne
‚Tätigkeit‘, Rezeptivität ohne Spontaneität;
—
und schließlich zwischen der ‘Arbeiterklasse‘ als politischem Begriff,
praktischem Postulat — nämlich immer unter der Voraussetzung, daß sie wirklich
als solche handelt — und der Kapitalistenklasse (nicht: “dem Kapital”!)
herrscht keine ‘Dialektik’ (=Wechselbestimmung), sondern — ggf: — ein r e
a l e r A n t a g o n i s m u s, alias “Klassenkampf”: endend
nicht in der ‘Synthese’, “Aufhebung” beider in eine “höhere Kategorie”,
sondern… S i e g der einen über die andre…
Was
sich in der Vorstellung nun wieder so ausdrücken läßt, daß ‘das
Arbeitsvermögen’ mit ‚dem Arbeitsmittel‘ wieder ‘vereinigt’ wird (“Aufhebung
der Teilung der Arbeit durch ihre Vollendung“), wobei man allerdings die
(“idealistische”) Vorstellung fernzuhalten hat, als ob das, was durch die
Wechselbestimmung der B e g r i f f e als logische Notwendigkeit
erscheint, in der wirklichen Geschichte der empirischen Individuen eine real
wirkende K r a f t (“Entwicklungsgesetz”) wäre.
Denn
in dem wissenschaftlichen Modell, das die ‘Kritik der politischen Ökonomie’ vom
Gesamtprozeß der kapitalistischen Reproduktion entwirft, nämlich wo die
‘Kritik’ selber T h e o r i e ist, die das tatsächliche Geschehen
‘erkennen’ will; also in der ökonomischen Theorie geht die
kapitalistisch Produktionsweise n i c h t an der Aktion der
Verkäufer von Arbeitskraft zugrunde, sondern… am Fall der Profitrate! Und dies
allerdings ‘notwendig‘, d.h. mit realer Kausalität; aber der
kapitalistische Z u s a m m e n b r u c h, den die Theorie als empirisch
unausweichlich darstellt,* ist ganz und gar nicht das “Aufgehen in die höhere
Kategorie” (=”Kommunismus”); sondern kann, als rein negativ bestimmt, sehr wohl
als “Untergang in der Barbarei” stattfinden.
Das
‘Aufheben’ der durch den Kapitalismus herbeigeführten Verallgemeinerung der
Bedürfnisse und Universalisierung des Verkehrs in eine ‘höhere‘ Form muß
ein besonderer empirischer A k t sein (der weder faktisch noch
logisch durch den “automatischen Zusammenbruch” bedingt ist, jedenfalls nicht
notwendig), nämlich die “proletarische Revolution”, eine p r a k t i s c
h e Kategorie: eine ‘Idee’ insofern, als sie als Vorstellung konstitutiv
ist bei der Bildung der Proletarier zur Klasse ‘für sich für sich‘…; und
die ‘Arbeiterklasse muß nach dieser ‘Idee’ h a n d e l n, um zu
’s e i n’.
III. ‚historischer
Materialismus‘ oder: die „Metakritik“ der politischen Ökonomie
Die spezifische
Arbeit der Kritik ist es, „eine Wissenschaft erst auf den Punkt zu bringen, um
sie dialektisch darstellen zu können“ — das bedeutet: die Aufdeckung des
„dialektischen Scheins“(Kant), wonach die kategorialen (‚Sinn‘-) Bestimmungen
an oder in dem Faktischen (‘Sein’, ‘Material’) selbst gegeben seien;
Darstellung, daß — und w i e — sie ‘in Wirklichkeit’ in den
Stellungnahmen des (interessierten) Subjekts, also praktisch, begründet sind.
Die
dialektische Darstellung selbst, nämlich „das R a t i o n e l l e
an [dieser] Methode“, ist gerade Darstellung d e r K r
i t i k: das Material jener Wissenschaft aus seiner Gebundenheit in die
gegebenen Formbestimmtheiten zu lösen, um den P r o z e ß der Form
b e s t i m m u n g als solchen zu rekonstruieren, ‘vor unseren Augen
erstehen zu lassen’ — als „Wechselwirkung“ der Kategorien. Aber da das Material
sich ja eben n i c h t ‚als solches‘, ‚unabhängig‘ von jeder Form
darstellen läßt, ist dies nur zu bewerkstelligen, indem die — ‘immer schon’
vorauszusetzenden — Formbestimmungen a l s v e r s c h w i n
d e n d dargestellt; indem also „die Grenzen“ der dialektischen
Begriffsbewegung nicht „gekannt“, sondern selber als solche zur Darstellung
gebracht werden.
Dieser
Punkt ist erreicht, wo die Begriffsdialektik sich ad absurdum führt, weil sie
sich „in einem fehlerhaften Kreislauf herumdreht“, im L e e r e n
sich dreht: beim Übergang vom „Geld als Geld“ zum „Geld als Kapital“ bzw.
von der einfachen Zirkulation zur Verwertung; denn da zeigt sich, daß „die
dialektische Form der Darstellung“ des kapitalistischen Reproduktionsprozesses
das Wertgesetz immer schon voraussetzen muß, und es eben nicht e r
k l ä r e n, geschweige denn begründen kann.
Darum
ist „die sogenannte ursprüngliche Akkumulation“ der logische Dreh- und
Angelpunkt der Marx’schen Darstellung: der tatsächliche Vorgang der Trennung
der Arbeiter von ihrem Arbeits-, d.h. Lebensmittel (dem B o d e n),
der sich eben nicht ’aus Begriffen entwickeln’, sondern nur e m p i
r i s c h b e s c h r e i b e n läßt (vgl.
„Formen“-Kapitel der Grundrisse).
Wie
am ‘Anfang’ der Kapitalentwicklung, so an ihrem ‘Ende’: Der „reale Prozeß“
erweist sich als der logischen Entwicklung inkommensurabel; in dem Moment, wo
die Gebrauchswerte faktisch immer weniger durch „lebendige Arbeit“ erzeugt
werden, sondern stattdessen von der aufgehäuften “toten Arbeit“, die als
„Geschicklichkeit + Wissenschaft“ in der M a s c h i n e
objektiviert ist, wird deren Wertbestimmung durch die („menschliche
Arbeits-“) Z e i t hinfällig (vgl. Abschnitt „Fixes Kapital“ in den Grundrissen).
( Dies die allgemeinste Formulierung des Z u s a m m e n b r u c h s g e
s e t z e s …)
Es
ist dies die B e h a u p t u n g des G e b r a u c h s
wertseite des (f i x e n) Kapitals — „tote Arbeit“ – gegen die F o r m
bestimmtheit der lebendigen Arbeit ; es ist dies der S t o f f, das
Faktische, das sich gegen die gesellschaftlich-allgemeinen Geltungen s e
l b s t z u r G e l t u n g b r i n g t;
und der „Gebrauchswert“ ist ja nichts anderes als die gegenständliche
Form des (selbsterzeugten) B e d ü r f n i s s e s.
Von
hier aus läßt sich nun des „Wertproblem“ rationell darstellen, nachdem das
selbsterzeugte Bedürfnis als dessen reeller wie logischer G r u n d
aufgefunden ist (‘reell’ und z u g l e i c h ‘logisch’, weil
p r a k t i s c h…): Der ”Wert“ ist die Form, in der sich unter
historisch-bestimmten, t a t s ä c h l i c h e n Bedingungen die Frage
der gesellschaftlichen G e l t u n g wirklich stellt: als die
Verteilung der gesellschaftlichen Z e i t auf die zu realisierenden
Bedürfnisse:
1)
Im ‘Anfang’ ist die Zeit reichlich, weil die Bedürfnisse a r m: das
praktische Problem, die individuellen Bedürfnisse gegen einander zu w ä g
e n, zu „schätzen“, zu w e r t e n als solche, die ‘gelten’
sollen oder nicht…, ist gar nicht gestellt; denn die Bedürfnisse sind
‘naturgegeben’ und als solche einender gleich-gültig, weil sie zugleich
auch a priori befriedigt sind: von der ‘Natur’; ‘Ökonomie’ findet nicht statt,
sondern ökologische Homöostase: Naturbedürfnis und Aneignung vorgefundener
Lebensmittel gleichen sich gegeneinander aus durch das Naturgesetz von
Anpassung und Selektion.
Zeit
ist eo ipso f r e i e Zeit (also gar keine!)
2)
‘Beginn’ der G e s c h i c h t e durch Erzeugung neuer, k u l
t u r e l l e r Bedürfnisse; empirisch: Erzeugung von Ü b e r s c h
u ß über den „Konsumtionsfonds“ der “naturwüchsigen Gemeinwesen“ hinaus;
und das Bedürfnis d a n a c h. Die Zeit wird jetzt k n a p p,
indem die Bedürfnisse r e i c h e r werden. Die (gemeinsame)
Zeit muß auf die (individuellen) Bedürfnisse v e r t e i l t
werden; die Bedürfnisse müssen g e s e l l s c h a f t l i c h
g e w e r t e t werden.
Die
Scheidung der ‘höheren’ Bedürfnisse von den ‘niederen’ stellt sich dar in der
Ausbildung ‘höherer‘ K l a s s e n, die, indem ihre Existenz die
beständige Erzeugung von Überschuß als gesellschaftliche N o t w e n d i
g k e i t setzt, Motor der A k k u m u l a t i o n werden:
Akkumulation der Bedürfnisse, Anhäufung und Monopolisierung der
Produktivkräfte (H e r r s c h a f t über das Arbeitsvermögen).
Die
Verknappung der Zeit erzwingt Ö k o n o m i e (= Zeitersparnis):
Arbeitsteilung und Kooperation. Objektivierung der akkumulierten Bedürfnisse in
der Qualifizierung der Produktivkräfte: Arbeitsmittel und Arbeitsvermögen.
Die
Zeit erscheint eo ipso gesetzt als A r b e i t s zeit.
Der Austausch
(nb. zunächst Austausch der Überschüsse!) vermittelt die naturwüchsigen
Gemeinwesen zur geschichtlichen G e s e l l s c h a f t; die
Menschen werden zu (privaten) I n d i v i d u e n, die durch den
M a r k t in allgemeinen Verkehr miteinander gebracht werden:
Verallgemeinerung von Arbeitsteilung und Kooperation. Der Arbeitsprozeß wird
selbst gesellschaftlicher, reell allgemeiner Prozeß.
Verallgemeinerung
des Austauschs, Verallgemeinerung der Bedürfnisse: das ‘höhere’ Bedürfnis wird
zum g e m e i n e n Bedürfnis (die privilegierten Bedürfnisse der
monopol1isierenden Klassen hören auf, Triebfeder (und also notwendig für
die Akkumulation [Kulturation] zu sein.)
Akkumulation
bedeutet: fortschreitende Verschiebung der Produktivkraft von der „lebendigen“
Arbeit (der Menschen) auf die angehäufte „tote“: das Arbeitsmittel; als M
a s c h i n e = f i x e s K a p i t a l ; Verlagerung
der Produktivkraft aus dem lebendigen Subjekt ins unbelebte Objekt – und das heißt j e n s e i t s der Z e i t!
3)
Nun können die Bedürfnisse (soweit sie auf Gegenstände [!] gerichtet sind) als
durch das selbsttätige Arbeitsmittel virtuell i m m e r
s c h o n r e a l i s i e r t gelten; indem die
Zeit aufhört, a priori als A r b e i t s zeit bestimmt zu sein,
hört sie auch auf, mögliches Maß der Werte zu sein: die Notwendigkeit des
Wertens selbst entfällt! Die Wertproduktion ‘entfällt’, das Kapitalverhältnis
bricht zusammen. —
Derart
arbeitet die kapitalistische Weise der Verteilung der disponiblen Zeit auf die
sich geltend machenden Bedürfnisse auf ihren eigenen Zusammenbruch hin. Aber
das Untergehn der F o r m bestimmung a k t u a l i s i e r t
eben die Frage nach ihrem G r u n d: ’Soll’ der
Zusammenbruch stattfinden als D e s a k k u m u l a t i o n (letzten
Endes: der Bedürfnisse selbst!) = ‘Untergang in der Barbarei’? Oder als f
r e i – Setzung der Bedürfnisses ’a l s’ sich selbst erzeugendes;
‘schlechthin’-Setzung des Bedürfnisses als „freie Tätigkeit“ — d.h. „Leben“
nicht mehr als A r b e i t, sondern als… "S p i e l "?
Summa
: ‘Kritik’ bedeutet, allgemein gesprochen, nichts anderes als die Zurückführung
des theoretischen Wissens auf seinen praktischen Grund. Dieser G r u n d
ist bei Marx das selbsterzeugte, sich selbst erzeugende Bedürfnis. Dessen
Darstellung als ‘Stoff’, als das M a t e r i a l e der Geschichte,
wird treffend ‘historischer M a t e r i a l i s m u s‘ genannt. Und
diese Handhabung der Dialektik als — wie Kant sie nennt — „Katharktikon des
Verstandes“ zur D a r s t e l l u n g jenes Grundes ist, ebenso wie
Fichtes ‘Wissenschaftslehre’, M e t a- Kritik.
C
Primat des Praktischen: die
Aktualität der Revolution
Nachdem
ich also die Übereinstimmung zwischen der ‘Kritik der politischen Ökonomie’ und
der ‘Wissenschaftslehre’ nach ihrem P r i n z i p (‘Standpunkt’)
sowohl als nach ihrer M e t h o d e dargelegt habe, bleiben zwei Fragen:
E r
s t e n s, ist es ein reiner Z u f a l l, daß Marx ‘zurück zu
Fichte’ gegangen ist – ohne es zu ahnen, ohne die ‘Wissenschaftslehre’
überhaupt zu kennen ((von letzterem bin ich überzeugt))?!
Z w
e i t e n s, ist es ein noch größerer Zufall, daß i c h, nach einem
Jahrhundert Marx-Philologie, diesen ’Zufall’ e n t d e c k t habe,
der doch so vielen klugen Köpfen verborgen geblieben war?!
Ein
‘Zufall’ ist es, solange man im Gebiet der theoretischen Philosophie bleibt;
tritt man in die praktische Philosophie hinüber, die doch, nach Marx wie nach
Fichte, die theoretische erst b e g r ü n d e n muß, dann bekommt
der ‘Zufall’ Methode: Die theoretische Übereinstimmung beruht nämlich auf einer
Übereinstimmung in der praktischen Stellungnahme Beider zu ihrer Zeit: der
p o l i t i s c h e n Stellungnahme zur Aktualität der Revolution –
und kann darum auch nur im Licht dieser Stellungnahme wahrgenommen werden; will
sagen, man muß diese praktische Stellungnahme s e l b e r
vollziehen –in der bloßen Theorie stößt man nie drauf…
Mit
‘Übereinstimmung der praktischen Stellungnahme“ meine ich freilich nicht die
rein biographische Koinzidenz, daß beide zur ihrer Zeit Propagandisten der Revolution
gewesen sind; es ist vielmehr eine Übereinstimmung in ihrer praktischen
Philosophie par excellence, nämlich der G e s c h i c h t s a u f f a s s
u n g.
Und
in der Tat liegt hier der Schlüssel zu M.’s Bruch mit dem Hegelschen
Emanatismus: Die wirkliche Geschichte ist ihm nicht jenes Epiphänomen, durch
welches die ewig-unvordenkliche Heimkunft der ‘Idee‘ zu sich selber in unsere
verkehrte Endlichkeit hinüber wetterleuchtet: nicht ‘Fortschritt im B e w
u ß t s e i n der Freiheit, sondern die Herstellung e f f e k t i v
e r Freiheit durch die und für die e m p i r i s c h e n
I n d i v i d u e n. Die Geschichte erscheint bei Marx wie bei Fichte
nicht als eine zyklische Abfolge von S t u f e n (wo die letzte
zugleich die erste ist, so daß sich eigentlich alles im Kreise dreht und der
‘Fortschnitt‘ nur S c h e i n ist), sondern das Zusammenfließen
allen individuellen Geschehens in einen P u n k t, den
Knotenpunkt, die Alles entscheidende Krisis: es ist der Moment, an dem die
Menschen heraustreten aus ihrer Naturgesetztheit und deren Repräsentationen
innerhalb der menschlichen Gesellschaft selbst, in die Selbstbestimmung;
Freiheit ist nicht die E i n s i c h t in die Notwendigkeit,
sondern deren E n d e.
Und
die S c h w e l l e, die das Reich der Freiheit vom Reich der
Notwendigkeit trennt — oder wo sie aneinander stoßen… —, das ist für Marx wie
für Fichte die b ü r g e r l i c h e G e s e l l s c h a f t.
Hier muß sich entscheiden, ob die empirischen Menschen in der Tat S
u b j e k t e der Geschichte werden sollen oder nicht – und erst von hier
aus läßt sich — rückwirkend — entscheiden, o b sie sich
‘immer schon’ auf diesem Weg befunden haben: Die bürgerliche Gesellschaft ist
die K r i s i s, die erst das U r t e i l darüber
fällt, ob die ganze Geschichte ein F o r t s c h r i t t war oder
nicht.
Für
Marx wie für Fichte ist die bürgerliche Gesellschaft die revolutionäre
‘Situation’ par excellence, und nun als solche gibt sie der Vergangenheit Sinn.
Die praktische Philosophie von Marx wie von Fichte steht unterm Postulat der
R e v o l u t i o n i n P e r m a n e n z —
und in diesem praktischen Motiv ist ihrerseits die ‚Tathandlung‘ als
theoretisches Prinzip begründet…
________________________________________________________________________
*) Zugleich zählt Marx aber alle Faktoren auf, die im
tatsächliche Verlauf der kapitalistischen Reproduktion dem Fall der Profitrate
tagtäglich entgegenwirken – Kapitalvernichtung durch Krisen und Kriege,
Kapitalentwertung durch technische Revolution… Sie alle können die Tendenz
zum Sinken der Profitrate nicht aufheben; aber sie können das Sinken der
Profitrate im gegebenen Moment verhindern. So dass das Sinken der
Profitrate einmal eintreten muss; man kann nur nicht wissen, wann,
und vielleicht… werden wir es nie erleben. [Nachtrag]
Nachtrag 2010:
‚Bedürfnis‘
ist bei Marx eine dynamische Kategorie. Es ist die Kraft, durch die das Subjekt
sich selbst als Subjekt ‚setzt‘:
1. Landläufig ist 'Bedürfnis'
ein Mangel, der aufgefüllt, ein Loch, das noch gestopft werden muss. Je
bedürftiger der Mensch, umso ärmer. Aber nicht bei Marx: „Der Reichtum besteht
stofflich betrachtet nur in der Mannigfaltigkeit der Bedürfnisse.“ Grundrisse, S. 426. Bedürfnis ist kein Mangel,
sondern ein Vermögen.
2.
Die Erzeugung des neuen Bedürfnisses „ist die erste geschichtliche Tat“: Deutsche Ideologie,
MEW 3, S. 28. Einige Zeilen zuvor hatten Marx/Engels schon einmal eine ‚erste geschichtliche
Tat‘ vermerkt, nämlich den Gebrauch von Werkzeugen. Zwar nicht logisch, aber
doch historisch verstanden, läuft es freilich auf dasselbe hinaus. Es sind die
Erfindung und der Gebrauch von Werkzeugen, die es dem Menschen erlauben, sein
vor-gesetztes Naturbedürfnis über-zu-erfüllen – und Raum zu schaffen für
das Erfinden neuer Bedürfnisse. „Ihre Bedürfnisse, also ihre Natur“, heißt es später in der Deutschen
Ideologie, und von einer selbsterzeugten Natur ist ergo die Rede: generatio
aequivoca.
‚Bedürfnis‘
nimmt bei Marx systematisch denselben Platz ein wie bei Fichte Trieb
bzw. Streben, und entspricht der Husserl’schen Intentionalität.
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