Markus Kräft / pixelio.de
Eine
Diskussion in einem online-Forum im Mai 2009
...Wissenschaft ist, was
Wissen schafft.
Nein. Wissen
kann auf alle erdenklichen und wohl sogar auf unerdenkliche Weisen 'entstehen'. Das Wissen, das Wissenschaft schafft, ist geprüftes Wissen. Ob
nämlich ein Wissen 'wahr' ist oder nicht, kann nicht von der Art und Weise
seines Zustandekommens abhängig gemacht werden. Vielleicht ist der religiöse
Glaube an einen persönlichen Gott ja wahr. Es kann nach der Natur des Glaubens
aber nicht geprüft werden.
Sag mir nicht, Glauben sei nicht Wissen. Der Glaubende wird Dir sagen, das sei
gehupft wie gesprungen, und gar: sein Glaube sei sicherer als Dein Wissen.
Deine Bemerkung vereinfacht das Problem nicht, sondern verschiebt es in die
Region des Unergründlichen, womit nichts gewonnen, sondern alles verloren ist.
'Was Wissen ist', kann immer nur im Wissen ausgesagt werden. Die Frage setzt
ihre Antwort schon voraus. Mit der Frage 'Gibt es Wissen?' steht es nicht
besser.
'Ich weiß heißt: Es ist mir als gewiss bekannt', sagt Wittgenstein auf seine
tautologische Art.
...Nunja, irgendwann wird man
das Wissen "glauben" müssen, irgendwann muss man springen und das
Wissen formulieren. ...
Hoppla, nicht
so schnell! Das ist erst das letzte Wort der Philosophie (sofern sie theoretisch
und selber Wissenschaft ist) und nicht schon das zweite oder dritte.
Danach, wenn alles Theoretische erledigt ist, kommt nämlich die
"praktische" Philosophie - wo es um die Zwecke geht und nicht um die
hinreichenden Gründe: Diese muss man auffinden, aber jene muss man 'setzen';
aus freien Stücken behaupten. Und da steht dann als erstes die Frage: In
welcher Absicht "muss" man glauben, wozu will man 'wissen'? Das hat
nämlich Folgen in dem, 'was' man schließlich zu 'wissen' bekommt. Und dann wird
man finden: Das Wissen der exakten alias 'Natur'wissenschaften rechtfertigt
sich durch seine Nutzanwendung in unserm Stoffwechsel mit der Natur. Da kann
einer stehen bleiben und sagen: Mehr als Stoffwechsel (und vielleicht auch noch
Fortpflanzung, aber das fällt ins selbe Kapitel) braucht das Leben nicht zu
seiner Rechtfertigung. Widerlegen kann man ihn nicht. Aber gering schätzen und
verhöhnen.
(Das heißt, 'eigentlich' käme die praktische Philosophie vor der theoretischen.
Aber das weiß man erst nach der Kritik
der realen Wissenschaften durch die theoretische Philosophie. Versucht man es
andersrum, kommt ein x-beliebiger Dogmatismus heraus, den man ebenso gut
glauben wie auch nicht glauben kann.)
...Die Abhebung des
öffentlichen Wissens vom privaten Wissen ist mir nicht ganz klar…
Glauben zum
Beispiel ist ein privates Wissen. (Dass er öffentlich zur Schau gestellt wird,
tut nichts zur Sache.) Das Wissen, dass meine Nase juckt, auch. (Dass es sich
öffentlich überprüfen ließe, tut ebenfalls nichts zur Sache - solange es nicht
geschieht.)
Aus "...dass die
hinreichende und erschöpfende Definition von Wissenschaft die sei, dass sie öffentliches
Wissen ist" ist doch abzuleiten, dass privates Wissen kein
Wissen ist, oder?
Aber nein, ganz
und gar nicht. Der Zufall oder die Vorrrsehung könnte es so eingerichtet haben,
dass ich schlechterdings alles weiß - und natürlich 'wahr' weiß. Aber solange
ich meine Weisheit für mich behalte und sie schließlich mit ins Grab nehme, ist
dieses Wissen niemals Wissenschaft
geworden. Auch wenn ich alles austrompete, aber keiner hört mir zu - weil keine
Redaktion meine Texte druckt und/oder weil im Internet sowieso die Brüllaffen
den Ton angeben -, dann würde es auch nicht zu Wissenschaft, sondern ginge
ungehört unter. Wenn es mir nun gelänge, immerhin ein paar Getreue um mich zu
scharen, dann würde mein (wohlbemerkt immer noch 'wahres') Wissen zu einer
(immer noch unwissenschaftlichen) Sektenlehre; und falls unter den Adepten die
Sektierer die Oberhand gewännen, dann würde eine Geheimlehre nur für die
Auserwählten daraus. Und wohlbemerkt: Alles, was sie wüssten, wäre immer noch
'wahr'. Nur zu Wissenschaft würde es nimmermehr...
Bei den alten Griechen bildeten die Pythagoreer so eine Sekte. Man hat nie
erfahren, was dort im Besonderen gelehrt wurde. Ich will nicht sagen, dass das
historisch irgendwie wahrscheinlich wäre - aber logisch auszuschließen ist es
nicht, dass das 'alles wahr gewesen' ist.
(Ich kann von Glück reden, dass sich meine Philosophierungen der Sache nach so
wenig zu einer Geheimlehre eignen!)
Hmm, privates Wissen, das
es mangels Öffentlichkeit nicht zur Wissenschaft schafft?! Ist es zulässig
Wissenschaft von seiner Verbreitung bzw. Akzeptanz abhängig zu machen?
"Akzeptanz"?
Um Himmels willen, nein!
Nicht, weil Schulz und Meier sich auf irgendwas ('Konsensfähiges')
"verständigt" hätten, entsteht Wissenschaft; sondern weil in der
Öffentlichkeit die Überprüfung der Gründe verallgemeinert
und eo ipso radikalisiert ist - so dass sie jedes Mal bis an die
'Wurzel' (lat. radix) geht. Da wird
dann keiner mehr gefragt, ob er irgendwas "akzeptieren" mag. Sondern
das, was der verallgmeinerten Prüfung standgehalten hat, gilt (einstweilen
definitiv). Wer's nicht "akzeptiert", bleibt als 'Privatmann' zurück
(gr.Privatmann: idiôtês).
Bekanntlich sind übrigens die Wissenschaftler heute wie je eine ganz kleine
Minderheit in einem Meer von Privatleuten. Weil aber im Jahrhunderte langen
Prozess der Veröffentlichung des
Wissens sich 'Wissenschaft' zu einer gesellschaftlichen Instanz ausgebildet hat, will auch unter den Privatleuten keiner
mehr gern ein Idiot sein; und darum hat das Wort der Wissenschaft
gesellschaftliche Autorität. Weil und
solange der Prozess der
verallgemeinerten Überprüfung niemals abgeschnitten wird.
...Überhaupt gefällt mir der
Ansatz immer weniger, ich glaube. eine soziologische Beschreibung der
Wissenschaft, nichts anderes liegt hier vor, ist ungünstig.
Soziologisch
wäre meine Sicht, wenn es sich beim Prozess der öffentlichen Kritik um eine
Akkumulation von Stoff, um ein Tauschgeschäft oder um die Ermittlung eines
Durchschnitts handeln würde. Es ist aber ein Vorgang der Reduktion. Das ist ein
logisches Geschehen.