Donnerstag, 30. November 2017

Begriffe waren einmal Bilder.



Begriffe sind durch häufigen Gebrauch abgeschliffene Bilder. Scharf wurden sie dabei nur in der einen Hinsicht, in der andern wurden sie glatt und platt.


Aus e. Notizbuch, im Sept. 10







Mittwoch, 29. November 2017

Gibt es denn Wahrheit?


Sais

Ich meine nicht, dass "es" Wahrheit "gibt". Wer oder was könnte mit "es" gemeint sein? Und was sollte "geben" hier bedeuten?* Dennoch haben alle Sätze, die ich sagen kann, nur dann einen Sinn, wenn ich unterstelle, daß sie wahr sind. Das ist offenbar ein Paradox. Das läßt sich nur... nein, nicht ausräumen, sondern lediglich: vor mir her schieben, indem ich sage, dass es Wahrheit geben soll

Natürlich kann ich aber "den Dingen" nicht vorschreiben, wie oder was sie 'sollen'! Der Satz 'Wahrheit soll sein, weil anders meine Sätze keinen Sinn haben' lässt sich anders formulieren: 'Du sollst reden, als ob es Wahrheit gäbe'. Das ist keine theoretische Tatsachenbehauptung, sondern eine praktische (pragmatische) Fiktion. 

Ob ich diese Fiktion logisch, ethisch oder ästhetisch nenne, ist an diesem fortgeschrittenen Punkt schon gleichgültig. Es gibt allerdings (denkpraktische) Gründe, sie als eine ästhetische Fiktion aufzufassen.

aus e. online-Forum, 29. 9. 07


*) Auf Englisch heißt es there is: Da ist.
Auf Französisch il y a: Da hat es.
Auf Spanisch hay: (Es) hat.
Italienisch: c'è: Da ist 





Montag, 27. November 2017

A und O.



Eine Intelligenz, die so handelt, wie es in der Wissenschaftslehre dargestellt ist, soll vernünftig heißen. 

Zur westlichen Großmacht stieg die Vernunft im siebzehnten Jahrhundert, genau: nach dem Ende des Dreißig- jährigen Krieges auf. Sie sollte an die Stelle der Glaubensbekenntnisse treten, die Europa in Zwietracht und Verheerung geführt hatten. 

Zu uneingeschränkter Herrschaft wollte die französische Revolution sie bringen: Im November 1793 wurde in Notre Dame de Paris statt der christliche Kulte die Fête de la Raison gefeiert. Doch dem Wohlfahrtsausschuss grauste vor ihrer atheistischen Tendenz und setzte ihr im Juni 1794 die Fête le l'Être Suprème entgegen - die Ver- nunft nicht länger als handelndes Subjekt, sondern als Attribut der Gottheit. 

Da hatte in Deutschland die Vernunftkritik bereits begonnen: die Reflexion der Vernunft auf sich selbst, die Frage nach ihrer Reichweite und ihren Bedingungen. Kant war beim Apriori als einem Vorauszusetzenden steckengeblieben. Die Wissenschaftslehre führt auch dieses auf den Voraussetzenden selbst zurück: das tätige Ich. Doch leider ist die Wissenschaftslehre ihrerseits im Atheismusstreit steckengeblieben. Aber der hat sich erübrigt und nichts hindert uns, sie wieder aufzunehmen.





 

Freitag, 24. November 2017

Was lehrt Transzendentalphilosphie?



Transzendentalphilosophie ist keine Lehre von Dingen und Sachverhalten; sondern eine Lehre von Sicht- weisen, die man einnehmen kann und unter gewählten Voraussetzungen einnehmen muss. 

Es kommt also offenbar auf die zu wählenden Voraussetzungen an.





Donnerstag, 23. November 2017

Sein ästhetisches Vermögen ist das ursprünglich Schöpferische im Menschen.



'Der Mensch hat mit seinem Ausbruch in eine fremde Welt die Vorbestimmtheit alles ihm Erscheinenden verloren: Ihm "erscheint" auch das, was für Stoffwechsel und Fortpflanzung ... ohne Bedeutung ist. Er muss Dinge selbst-bestimmen. Zuerst, ob sie für Stoffwechsel und Fortpflanzung 'in Frage kommen'. Von ihm fordert jede Erscheinung ein Urteil. Das ist die Grundbedingung des Existierens in einer Welt. Das Urteilen ist: im Wahrnehmen ipso actu entscheiden zwischen Beifall und Missbilligung.' 

So habe ich [seinerzeit] aus einem Notizheft zitiert und auf den ursprünglich ästhetischen Charakter des Urtei- lens hingewiesen: 'Beifall und Missbilligung erfolgen nämlich einstweilen versuchsweise: 'Ob es was taugt?' - 'Mal sehen, zu was.''

*

Ich hole aus.

'Beifall und Missbilligung' - damit kennzeichnet der Fichte-Schüler Herbart, der früh mit der Transzendental- philosophie gebrochen hat, um zu den Eleaten (und eigentlich auch Leibniz) zurückzukehren, die Besonderheit der ästhetischen Urteilensweise. - Wie ein Kantianer unterscheidet er das Wissen nicht nach seinen Gegenstän- den, sondern nach der Art und Weise, wie es zustandekommt. Und zwar unterscheidet er Metaphysik und Ästhe- tik. Metaphysisch ist alles Wissen, das durch das An- und Verknüpfen von Vorstellungen zustandekommt; also das ganze Feld des diskursiven Denkens. Ästhetisch nennt er jene Vorstellungen, die notwendig unmittelbar mit einem Gefühl des Beifalls oder der Missbilligung begleitet sind. Ästhetische Vorstellungen im Bereich der Wil- lensakte nennt er ethisch, Ethik ist ein Teilbereich der Ästhetik. - Dass er Fichte-Schüler war, ist kaum zu über- hören, wenn er es selber auch nicht wahrhaben wollte.


Zurück zum Ur-Sprung der Menschwerdung. Der Mensch, der die Selbstverständlichkeiten seiner Urwald- nische hinter sich gelassen hatte, musste fragen. Die Frage 'Ist es dies?' 'Ist es das?' kommt nie zu einem Ende, wo alles neu ist; wäre aber nur möglich, wenn die Erinnerungen an die verlassene Umwelt bestimmt wären, aber gerade das waren sie nicht - sondern selbstverständlich. 'Kann ich es essen, kann ich es trinken' - so wie noch heute der Franzose fragt - ist eine enge Fragestellung, aber 'Dient es meiner Selbst- und Arterhaltung?' konnte er noch nicht fragen, doch selbst auf die Frage nach der Genießbarkeit gab es nur eine Antwort: Du musst es versuchen. 

Die Versuchung ist es, die Beifall oder Missbilligung heischt, nicht das Ding. Die Frage, ob man's wagen soll, lässt sich aus Begriffen (noch) nicht entscheiden, sie muss intuitiv gefunden werden, in der Anschauung selbst. Es ist ein - ästhetisches Urteil.



Das ist Anthropologie, nicht Transzendentalphilosophie. Aber sie steht unter der Aufsicht der Transzendental- philosophie. Sie hat nicht zu beweisen - aus welche Dokumenten denn ? -, weshalb dieses so und nicht anders kommen musste. Sondern sie muss ausschauen, ob Bedingungen gegeben sind, an die sie sinnvoll ihre Fragen stellen kann. Die Fragen kommen woher? Aus dem, was uns phänomenal als 'das Menschliche' vorliegt. Die Bedingungen, das ist das Wenige (das aber immer mehr wird), was uns die Paläontologie versichern kann.

Wir haben gedacht, das spezifisch Menschliche, das uns phänomenal vorliegt, sei die Intelligenz. Von der wissen wir inzwischen, dass sie reichlich auch überall im Tierreich schon vorkommt, unsere Vorsprünge sind überall nur graduell. Auch dass Versuchungen an uns treten, ist nichts Spezifisches. Das wird Tieren auch passieren, und da zeigt sich, dass schon bei ihnen persönliche Lebenserfahrung ein Rolle spielt. Ansonsten sind Versuchungen für das Tier wie eine Lotterie.

Aber der Mensch will spielen. Er sucht die Versuchung, er bleibt sein Leben lang neugierig wie sonst nur die Kinder, er steht allezeit vor der Frage, ob ihn das Abenteuer lockt oder die Gefahr ihn schreckt. Früher war er Jäger. In der Arbeitsgesellschaft konnte er das nicht bleiben, darum hat sie den Phänotypus des Künstlers her- vorgebracht. So kam das ästhetische Vermögen zu seinem vorläufigen Bestimmungspunkt.

Das ist die Frage und die Antwort.


1. 12. 14




Mittwoch, 22. November 2017

Die Frage nach dem Sinn des Lebens.



Leben, das Sinn hätte, fragte nicht danach, vor der Frage flüchtet er.
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Th. W. Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt a. M., 1997, S. 369


Nota. - Ich würde im Gegenteil sagen: Der Sinn des Lebens ist, dass du danach fragst.
JE





Dienstag, 21. November 2017

Philosophie ist keine Gleichung.


 mykenisch, 14. Jhdt. v. Chr. 

Philosophie ist keine Gleichung, sondern eine Metapher.
27. 11. 14

Streng genommen ist sie daher eine Ungleichung; sie handelt mehr vom Sollen als vom Sein.





Sonntag, 19. November 2017

Zwei Arten, vom Begriff zu reden.



Ein Thema der gegenständlichen (reellen) Philosophie ist, wie und wozu die Begriffe zu verwenden sind.
Das ist nicht Sache der Transzendentalphilosophie. Die fragt, wie und woher Begriffe entstehen.






Samstag, 18. November 2017

Einbildungskraft.


  knipseline  / pixelio.de

Dieser Wechsel des Ich in und mit sich selbst, da es sich endlich und unendlich zugleich setzt - ein Wechsel, der gleichsam in einem Widerstreite mit sich selbst besteht, und dadurch sich selbst reproduziert, indem das Ich Un- vereinbares vereinigen will, jetzt das Unendliche in die Form des Endlichen aufzunehmen versucht, jetzt, zurück- getrieben, es wieder außer derselben setzt, und in dem nämlichen Momente abermals es in die Form der Endlich- keit aufzunehmen versucht - ist das Vermögen der Einbildungskraft.
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J. G. Fichte, Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, SW I, S. 215




Freitag, 17. November 2017

Anschaubar wird meine Tätigkeit nur durch den Widerstand, auf den sie trifft.


Kunstart.net  / pixelio.de  

Handlung ist Tätigkeit, der unaufhörlich widerstanden wird, und nur diese Synthesis des Widerstandes ist es, durch die eine Tätigkeit des Ich anschaubar wird.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 63


Nota. - Nur, was anchaubar ist, ist etwas: Erst durch Handeln wird der Widerstand, der der Tätigkeit geschieht, etwas. Das Handeln ist absolut; es ist der Grund von allem Sein und Gelten.
JE.

Donnerstag, 16. November 2017

Wie ist Erfahrung möglich?


Lothar Sauer

Dass ich mir überhaupt etwas bewusst werden kann, davon liegt der Grund in mir, nicht in den Dingen. Ich bin mir Etwas bewusst; das einzige Unmittelbare, dessen ich mir bewusst bin, bin ich selbst; alles andre macht die Bedingungen meines Selbstbewusstseins aus. Vermittelst des Selbstbewusstseins mache ich mir die Welt bewusst.
 

Ich bin mir Objekt des Bewusstseins nur im Handeln. Wie ist die Erfahrung möglich? heißt: Wie kann ich mir meines Handelns bewusst werden? Auf die Beantwortung dieser Frage geht alles aus, und wenn sie beantwortet ist, so ist unser System geschlossen.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 101




Mittwoch, 15. November 2017

Die Vermittlung zwischen dem Transzendentalen und dem Realen ist das Ästhetische.


André Kertész, 1929
 
Die soeben beschriebene... Philosophie steht auf dem transzendentalen Standpunkt und sieht von diesem auf den gemeinen Gesichtspunkt herab; das ist das Wesen der transzendentalen Philosophie, dass sie nicht will Denkart im Leben werden, sondern zusieht einem Ich, welches im Leben ein Denksystem zustandebringt, sie schafft selbst nichts. Dieses Ich steht auf dem gemeinen Standpunkt. ...

Der Mensch kann sich auf den transzendentalen Standpunkt erheben nicht als Mensch, sondern als spekulativer Wissenschaftler. Es entsteht für die Philosophie selbst ein Anstoß, in ihr ihre eigene Möglichkeit zu erklären. Was gibts für einen Übergang zwischen beiden Gesichtspunkten; - Frage über die Möglichkeit der Philosophie. Beide Gesichtspunkte sind sich ja gerade entgegengesetztes. Gibts nicht ein Mittleres, so ist nach unsern eignen Grund- sätzen kein Mittel, zu ihm über/zugehen. 

Es ist faktisch bewiesen, dass es so ein Mittleres gibt zwischen der transzendentalen und der gemeinen Ansicht: dieser Mittelpunkt ist die Ästhetik. Auf dem gemeinen Gesichts- punkt erscheint die Welt als gegeben, auf dem transzendentalen [als] gemacht (alles in mir), auf dem ästhetischen erscheint sie als gegeben so als ob wir sie ge- macht hätten und wie wir selbst sie machen würden. [vide Sittenlehre, von den Pflichten des ästhetischen Künstlers] 
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 243f.
 
 
Nota. - Weder das Reale noch das Transzendentale gibt es an sich, und ebensowenig das Ästhetische. Es sind alles nur Anschauungsweisen und Gesichtspunkte, die man einnehmen kann in Freiheit (freilich: einen von ihrn muss man einnehmen, wenn immer man wahrnehmen will.) 

Also nicht das Ästhetische ist ein Mittelding; sondern lediglich ein Übergang, wenn ich von dem einen Gesichts- punkt zum andern wechseln will. Vom transzendentalen zum realen: Natürlich - wenn ich aus dem Zustand der Reflexion auf meine Tätigkeit in den Zustand der Tätigkeit unter den Dingen selbst zurückkehren will, stoße ich als erstes auf deren äußeren Schein. Umgekehrt ist es nicht ganz so natürlich. Wenn ich mich aus meiner Tätig- keit unter den Dingen zu meiner bloßen Vorstellung meiner Vorstellung zurückziehen will, muss sich allererst von der Gegenständlich-, nämlich Widerständigkeit der Dinge gegen meine Zwecke abstrahieren, indem ich meine Zwecke selbst außer Acht lasse - und von den Dingen ihren bloße Schein zurückbehalte.

Und drittens kann ich beides tun und dabei auf den Abschluss des Übergangs verzichten; im Übergang schwe- bend verharren. Das wäre Schillers ästhetischer Zustand oder, nach Fichte, der Standpunkt des ästhetischen  Künstlers.
JE



Dienstag, 14. November 2017

Quintessenz der Vernunft.



1. Das Leben hat einen Zweck.

2. Wie immer er zu bestimmen ist - wenn ich ihn erfülle, ist er auf jeden Fall ein Gewinn; wenn ich ihn verfehle, ist das Leben vergeudet.


3. Sinn des Lebens ist Gewinn. 


Nota. - Ob es Vernunft gibt, mag strittig sein. Aber ein Vernunftzeitalter hat es unstreitig gegeben. Was haben sie sich damals darunter vorgestellt? Und wenn es ein solches Zeitalter gab - was ist daraus geworden, und warum? Dauert es womöglich an? 

Die erste Frage ist eine historisch-theoretische. Die zweite nicht.













Montag, 13. November 2017

Transzendentalphilosophie in zwei Sätzen.


Luke Hillestad, Echo

Was in der Intelligenz ist, ist Bild und nichts anderes. - Wir sehen alles in uns, wir sehen nur uns, nur als handelnd, nur als übergehend vom Bestimmbaren zum Bestimmten.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 54
 

Das ist die knappste Zusammenfassung der Wissenschaftslehre, die ich mir denken kann.
JE







Sonntag, 12. November 2017

Transzendental oder ideal.


Lupo  / pixelio.de

...einer sonderbaren Verwechselung. Es ist die des Ich als intellektueller Anschauung, von welchem die WL aus- geht, und des Ich als Idee, mit welchem sie schließt. Im Ich, als intellektueller Anschauung, liegt lediglich die Form der Ichheit, das in sich zurückgehende Handeln, welches freilich auch selbst zum Gehalte desselben wird... 

Das Ich ist in dieser Gestalt nur für den Philosophen, und dadurch, daß man es faßt, erhebt man sich zur Philo- sophie. Das Ich als Idee ist für das Ich selbst, welches der Philosoph betrachtet, vorhanden; und er stellt es nicht auf als seine eigene, sondern als Idee des natürlichen, jedoch vollkommen ausgebildeten Menschen... 
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J. G. Fichte, Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, SW I, S. 517





Samstag, 11. November 2017

Das absolute Postulat.




Was tu ich, indem ich philosophiere? Ich denke über einen Grund nach, dem Philosophieren liegt also ein Streben nach dem Denken eines Grundes zu Grunde. Grund ist aber nicht Ursache im eigentlichen Sinne, sondern innere Beschaffenheit – Zusammenhang mit dem Ganzen. Alles Philosophieren muss also bei einem absoluten Grunde endigen. 

Wenn dieser nun nicht gegeben wäre, wenn dieser Begriff eine Unmöglichkeit enthielte, so wäre der Trieb zu philosophieren eine unendliche Tätigkeit und darum ohne Ende, weil ein ewiges Bedürfnis nach einem absoluten Grunde vorhanden wäre, was doch nur relativ gestillt werden könnte – und darum nie aufhören würde. 

Durch das freiwillige Entsagen des Absoluten entsteht die unendliche freie Tätigkeit in uns – das einzig mögliche Absolute, was uns gegeben werden kann und das wir durch unsre Unvermögenheit, ein Absolutes zu erreichen und zu erkennen, finden. Dies uns gegebene Absolute lässt sich nur negativ erkennen, indem wir handeln und finden, dass durch kein Handeln das erreicht wird, was wir suchen. 

Das ließe sich ein absolutes Postulat nennen.
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Novalis, "Fichte-Studien", in Gesammelte Werke, Herrliberg-Zürich 1945, Bd. 2, S. 172



Donnerstag, 9. November 2017

Der harte Kern der Wissenschaftslehre.


Petra Bork  / pixelio.de

Anschauung des Wirklichen ist nur möglich durch Anschauung eines wirklichen Handelns des Ich, also alle Er- fahrung geht aus vom Handeln. Ist kein Handeln, so ist keine Erfahrung, und ist diese nicht, so ist kein Bewusst- sein. 

Nur meiner Tätigkeit kann ich mir bewusst werden, aber ich kann mir derselben nur bewusst werden als einer beschränkten. Die Erfahrung bezieht sich auf Handeln, die Begriffe entstehen aus Handeln und sind nur um des Handelns willen da, nur das Handeln ist absolut. Im Handeln erst komme ich auf Objekte. Der Urgrund alles Wirklichen ist daher die Wechselwirkung oder Vereinigung des Ich und NichtIch.  

Das NichtIch ist sonach nichts Wirkliches, wenn es sich nicht auf ein Handeln des Ich bezieht, denn nur durch diese Bedingung und Mittel wird es Objekt des Bewusstseins. Dadurch wird nun das Ding an sich für immer aufgehoben.
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nach J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodoHamburg 1982, S. 60f.





Mittwoch, 8. November 2017

Real sind nicht die Dinge, sondern ihre Wechselwirkung.



 

Der Kritische Idealismus ist kein Materialismus oder Dogmatismus. Kein Materialismus, der von Dingen ausgeht, kein Idealismus, der von einem Geiste als Substanz ausgeht. Kein Dualismus, der vom Geist und von den Din- gen an sich als abgesonderten Substanzen ausgeht. Der kritische Idealismus geht aus von ihrer Wechselwirkung als solcher, oder als Akzidenz beider (Substanz und Akzidenz sind Formen unseres Denkens.) Dadurch wird er der Notwendigkeit enthoben, eines von beiden zu leugnen.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 62


Nota. - Nicht was ist wird wahrgenommen, sondern was geschieht. Eine Sonderung durch Entgegensetzen ge- schieht erst in der Reflexion durch Bestimmung.
JE









Dienstag, 7. November 2017

Ursprünglich ist nur Materie.


Harald Schottner, pixelio.de

…es ist nicht möglich, auf den Raum zu reflektieren, ohne auf das Objekt, das im Raume ist, zu reflektieren; denn der Raum ist die subjektive Bedingung des Objekts, und der Raum ist bedingt durch die Reflexion auf das Objekt.. Es ist nicht möglich, auf das Objekt zu reflektieren, ohne auf den Raum, aber es gibt auch keinen Raum ohne Objekt, sonach sind beide im Bewusstsein notwendig vereinigt; ursprünglich ist kein Objekt und kein Raum gegeben allein, sondern zugleich. Objekt im Raum aber heißt Materie; folglich ist ursprünglich Materie.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 113




Montag, 6. November 2017

Nur als ein Suchen kann die Idee angeschaut werden.


Angelika Schramm, pixelio.de

Der Begriff des Ideals ist eine Idee. Sie ist ein Begriff von etwas, das gar nicht begriffen werden kann; z. B. der Begriff von der Unendlichkeit des Raums. Dies scheint ein Widerspruch zu sein, welcher so gelöst wird: Vom Objekte ist kein Begriff möglich, aber von der Regel, nach welcher es durch ein Fortschreiten ins Unendliche hervorgebracht werden müsste, z. B. der unendliche Raum; jeder Raum, der aufgefasst wird, ist endlich, wir geben daher nur acht, wie wir es machen würden, wenn wir den unendlichen Raum auffassen wollten. Man denkt sich die Regel weg, so bleibt das Suchen übrig, und das ist das Objekt der Anschauung, von der hier geredet wird.
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J. G Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 84


Nota. - Die Idee aller Ideen ist das Wahre-Gute-Schöne, alias das Absolute. Nach obigem hätte sich Fichte darauf festlegen müssen: Wirklich wird das Absolute nur in der Suche danach. Dass er nur wenig später dem pp. Gedan- ken eines Realabsoluten stattgegeben hat, war seine Abkehr von der Transzendentalphilosphie. 
JE







Sonntag, 5. November 2017

Bildsamkeit ist der Charakter der Menschheit.


Annamartha, pixelio.de

…daß der Mensch als solcher nicht Zögling der Natur ist, noch es sein soll. Ist er ein Tier, so ist er ein äußerst unvollkommenes Tier, und gerade darum ist er kein Tier. [S. 81f.] ... Jedes Tier ist, was es ist: der Mensch ist ursprünglich gar nichts. Was er sein soll, muß er werden: und da er doch ein Wesen für sich sein soll, durch sich selbst werden. Die Natur hat alle ihre Werke vollendet, nur von dem Menschen zog sie die Hand ab, und übergab ihn gerade dadurch an sich selbst. Bildsamkeit, als solche, ist der Charakter der Menschheit. [S. 80]
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J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre [1796] SW. Bd. III, S. 81f., 80.




 

Samstag, 4. November 2017

Sehhilfe.

birgitH  / pixelio.de
 
Ausdrücklich und ganz bestimmt durch das Nichtphilosophieren, d. h. dadurch, daß man zur philosophischen Abstraktion sich nie erhoben oder von der Höhe derselben sich wieder in den Mechanismus des Lebens [und] gemeinen Denkens hineinversetzt, entsteht uns alle Realität; und umgekehrt, sowie man sich zur Spekulation erhebt, verschwindet diese Realität gänzlich. 

Nun ist das Leben Zweck, keinesfalls das Spekulieren; das letztere ist nur Mittel. Und es ist nicht einmal Mittel, das Leben zu bilden; es liegt in einer ganz anderen Welt. Was auf das Leben Einfluß haben soll, muß selbst aus dem Leben hervorgegangen sein. Es ist lediglich Mittel, das Leben zu erkennen.
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J. G. Fichte, Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 118]





Freitag, 3. November 2017

Nur eine Gehhilfe.


christoph wesemann 

Unser System ... läßt sich ebensowenig einfallen, das gemeine und allein reelle Denken selbst zu erweitern, / son- dern will dasselbe lediglich darstellen und erschöpfend umfassen. Wir denken im philosophischen, das objektive Denken. Unser philosophisches Denken bedeutet nichts und hat nicht den mindesten Gehalt; nur das in diesem Denken gedachte Denken bedeutet und hat Gehalt.

Unser philosophisches Denken ist lediglich ein Instrument, durch welches wir unser Werk zusammensetzen. Ist das Werk fertig, so wird das Instrument als unnütz weggeworfen.
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J. G. Fichte, Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 114f.]



Donnerstag, 2. November 2017

Zwei Arten zu denken.


daniel stricker, pixelio.de

Es gibt zwei sehr verschiedene Standpunkte des Denkens; den des natürlichen und gemeinen, da man unmittel- bar Objekte denkt, und den des vorzugsweise so zu nennenden künstlichen, da man, mit Absicht und Bewußt- sein, sein Denken selbst denkt. 

Auf dem ersten steht das gemeine Leben, und die Wissenschaft; auf dem zweiten die Transzendentalphilosophie, die ich eben deshalb Wissenschaftslehre genannt habe, Theorie und Wissenschaft alles Wissens, keineswegs aber selber ein reelles und objektives Wissen.
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J. G. Fichte,  Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 111.]



 

Mittwoch, 1. November 2017

Worin man befangen ist, kann man nicht erkennen. (Leben und spekulieren.)


Bild aus hauntedgallery

Worin man befangen ist, was man selbst ist, kann man nicht erkennen; man müßte aus demselben herausgehen, aufhören, es zu sein, sich auf einen Standpunkt außerhalb desselben stellen. Dieses ist die Spekulation; dieser Standpunkt außer dem wirklichen Leben ist sie. 

Nur inwiefern es diesen höhern Standpunkt und diese beiden entgegengesetzten Standpunkte gab, ist es dem Menschen möglich, sich selbst zu erkennen. Man kann leben und vielleicht der Vernunft ganz gemäß leben, ohne zu spekulieren; man kann leben, ohne das Leben zu er/kennen. Aber man kann das Leben nicht erkennen, ohne zu spekulieren.
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J. G. Fichte, Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 119f.]