Das
Bedürfnis zwingt uns zur Arbeit, mit deren Ertrag das Bedürfnis
gestillt wird; das immer neue Erwachen des Bedürfnisses gewöhnt uns an
die Arbeit. In den Pausen aber, in welchen die Bedürfnisse gestillt sind
und gleichsam schlafen, überfällt uns die Langeweile. Um der Langeweile
zu entgehen, arbeitet der Mensch entweder über das Maß seiner sonstigen
Bedürfnis hinaus oder er erfindet das Spiel, das heißt die Arbeit,
welche kein anderes Bedürfnis stillen soll als das nach Arbeit
überhaupt. Wer des Spieles überdrüssig geworden ist und durch neue
Bedürfnisse keinen Grund zur Arbeit hat, den überfällt mitunter das
Verlangen nach einem dritten Zustand, welcher sich zum Spiel verhält wie
das Schweben zum Tanzen, wie Tanzen zum Gehen – nach einer seligen
ruhigen Bewegtheit: es ist die Vision der Künstler und Philosophen vom
Glück.
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Friedrich Nietzsche, Menschliches Allzumenschliches N°611
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