blancan
Unser Wissen ist uns
nicht durch die Sachen selbst gegeben, sondern durch unser Erleben, in
dem die Sachen 'vorkommen'. Ob die Sachen auch außerhalb meines Erlebens
vorkommen, ist davon noch gar nicht berührt. Wenn ich erfahre, dass die
Sache auch im Erleben eines andern vorkommt, gewinnt die Annahme, dass
sie 'an sich' sei und unabhängig von ihrem Erlebtwerden ("esse est
percipi"), eine gewisse lebenspraktische Plausibi- lität. Oder
richtiger: Ich bin gut beraten, wenn ich in meinem Verkehr mit anderen
davon ausgehe, dass die Sa- chen, die ich und sie gemeinsam erleben,
"wirklich" sind.
Allerdings gehört die
Frage, ob... nicht zu meinem Erleben; gehört nicht in die Weise ihrer
Gegebenheit in meinem Erleben. Sie entstammt der Reflexion, durch die
ich mich außerhalb meines Erlebens, neben mein Erleben stelle, um
gewissermaßen mein Erleben zu erleben. Es ist ein Erleben zweiten
Grades, das nicht "ge- geben", sondern gemacht, "hervor-gerufen" ist ex
sponte mea. Erst auf diesem zweiten Grad, der Verdoppe- lung meines
Erlebens im Spiegel meines Erlebens, kommen überhaupt 'Sachen' vor.
Denn im unmittelbaren Erleben, das die Weise der Gegebenheit hat, kommen Akte vor,
nicht Dinge. Das ist eine vorläufiger Ausdruck, der lediglich
bezeichnen soll, dass hier eine Veränderung gemeint ist: Auf Zuständ-
lichkeit a folgt Zuständlichkeit b, 'Zeit' nenne ich "das, was" zwischen den beiden liegt, und wenn ich Zustand b nicht anders erlebte, als ich Zustand a erlebt habe, dann wäre nichts zwischen ihnen und gäbe es keine Zeit.
(Also kommt Zeit in
meinem Erleben unmittelbar vor, wenn auch nicht gleich 'als' solche;
ebenso wie 'Raum', der kommt ursprünglich nur als Umfang meines
Gesichtskreises vor, als 'Feld', in dem Veränderung von Zu-
ständen Statt-findet; aber hier nur die Veränderung äußerer Zustände,
das Erlebnis meiner inneren Zustände hat keinen Raum zu seiner Statt,
sondern 'mich'.
Der Einwand, 'mir
selbst' sei ich ursprünglich als Körper und ergo als 'Raum' gegeben, ist
unangebracht. Mir 'selbst' bin ich überhaupt erst in der Reflexion
gegeben, im Erlebnis zweiten Grades, wo ich mein Erleben "als meines
erlebe". 'Raum' ist also dem Erleben nicht ebenso unmittelbar gegeben
wie 'Zeit'.)
'Zeit' ist der 'Raum', "in dem" die Veränderung meiner Erlebenszustände "stattfindet". Sie ist Ort des Geschehens.
Geschehen als Veränderung von Zuständen ist in unserer Erlebenweise "eingefärbt" als Wirkung. (Ob diese Färbung 'urprünglich' ist oder eine gattungsgeschichtlich erworbene Rückprojektion meiner eigenen Wirksam- keit (Nietzsche: "die Natur bei ihrer Arbeit belauscht") in alles, was ich 'überhaupt' erlebe, ist hier noch nicht zu erörtern.
Also im unmittelbaren
Erleben kommen keine 'Punkte' - weder Zeit-Punkte noch Raum-Punkte
(=Dinge) - vor, sondern Zeiträume als Bühne der Veränderung von
Zuständen.
Allerdings sind Räume von Punkten begrenzt. Wer oder was setzt die Punkte, die den Zustand a als diesen, den Zustand b als den anderen de/finieren? Sicher ist es die jeweilige "Erlebnisqualität", die den Fluss des Erlebens zu diskreten Zu-Ständen interpunktiert.
Aber die Qualitäten meines Erleben entsprechen ebensovielen Erlebnis-
bereitschaft "in" mir: Ich muss sie "irgendwie" schon 'erwartet' oder
'gemeint' haben, es muss eine 'Absicht' da- gewesen sein (und sei es als
eine - ja übrigens auch naturgeschichtlich erworbene - physiologische
Disposition meiner Körperorgane).
Also alles, 'was' erlebt wird, wird so (oder anders) erlebt. Und dass es so (und nicht anders) erlebt wird, antwortet auf eine vor-gegebene Erwartung.
Oder anders - alles, was uns in unserem Erleben als dieses gegeben ist, war als solches immer schon 'gemeint'. 'In- tentionalität' ist nicht erst ein noetisches Phänomen. Schon der sinnliche Wahrnehmungsapparat wählt die 'Rei- ze' aus, denen er sich 'zuwenden' will; und reagiert nicht nur auf deren (physikalisch messbare) Stärke.
Das eigentliche Problem
sind diese Disponiertheiten; nicht zunächst die physiologisch
verketteten Reiz-Reak- tions-Folgen natürlich, obwohl auch die selekiv erworben
sind...; sondern sie sozusagen mentalen 'Reizbarkeiten' (dass sie sich
von den ersteren nicht immer sauber scheiden lassen, mag sein; aber
logisch gehts immerhin, und daruf kommt es an).
aus e. Notizbuch, 27. 11. 1994
Hier müsste anschließen ein Absatz über die produktive Einbildungskraft.
Aber der könnte nicht mehr phäno- menologisch vorgehen, sondern müsste sich auf spekulatives Gelände wagen. Ich hab's immerhin versucht.
23. 3. 17
Nach Fichte ist die Probe auf die Wirklichkeit einer Sache die Frage, ob sie in einem Gefühl gegeben ist. Das ist noch etwas sensualistisch-materialistischer als obige 'phänomenale' Darstellung.
Übrigens: Erleben geschieht in meiner Welt; Gefühle unterscheiden wir in unserer Welt.
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