Mittwoch, 18. April 2018

Digital und analog.

bernd sterzl, pixelio.de
 
Zur Erinnerung: Analog ist ein Zifferblatt, wenn sich darauf ein Zeiger in konstantem Tempo so dreht, dass die Drehbewegung auf sinnlich wahrnehm bare Weise das gleichmäßige 'Verlaufen' der Zeit "darstellt"; selbst wenn gar keine Ziffern zu sehen sind, sondern nur Striche und Punkte. Auf einem digitalen Zifferblatt erscheinen dagegen in gleichmäßigen Abständen nach einander die Ziffern selbst und zeigen an, "wie spät" es ist. Freilich nur dem, der weiß, was diese Ziffern – diese digits – bedeuten. Er muss unser Zahlensystem gelernt haben und wissen, dass der Tag vierundzwanzig Stunden hat. Auf dem analogen Ziffernblatt kann ein Fünfjähriger an der Bewegung des Sekundenzeigers zusehen, wie eine Minute vergeht. Er mag sogar geistig zurückgeblieben sein: Er sieht es doch!

Das ist der Unterschied zwischen Abbildung und Symbol. Das eine ist analog, das andere ist digital. Eine arabische Ziffer (nur die heißen so!) ist digital; die römischen Zahlen sind analog, aber auch nur die ersten drei. Bei der IV wird’s ebenfalls digital. Dazwischen liegt der Akt der Reflexion, der Akt des Verstehens, das Denken in specie: die Umrechnung einer (sinnlichen) Erscheinung in eine (logische) Bedeutung mit der in einem so entstehenden logischen Raum ‚operiert’ werden kann, ohne dass irgendwelche Gegenstände sinnlich anwesend wären).

Der Haken: Im analogen Bilderraum gibt es keinen Verneinungs-Modus. Das ist der Vorzug der analogen Darstellung gegenüber der digitalen: Sie ist reicher, sie ist farbiger. Es kann immer noch eine und noch eine Gestaltqualität, noch eine Farbkombination hinzu erfunden werden. Aber die digitale Darstellungsweise ist bestimmter. Digits lassen sich eindeutig unterscheiden. Ein Apfel und eine Birne lassen sich – von Weitem schon gar – manchmal nicht so klar unterscheiden

Und vor allem: Das digitale Repräsentationsmuster erlaubt die Verneinung, das analoge nicht. Omnis deter- minatio est negatio: Bestimmen ist ohne verneinen unmöglich.

‚Ein Pferd’ kann ich mir anschaulich vor Augen führen. ‚Kein Pferd’ nicht: Wenn ich es mir „vorstelle“, sieht es auch nicht anders aus als, sagen wir, ‚keine Suppenschüssel’.

Und was das Schlimmste ist: Wo es keinen Verneinungsmodus gibt, da gibt es erst recht keinen Frage-Modus!*

Der entscheidende technische Unterschied zwischen der analogen und der digitalen Funktionsweise ist, dass im digitalen Modus nur diskrete Fortschritte in Stufen vorkommen, während es im analogen Modus nur gleitende, kontinuierliche Übergänge gibt.

*) Historisch entsteht die Fähigkeit zum Verneinen aus dem Aufkommen der Fragen. Weil die Offene Welt der Savannen, anders als die geschlossene natürliche Umwelt des Regenwalds, fraglich ist, müssen ihre Bedeutungen bestimmt werden. Das ist die Voraussetzung der Reflexion und des Denkens in specie. Ihr Modus ist der digitale.

26. 9. 13


Angeschaut wird im analogen, gedacht wird im digitalen Modus. Angeschaut werden Bilder, gedacht werden Begriffe. Bilder verlaufen fließend und gehen stufenlos in einander über. Begriffe verfließen nicht ineinander, sondern müssen schrittweise gewechselt werden.

Was im Bild als Übergang angeschaut wird, muss im diskursiven Denken durch Verben, die eine Tätigkeit be- zeichnen, vermittelnd eingefügt werden. Kontinuität wird durch einen Diskurs nachgetragen. 

Das Bild ist ungefähr. Begriffe sind bestimmt und eingegrenzt. Sie sind präzise, aber stellen die Wirklichkeit nur unzulänglich dar, weil das tätige Moment ausgeschieden, isoliert und ins Verb abgeschoben wurde - und daher so scheint, als käme es sekundär zu den Begriffen hinzu. Es erscheint als Wirklichkeit minderen Grades, dabei ist es das eigentlich Wirkliche. Die Begriffe wurden durch Reflexion als ihr Gegenstand=Bestimmtheit von ihr ab- gezogen. Beständig ist das Schreiten, vorübergehend sind die Stationen.

1. 6. 19




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