aus FAZ.NET, 24.01.2018-10:32
Rätselhaftes Bewustsein:
Wie kommt der Geist in die Natur?
von Hedda Hassel Mørch
... Unser eigenes Bewusstsein umfasst ein vielfältiges Feld von Sinneswahrnehmungen, Emotionen, Wünschen und Gedanken. Aber prinzipiell können bewusste Erfahrungen sehr einfach sein. Ein Tier, das einen unmittelbaren Schmerz oder ein dringendes Bedürfnis spürt, ist sich dessen bewusst, auch wenn es nicht darauf reflektiert. Unser eigenes Bewusstsein ist für gewöhnlich Bewusstsein von etwas, etwa Gewahrsein oder Betrachtung von Dingen in der Welt, von abstrakten Ideen oder dem Selbst. Wer aber einen inkohärenten Traum hat oder wild halluziniert, ist immer noch bewusst, insofern er subjektive Erfahrung hat, auch wenn sie nicht Erfahrung von etwas Speziellem ist.
Warum das Problem hart ist
Woher kommt Bewusstsein in diesem
allgemeinen Sinn? Die zeitgenössische Naturwissenschaft gibt uns gute
Gründe zu glauben, dass Bewusstsein in der Physik und Chemie unseres
Gehirns gründet, statt in etwas Immateriellem oder Transzendentem. Um
ein bewusstes System zu schaffen, brauchen wir, so gesehen, nur
physische Materie. Man setze sie auf die rechte Weise zusammen, wie das
im Gehirn geschieht, und Bewusstsein wird erscheinen. Aber wie und warum
kann Bewusstsein herauskommen, wenn man doch nur nicht-bewusste Materie
auf eine bestimmte komplexe Weise zusammensetzt?
Das
Problem ist tatsächlich schwierig, weil seine Lösung allein durch
Experiment und Beobachtung nicht gefunden werden kann. Durch immer
ausgetüfteltere Experimente und fortgeschrittene
Visualisierungs-Technologie für Neuronen gibt uns die Neurowissenschaft
zwar immer bessere Zuordnungen von bewussten Erfahrungen zu bestimmten
physischen Hirnzuständen.
Bessere Empirie hilft hier nicht
Andere
natürliche Phänomene, von dunkler Materie bis zum Leben, mögen auch
vertrackt sein. Aber sie sind längst nicht so hartnäckig. Wenn wir sie
verstehen, sammeln wir mehr physische Details. Wir bauen bessere
Teleskope und andere Instrumente, wir konzipieren bessere Experimente
oder notieren neue Gesetze und Muster innerhalb der Daten, die wir
haben. Wüssten wir um jedes physische Detail und Muster im Universum,
sollten diese Probleme verschwinden. Sie würden sich so auflösen, wie
sich das Problem der Vererbung auflöste, als man die physischen Details
der DNA entdeckt hatte.
Aber das harte Problem des Bewusstseins bliebe
bestehen, auch wenn man jede vorstellbare Art physischer Details kennen
würde. So scheint die Tiefennatur des Bewusstseins jenseits
wissenschaftlicher Reichweite zu liegen. Dabei kann uns die Physik im
Prinzip alles sagen, was wir über das Wesen physikalischer Materie
wissen können. Physik sagt uns, dass Materie aus Partikeln und Feldern
besteht, die Eigenschaften wie Masse, Ladung und Spin haben. Physik mag
noch nicht alle fundamentalen Eigenschaften der Materie entdeckt haben,
aber sie kommt dem näher.
Nicht-physikalische Eigenschaften
Dennoch ist es vernünftig, zu glauben, dass
mehr an der Materie sein muss, als die Physik sagen kann. Grob
gesprochen: Die Physik lehrt uns, was fundamentale Teilchen tun oder wie
sie sich zu anderen Dingen verhalten. Aber sie sagt nichts darüber, wie
sie in sich selber sind, unabhängig von anderen Dingen. Ladung
beispielsweise ist die Eigenschaft, andere Partikel mit derselben Ladung
zurückzuweisen und Partikel mit der gegensätzlichen Ladung anzuziehen.
Mit anderen Worten: Ladung ist eine Weise, sich auf andere Partikel zu
beziehen. Ähnlich ist Masse die Eigenschaft, auf angewandte Kräfte zu
reagieren und andere Massepartikel über die Gravitation anzuziehen, was
wieder als gekrümmter Raum oder als Interaktion mit dem Higgs-Feld
beschrieben werden kann. Auch das sind also Tätigkeiten der Partikel
oder ein In-Verbindung-Setzen mit anderen Partikeln oder der Raumzeit.
Es
scheint überhaupt so zu sein, dass alle fundamentalen physischen
Eigenschaften mathematisch beschrieben werden können. Nach Galilei, dem
Vater der modernen Naturwissenschaft, ist das Buch der Natur in der
Sprache der Mathematik geschrieben. Doch Mathematik ist eine Sprache mit
bestimmten Grenzen. Sie kann nur abstrakte Strukturen und Relationen
beschreiben. Von Zahlen können wir zum Beispiel nur wissen, wie sie sich
zu anderen Zahlen und mathematischen Objekten verhalten, indem sie
Gesetzen wie der Addition, Multiplikation und so weiter folgen. Ähnlich
wissen wir von einem geometrischen Objekt wie einem Knoten in einem
Graphen nur seine Relationen zu anderen Knoten. Ebenso kann uns eine
rein mathematische Physik nur über Relationen zwischen physikalischen
Entitäten und deren Gesetzen sprechen.
Auch Materie hat ein hartes Problem
Man kann sich fragen, wie physikalische
Partikel unabhängig sind von dem, was sie tun, oder sich auf andere
Dinge beziehen. Wie sind physikalischen Dinge in sich selbst, wie sind
sie intrinsisch? Manche sagen, dass an Partikeln nicht mehr dran ist als
ihre Relationen. Aber die Intuition widerspricht dem. Denn damit es
eine Relation gibt, müssen zwei Dinge miteinander in Relation stehen.
Sonst ist die Relation leer – wie eine Aufführung ohne Schauspieler oder
ein aus dünner Luft konstruiertes Schloss. Die physikalische Struktur
muss durch irgendeinen Stoff oder eine Substanz realisiert oder
implementiert sein. Andernfalls gibt es keinen klaren Unterschied
zwischen physikalischer und rein mathematischer Struktur, zwischen einem
konkreten Universum und einer reinen Abstraktion. Was könnte dieser
Stoff sein, der die physikalische Struktur realisiert? Was sind die
intrinsischen, nicht strukturalen Eigenschaften, die ihn
charakterisieren? Dieses Problem ist ein Nachkomme von Kants klassischem
Problem, ob man das Ding an sich kennen könne. Der Philosoph Galen
Strawson nannte es das harte Problem der Materie.
Das hat eine gewisse Ironie, denn für gewöhnlich denken wir, dass die Physik die Hardware des Universums beschreibt, also den wirklichen konkreten Stoff. Tatsächlich aber ist die physikalische Materie (zumindest insofern sie von der Physik beschrieben wird) eher wie Software: eine logische und mathematische Struktur. Das harte Problem der Materie besagt, dass diese Software eine Hardware benötigt, wohinein sie implementiert wird. Physiker haben auf brillante Weise die Algorithmen (oder den Quellcode) des Universums rekonstruiert – seine konkrete Implementierung haben sie ausgelassen.
Das hat eine gewisse Ironie, denn für gewöhnlich denken wir, dass die Physik die Hardware des Universums beschreibt, also den wirklichen konkreten Stoff. Tatsächlich aber ist die physikalische Materie (zumindest insofern sie von der Physik beschrieben wird) eher wie Software: eine logische und mathematische Struktur. Das harte Problem der Materie besagt, dass diese Software eine Hardware benötigt, wohinein sie implementiert wird. Physiker haben auf brillante Weise die Algorithmen (oder den Quellcode) des Universums rekonstruiert – seine konkrete Implementierung haben sie ausgelassen.
Bereits bei Newton wäre nicht alles geklärt
Das harte Problem der Materie unterscheidet
sich von anderen Problemen in der Interpretation der Physik. Die
zeitgenössische Physik präsentiert Rätsel: Wie kann Materie sowohl
teilchen- als auch wellenartig sein? Was ist der Kollaps der
Wellenfunktion? Was ist fundamentaler – kontinuierliche Felder oder
diskrete Individuen? Dies alles sind Fragen, die darauf zielen, wie man
die Struktur der Realität angemessen verstehen kann. Das harte Problem
der Materie bestünde selbst dann weiter, wenn alle diese Fragen nach der
Struktur geklärt wären. Unabhängig davon, über welche Struktur wir
reden, sei es die bizarrste und ungewöhnlichste oder eine vollständig
intuitive – die Frage nach der Implementierung dieser Struktur wird
bleiben.
Das
Problem besteht sogar für die Newtonsche Physik, die die Struktur der
Realität in einer sehr intuitiv eingängigen Weise beschreibt. Die
Newtonsche Physik besagt, grob gesprochen, dass Materie aus festen
Teilchen besteht, die durch gegenseitiges Abstoßen oder Anziehen
miteinander interagieren. Was aber ist die intrinsische Natur des
Stoffes, der sich auf diese einfache und intuitive Weise verhält? Welche
Hardware implementiert die Software der Newtonschen Gleichungen? Man
könnte meinen, die Antwort wäre einfach: Sie sei durch Festigkeit der
Teilchen implementiert. Aber Festigkeit ist genau das Verhalten, das
nötig ist, um das Eindringen und die räumliche Überlappung durch andere
Teilchen zu verhindern – also auch dies eine reine Relation zu anderen
Teilchen und zum Raum. Das harte Problem der Materie entsteht für jede
strukturelle Beschreibung der Realität, mag sie noch so klar und
intuitiv sein. Das harte Problem der Materie kann ebenso wenig wie das
harte Problem des Bewusstseins durch Beobachtung oder Sammlung
physikalischer Details gelöst werden. Auf diese Weise kann nur noch mehr
Struktur ans Tageslicht kommen, zumindest solange Physik eine Disziplin
bleibt, die die Wirklichkeit in mathematischen Begriffen fasst.
Struktur ist nicht alles
Könnten das harte Problem des Bewusstseins
und das harte Problem der Materie am Ende miteinander verbunden sein?
Innerhalb der Physik gibt es bereits eine Tradition, die Probleme dieses
Faches mit denen des Bewusstseins zu verbinden, insbesondere in den
Quantentheorien des Bewusstseins. Man kann daran kritisieren, dass es
ein Fehlschluss wäre, wenn man annehmen würde, dass die mysteriöse
Quantenphysik und das mysteriöse Bewusstsein zusammen weniger mysteriös
seien. Doch ein näherer Blick zeigt, dass die beiden Probleme
tatsächlich auf eine tiefere und bestimmtere Weise komplementär sind.
Einer der ersten Philosophen, die diese Verbindung bemerkt hatten, war
Leibniz im späten 17. Jahrhundert; die präzise moderne Version dieser
Idee verdanken wir dann Bertrand Russell. Jüngst haben sie
zeitgenössische Philosophen wie David Chalmers und Galen Strawson
wiederentdeckt.
Sie lautet
folgendermaßen: Das harte Problem der Materie erfordert
nicht-strukturelle Eigenschaften, und Bewusstsein ist der einzige
bekannte Kandidat für ebensolche. Bewusstsein ist voll von qualitativen
Eigenschaften, wie zum Beispiel der Rotheit von Rot, dem Unbehagen am
Hunger oder der Phänomenologie des Denkens. Solche Erfahrungen oder
„Qualia“ können interne Struktur haben, aber an ihnen ist mehr als diese
Struktur. Wir wissen etwas darüber, wie bewusste Erfahrungen in und an
sich selber sind, und nicht nur, wie sie funktionieren und sich zu
anderen Eigenschaften verhalten.
Nicht-relationales Wissen
Man stelle sich beispielsweise jemand vor,
der noch nie rote Gegenstände gesehen hat und nie davon erzählt bekam,
dass es die Farbe Rot überhaupt gibt. Diese Person weiß nichts darüber,
wie sich Rotheit zu Gehirnzuständen verhält oder zu physikalischen
Objekten wie Tomaten oder zu den Wellenlängen des Lichts. Sie weiß auch
nicht, wie sich Rotheit zu anderen Farben verhält, dass es
beispielsweise Orange ähnelt und vollkommen verschieden von Grün ist.
Eines Tages halluziniert diese Person spontan einen großen roten Fleck.
Es scheint, dass die Person dabei lernt, wie sich Rotheit anfühlt, auch
wenn sie seine Relationen zu anderen Dingen nicht kennt. Das Wissen, das
sie erwirbt, ist nicht-relationales Wissen.
Dies
legt nahe, dass Bewusstsein – in einer primitiven und rudimentären Form
– die Hardware ist, auf der die Software, die von der Physik
beschrieben wird, läuft. Man kann sich die physikalische Welt als eine
Struktur bewusster Erfahrungen vorstellen. Unsere eigenen reich
strukturierten Erfahrungen implementieren die physikalischen Relationen,
die unsere Gehirne ausmachen. Einfache elementare Formen von
Erfahrungen implementieren die Relationen, die fundamentale Teilchen
ausmachen. Man nehme beispielsweise ein Elektron. Ein Elektron zieht
andere Entitäten an, stößt sie ab und bezieht sich auf andere Weisen auf
sie, entsprechend fundamentaler physikalischer Gleichungen. Wodurch
wird dieses Verhalten ausgelöst? Es könnte ein Strom winziger
Elektron-Erfahrungen dahinterstecken. Elektronen und andere
physikalische Teilchen kann man sich demnach als mentale Wesen mit
physikalischen Kräften vorstellen; als Erfahrungsströme in
physikalischen Relationen mit anderen Erfahrungsströmen.
Die Physik ist die Software
Dies klingt seltsam, beinahe mystisch, aber
es entstammt einer sorgfältigen Gedankenführung über die Grenzen der
Naturwissenschaft. Leibniz und Russell folgten dezidiert der
naturwissenschaftlichen Rationalität – was klar aus ihren Beiträgen zur
Physik, Logik und Mathematik hervorgeht – und gingen gleichermaßen davon
aus, dass das Bewusstsein wirklich und einzigartig ist. Um beiden
Phänomenen ihr Recht zu geben, forderten sie einen radikalen Wandel des
Denkens.
Und es ist wirklich ein radikaler Wandel. Philosophen und Neurowissenschaftler nehmen häufig an, dass Bewusstsein wie Software ist, währenddessen das Gehirn der Hardware gleicht. Unser Vorschlag stellt diese Vorstellung auf den Kopf. Physik gibt uns nur Software – nur eine Menge von Relationen – bis hinab auf die unterste Ebene. Bewusstsein ist mehr als das, wegen seiner eindeutig qualitativen, nicht-strukturellen Eigenschaften.
Mit dieser
Lösung des harten Problems der Materie verschwindet das harte Problem
des Bewusstseins beinahe vollständig. Man braucht sich nicht mehr zu
fragen, wie Bewusstsein aus nicht-bewusster Materie entsteht. Denn alles
Materielle ist bereits bewusst. Man muss sich nicht weiter fragen, wie
Bewusstsein von der Materie abhängt. Denn Materie hängt vom Bewusstsein
ab – so wie Relationen von ihren Relata abhängen. Oder Strukturen von
ihren Realisatoren. Oder Software von Hardware.
Man könnte
dagegenhalten, dies alles sei ein Anthropomorphismus, eine nicht
gerechtfertigte Projektion menschlicher Qualitäten auf die Natur. Warum
denken wir denn, dass physikalische Struktur einen intrinsischen
Realisierer braucht? Doch wohl deshalb, weil unsere Gehirne
intrinsische, bewusste Eigenschaften haben und wir die Natur in
ähnlichen Begriffen verstehen wollen? Aber dieser Vorwurf sticht nicht.
Die Idee, dass man intrinsische Eigenschaften braucht, um wirkliche und
konkrete von rein abstrakten Strukturen zu unterscheiden, ist
vollständig unabhängig vom Bewusstsein. Dem Argument des
Anthropomorphismus kann man mit dem Gegenargument der menschlichen
Ausnahmestellung begegnen. Wäre das Gehirn tatsächlich rein materiell,
warum sollte es bezüglich seiner intrinsischen Eigenschaften so
verschieden vom Rest der Materie sein?
Zwei-Aspekte-Monismus
Diese Ansicht, dass Bewusstsein den
intrinsischen Aspekt der physischen Realität konstituiert, läuft unter
verschiedenen Namen. Einer der präzisesten ist „Zwei-Aspekte-Monismus“.
Monismus im Kontrast zu Dualismus, wo Bewusstsein und Materie zwei
fundamental verschiedene Substanzen oder Arten von Stoff sind. Dualismus
gilt weithin als unwissenschaftlich, weil die Naturwissenschaften keine
Belege geben für nicht-physische Kräfte, die das Gehirn beeinflussen.
Im Monismus ist
die ganze Realität aus einer Art Stoff gemacht. Davon gibt es einige
Varianten. Der am weitesten verbreitete Monismus ist der Physikalismus
(oder Materialismus), also die Ansicht, dass alles aus einem physischen
Stoff gemacht ist, der nur den einen Aspekt hat, den die Physik
offenlegt. Die meisten Philosophen und Naturwissenschaftler sind heute
dieser Meinung. Entsprechend dieser Theorie lässt eine rein
physikalische Beschreibung der Realität nichts aus. Nach dem harten
Problem des Bewusstseins freilich lässt jede rein physikalische
Beschreibung eines bewussten Systems wie des Gehirns zumindest etwas
aus: Sie kann nie vollständig fassen, wie es sich anfühlt, dieses System
zu sein. Das heißt, sie fasst die objektiven, aber nicht die
subjektiven Aspekte von Bewusstsein, die Gehirnfunktionen, aber nicht
unser inneres mentales Leben.
Das Ding an sich sind wir selbst
Um beiden Phänomenen ihr Recht zu geben,
muss man vollständig umdenken. Russells Zwei-Aspekte-Monismus versucht
diesen Mangel zu beheben. Er akzeptiert, dass das Gehirn ein materielles
System ist, das sich entsprechend den Gesetzen der Physik bewegt. Aber
er fügt einen weiteren, intrinsischen Aspekt zur Materie hinzu, der von
der extrinsischen Warte der dritten Person, wie ihn die Physik hat,
verborgen bleibt und nicht durch eine rein physikalische Beschreibung
gefasst werden kann. Doch obwohl sich dieser intrinsische Aspekt unseren
physikalischen Theorien entzieht, entzieht er sich nicht unserem
inneren Beobachten. Unser eigenes Bewusstsein konstituiert die
intrinsischen Aspekte des Gehirns, und dies ist der Schlüssel zum
intrinsischen Aspekt anderer physikalischer Dinge. In diesem
Zusammenhang lässt sich Arthur Schopenhauers prägnante Antwort auf Kant
paraphrasieren: Wir können vom Ding-in-sich-selber ebendeshalb wissen,
weil wir es selber sind.
Man kann einen
moderaten oder radikalen Zwei-Aspekte-Monismus vertreten. Für moderate
Versionen besteht der intrinsische Aspekt der Materie in sogenannten
proto-bewussten oder „neutralen“ Eigenschaften: Eigenschaften, die die
Naturwissenschaften nicht kennen, die sich aber von Bewusstsein
unterscheiden. Die Natur solcher weder mentalen noch physischen
Eigenschaften scheint sehr geheimnisvoll zu sein. Wie die schon erwähnte
Quanten-Bewusstseins-Theorie kann dem moderaten Zwei-Aspekte-Monismus
vorgeworfen werden, er addiere nur ein Geheimnis zum anderen und
erwarte, dass sich die beiden Geheimnisse gegenseitig auslöschen.
Bewusste Elementarteilchen?
Für die radikalere Version eines
Zwei-Aspekte-Monismus besteht der intrinsische Aspekt der Realität im
Bewusstsein. Diese Position unterscheidet sich klar vom subjektiven
Idealismus, dem zufolge die physikalische Welt nur eine Struktur im
menschlichen Bewusstsein ist und eine äußere Welt in gewissem Sinne eine
Illusion. Für den Zwei-Aspekte-Monismus existiert die externe Welt
vollständig unabhängig vom menschlichen Bewusstsein. Freilich würde sie
nicht unabhängig von jeder Art von Bewusstsein existieren, weil alle
physikalischen Dinge mit gewissen Formen von Bewusstsein ihrer selbst
assoziiert sind, als ihre intrinsischen Realisierer, als ihre Hardware.
Gegen den Zwei-Aspekte-Monismus als Lösung des harten Problems des Bewusstseins sprechen einige Einwände. Am häufigsten wird behauptet, dass er auf Panpsychismus hinauslaufe: die Ansicht, dass alle Dinge mit einer Form von Bewusstsein assoziiert sind. Für die Kritiker ist es einfach zu wenig plausibel, dass fundamentale Partikel bewusst sein sollen. Und in der Tat muss man sich an eine solche Theorie erst gewöhnen. Man überdenke freilich, was als Alternative bleibt. Ausgehend von der Wissenschaft, ist ein Dualismus nicht plausibel. Physikalismus hat die Zielrichtung, dass der wissenschaftlich zugängliche Aspekt der Wirklichkeit die einzige Wirklichkeit ist. Daraus folgt geradewegs, dass der subjektive Aspekt des Bewusstseins eine Illusion ist. Dem mag so sein – aber sollten wir nicht eher davon ausgehen, dass wir im vollen subjektiven Sinne bewusst sind, als dass Teilchen es nicht sind?
Gegen den Zwei-Aspekte-Monismus als Lösung des harten Problems des Bewusstseins sprechen einige Einwände. Am häufigsten wird behauptet, dass er auf Panpsychismus hinauslaufe: die Ansicht, dass alle Dinge mit einer Form von Bewusstsein assoziiert sind. Für die Kritiker ist es einfach zu wenig plausibel, dass fundamentale Partikel bewusst sein sollen. Und in der Tat muss man sich an eine solche Theorie erst gewöhnen. Man überdenke freilich, was als Alternative bleibt. Ausgehend von der Wissenschaft, ist ein Dualismus nicht plausibel. Physikalismus hat die Zielrichtung, dass der wissenschaftlich zugängliche Aspekt der Wirklichkeit die einzige Wirklichkeit ist. Daraus folgt geradewegs, dass der subjektive Aspekt des Bewusstseins eine Illusion ist. Dem mag so sein – aber sollten wir nicht eher davon ausgehen, dass wir im vollen subjektiven Sinne bewusst sind, als dass Teilchen es nicht sind?
Die Alternative wäre noch rätselhafter
Ein zweiter Vorwurf ist das sogenannte
Kombinationsproblem. Wie und warum entsteht die komplexe Einheit des
Bewusstseins in unseren Gehirnen aus der Zusammenstellung von Teilchen
mit einfachem Bewusstsein? Diese Frage kommt dem ursprünglich harten
Problem verdächtig nahe. Ich und andere Verteidiger des Panpsychismus
haben argumentiert, dass das Kombinationsproblem dennoch weniger hart
ist als das ursprüngliche harte Problem. Es ist auf eine gewisse Weise
einfacher, zu einer bewussten Materie (einem bewussten Gehirn) von einer
anderen bewussten Materie (wie einer Menge bewusster Partikel) aus zu
gelangen, als bewusste Materie von nicht-bewusster herzuleiten. Viele
überzeugt das zwar noch nicht. Doch das mag nur eine Frage der Zeit
sein. Am ursprünglichen harten Problem haben die Philosophen in der
einen oder anderen Form über Jahrhunderte hinweg gegrübelt. Das
Kombinationsproblem hat viel weniger Aufmerksamkeit bekommen. Das gibt
mehr berechtigte Hoffnung auf eine bislang unentdeckte Lösung.
Die
Möglichkeit, dass Bewusstsein der wirklich konkrete Stoff der Realität
ist, also die fundamentale Hardware, die die Software unserer
physikalischen Theorien implementiert, ist und bleibt eine radikale
Idee. Sie stellt unser gewohntes Bild auf den Kopf, so dass man sie
vielleicht schwer fassen kann. Doch es mag sein, dass man so die
härtesten Probleme der Naturwissenschaft und der Philosophie auf einen
Schlag löst.
Aus dem Englischen von Matthias Rugel
Die norwegische Philosophin Hedda Hassel Mørch arbeitet an der Universität Oslo und zurzeit am Center for Mind, Brain and Consciousness der New York University und ist regelmäßige Gastforscherin am Center for Sleep and Consciousness der University of Wisconsin-Madison. Der Text ist erstmals im April 2017 in der Zeitschrift „Nautilus“ erschienen.
Nota. - Wir wissen nur das, was in unserm Bewusstsein vorkommt. In unserm Bewusstsein kommen nur Vorstellungen vor; keine Dinge, sondern Vorstellungen von Dingen. Wir begreifen an den Dingen nicht ihre Erscheinung, sondern den Begriff, den wir uns von ihnen machen. Begriffe sind Vorstellungen. Wir stellen uns unsere Vorstellung vor. Ob es ein Drittes gibt, das Erscheinung und Begriff gemeinsam ist und sie vereinigt, ist wiederum ein Sache des... Vorstellens. Das wäre aber kein Drittes und Gemeinsames, sondern das Zweite, sobald jenes auf sich selbst reflektiert - und auf das Erste, auf das es ipso facto ebenso reflektiert, weil es sich anders gar nicht von sich unterscheiden könnte; und die beide nur 'sind', sofern es reflektiert.
Materie ist eine Vorstellung ebenso wie Geist, ihr Sein besteht darin, dass sie dem Geist entgegen-steht; darin, dass sie Gegenstand ist. Und das ist sie nicht intrinsisch, sonderen relationell, nämlich indem ein erkennen-Wollendes auf sie trifft.
Trifft - wie denn das? Hedda Hassel Mørch sagt es ja selbst: durch das Gefühl, sensus, physiologischer Reiz. Der Reiz kommt nicht vor in dem, was getroffen wird, sondern in dem, was trifft. Nämlich als Gefühl, das als solches keine andere Relation hat als mit dem, was das Treffende zuvor schon 'gefühlt' hat: lauter Qualia in einem lebenden Organismus, die ein System bilden, indem der lebende Organismus selber ein System ist. Was es als 'Struktur' des Angetroffenen, Vorgefunden vorstellt, ist der Widerschein dessen, was im organi- schen System geschieht. Das ist das einzig Intrinsische, das es in der Welt gibt. Es ist die Hardware alles Wirklichen.
Das sei eine ganz ausgefallene Philosophie? Ja, das ist es, das war es, seit es sie gibt, sie heißt Transzenden- talphilosophie. Sie wurde von Kant lediglich begründet und beinahe vollendet von Fichte. Frau Mørch führt uns bis an ihre Schwelle.
PS. Schopenhauer hatte bei Fichte studiert. Bei ihm ist allerdings nicht der Mensch das Ding-an-sich, sondern der Wille; das wiederum hatte er - freilich in ganz anderm Sinn - bei Fichte gehört.
JE
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