Es
ist nicht wahr, dass die Vernunft an den Wörtern hängt. Die Mitteilung der
Vernunft hängt an den Wörtern: die Verständigung, der Verstand.
Auch
die Bilder können mitgeteilt werden, im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit
zumal. Aber es gibt keine Gewissheit, ob sie so 'ankommen', wie sie 'abgesandt'
wurden: ob der Empfänger sie so 'versteht' wie der Absender. Das analogische
Denken fordert die Einbildungskraft heraus, und auf die ist nur sehr
unter- schiedlich Verlass: bei dem einen schafft sie viel, vielleicht zu viel,
bei dem andern wenig... Und ob, das lässt sich vom Sender gar nicht
kontrollieren.
In
einem Lebensverbund ("Gesellschaft"), der auf Arbeitsteilung beruht,
kann aber das Gelingen der Mitteilung nicht dem Zufall überlassen bleiben. Die
ganzen Bilder müssen - durch Abstraktion/Reflexion - in viele einzel- ne
Zeichen zerlegt und mit einer Gebrauchsanleitung zu ihrer Rekomposition
ausgestattet werden: lauter Be- deutungsatome ("Informationen"), die
nach allgemeinen, d. h. öffentlichen, nämlich zwingenden und kontrol- lierbaren
Denkgesetzen zusammengesetzt sind: der Logik.
Die
Begriffe und die Logik sind in der Tat pragmatische Produkte: Sie bewähren sich
- täglich aufs Neue - als Medien der Verständigung.
Aber
das, worüber Verständigung geschieht; das, was mitgeteilt wird, das sind 1.)
Anschauungen und 2.) Vor- stellungen, die "zuerst" als Bilder "da
sind". Mit den Zeichen und ihren Verbindungsregeln werden sie nur
"beschrieben".
Und
selbstredend kann es gelingen - nämlich diesem oder jenem -, dass aus dem
freien Gebrauch der Zeichen und Verbindungsregeln neue Bilder sichtbar werden.
Aber sie schaffen die Bilder nicht, sondern sie führen, d. h. verführen... die
Einbildungskraft.
Der
Verstand kann den Blick frei machen - nämlich durch die im zu langen Gebrauch
opak gewordenen Bilder hindurch; aber sehen muss jeder selbst.
Allerdings
ist es wahr - und insofern haben die Lamentationen der Postman & Co. was für
sich -, dass es kaum noch ein Bild gibt, das nicht schon tausendmal "da
war" - und darum tausendmal bezeichnet wurde. Der verge- sellschaftete
Einbildner kann gar nicht anders als die im Verkehr bewährten Zeichen
"immer schon" in die Bilder mit hineinzusehen - was deren 'Gehalt'
aber nicht vermehrt, sondern im Gegenteil schmälert: indem auf diese Bedeutung
besonders abgesehen wird, wird von jener andern eben auch abgesehen.
Kritisches
Denken ist nur in einem flachen Verständnis dasjenige, das sich auf die Prüfung
beschränkt, ob die Zeichen auch wirklich alle nach den Regeln der Kunst (dem
Denkgesetz) zusammengesetzt sind. Im ausge- zeichneten Sinn ist das kritische
Denken dasjenige, das den Gebrauch der im Verkehr bewährten Zeichen immer
wieder mit dem Anblick der Bilder vergleicht. Das ist kein diskursiver,
sondern ein intuitiver Akt. Ob in den Bildern "mehr", das heißt was
andres zu sehen ist, als die konventionellen Zeichen herausholen, ist ein ästhetisches
Urteil, kein logisches.
1. 11.
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Nota I. - Ich behaupte nicht
die Konventionalität des Logischen. Wenn eine bestimmte Zahl von
Parteien sich auf etwas verständigt, ist das Ergebnis eine
Partikularität - und als solche zufällig. Hier ist aber die Rede von
einem endlosen Prozeß stetiger Ausmittelung - und dessen Resultat ist
allgemein und notwendig. Die logischen Formen wurden nicht ersonnen und
nicht vereinbart, sondern haben sich notwendig ergeben. Dass sie sich im täglichen Gebrauch als zwingend bewähren, ist kein Mysterium: denn so sind sie entstanden.
Nota II. - für
Kenner und Liebhaber: Es handelt sich um denselben Prozess der
'Realabstraktion' wie bei der Ausbildung des Tauschwerts im
Zirkulationsprozess auf dem Markt.
JE
13. 10- 13