Dienstag, 27. Dezember 2016

Was darf sich Philosophie nennen?



Dem vernünftigen Bewusstsein - fast ist das eine Tautologie - erscheint die Welt als ein virtuell geschlossenes System von Begriffen, die einander wechselseitig bestimmen, indem sie ihre jeweiligen Geltungsbereiche gegen- einander eingrenzen: definieren. Dieses System ist entstanden und vervollständigt sich weiter durch den Gebrauch; die Bedeutung der Wörter ist ihre Verwendung im Sprachspiel. 

Doch geschlossen ist es erst virtuell. Reell stößt die Verwendung im Sprachspiel immer wieder auf Lücken: Die müssen geschlossen werden durch das Einpassen in die Leerstellen, die das Sprachspiel bislang frei gelassen hatte; einpassen so, dass bisherige Definitionen gegebenenfalls justiert werden müssen. (Ist ein ganzer Komplex von Bedeutungen berührt, geschieht ein sogenannter 'Paradigmenwechsel'.) Die - quasi transzendentale - Prä- misse bleibt unberührt: Das System ist intakt. Es geht immer nur darum, es auszufüllen.

Denn nur, wenn der Rahmen gewahrt bleibt, ist es überhaupt ein System; nur dann kann erwartet werden, dass aktuell auftretende Lücken von uns gewiss gefüllt werden können, weil sie an sich schon gefüllt sind.

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Das gilt freilich nur für die Begriffe. Wenn das System geschlossen ist, gelten die Begriffe an sich. Oder anders, wenn die Begriffe an sich gelten sollen, muss ich mir das System als geschlossen vorstellen.

Rationell sollte ich aber gar nicht vom System der Begriffe - oder "der Welt" - ausgehen. Rationell muss ich mich an das halten, was ich weiß, und was ich weiß, ist lediglich das, was in meinem Wissen vorkommt. Tautologisch? Nicht, wenn ich mir klarmache, dass in meinem Wissen nichts anderes vorkommt als meine Vorstellungen. Dass ich mir (etwas) vorstelle, ist nun das einzige, das ich nicht bezweifeln kann (weil anders ich auch das Bezweifeln bezweifeln - und gleich wieder aufhören müsste, nachdem ich kaum angefangen habe). 

Wenn ich zugeben muss, dass ich vorstelle, muss ich annehmen, dass ich es konnte; ich meine: muss, sonst wäre gleich wieder Schluss. Wenn ich es ohne eine andere Voraussetzung konnte - und das muss ich annehmen, denn ich habe keine weitere Voraussetzung gemacht -, dann muss ich annehmen, dass ich es ohne Voraussetzung können werde; es sei denn, ich stelle mir selber Dinge vor, die zu Voraussetzungen werden, die mich am Fort- schreiten hindern. 

Vorstellen ist, nach Fichte, Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten. Annehmen musste ich: ein Ver- mögen dazu. Das heißt konventionell Ich. Es ist selber nicht bestimmt: Das könnte es erst selber besorgen. Wie? Indem es sich Etwas vorstellt. Ist es bestimmt? Das wird man sehen: Lässt es sich bestimmen? Dann kann  ich fortschreiten; wenn nicht, dann wäre - hier wiederum Schluss.

Wenn das richtig ist, dann kann das Bestimmen kein Ende finden - und das Bestimmbare schon gar nicht. Denn anders würde die ganze Kette hinfällig, und ihre Prämisse, ihr erstes Glied: dass Ich Unbestimmtes zu bestimmen vermag. Das System, das ich mir allenfalls vorstellen kann, ist ein System in processu, ein unabge- schlossenes System.

Und wer immer diese Prämisse bestreiten wollte - dass ich zu bestimmen vermag -, wird doch jene andere Prä- misse - jene andere Seite der Prämisse -, dass es Unbestimmtes gibt, nicht bestreiten können. Das System meiner Vorstellung kann gar nicht abgeschlossen werden; und mit jedem weiteren Fortschritt des Bestimmens kann - mag? soll? - eine rückwirkende Umbestimmung der gesamten Kette geschehen.


Summa: Von Einem lässt sich schlechterdings, bei gutem und bei schlechem Willen, nicht abstrahieren: dass es in der Welt, wie immer wir sie uns denken, teils Bestimmtes, teils Unbestimmtes gibt. Ein Denken, das sich dar- auf keinen Reim zu machen weiß, soll sich nicht Philosophie nennen.
















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Sonntag, 25. Dezember 2016

Begriffe sind wie Schachfiguren.


  norwegisch, 12. Jhdt.
 
Begriffe sind wie Schachfiguren. An sich mögen sie sonstwas bedeuten. Aber solange keiner Schach spielt, sind sie bloß Schnitzwerk. 

Es hat einmal einer gesagt, die Bedeutung der Wörter sei ihre Verwendung im Sprachspiel. Er hat nicht be- dacht, wie viele Voraussetzungen in diesem einen Satz stecken.



Freitag, 23. Dezember 2016

Dogmatische und kritische Philosophie.


 
Die begründende Frage (sic) aller Metaphysik lautet: Was kann ohne alle Bedingung sein? 
Da bleibt das An-sich mit sich allein; der Fragende kann dort nicht einmal anklopfen.

Die begründende Frage (resic) der Transzendentalphilosophie lautet: Was kann ohne alle Bedingung gelten?
Da ist von vornherein der, der fragt, mit im Spiel: Nur für ihn kann etwas gelten. Da muss er zu suchen an- fangen: Woher? und Wozu? So findet sich auch das Was.





 
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Dienstag, 20. Dezember 2016

...bei deinem Leisten.


 
Das Labor ist nicht die Wirklichkeit, sondern künstlich wie eine Theaterkulisse. Wirklich ist, was erscheint. Wirklich ist, dass die Sonne morgens im Osten aufgeht und abends im Westen untergeht. Ich kann es bezeu- gen, ich habe es selber gesehen.

Rein wissenschaftlich gesehen, ist leben Stoffwechsel und Fortpflanzung. Das lässt sich in unendlich viele biochemische Mikroprozesse auflösen. Was leben "wirklich ist", wird sich dabei aber nicht erfahren lassen.

Der Philosophie wurden vor zweieinhalb Jahrhunderten von Kant ihre Grenzen gezogen. Dass sie sie über- schritte, kann man der gegenwärtigen Philosophie nicht vorwerfen; eher schon, dass sie sie nicht einmal aus- füllt.

Hat der Naturwissenschaft je einer ihre Grenzen gezeigt? Hirnforschung, Molekularbiologie, Mikro- und Mak- rophysik - nirgends genieren die Forscher sich zu spekulieren, und manch einer wartet dazu nicht einmal den Tag seiner Emeritierung ab. 


aus Weltschaum

Sonntag, 18. Dezember 2016

Modell, Schema, Begriff.



Das theoretische Modell. 

Das theoretische Modell ist dazu da, in einer Sache ihren Sinn freizulegen. Wenn man sieht, wie sie funktioniert und welche Resultate sie erbringt, wenn man Kontingenz ausscheidet und sie auf sich selbst reduziert, so mag man darin einen Zweck erkennen, der sich mit den Zwecken vergleichen lässt, die man selber verfolgt: Danach wird man die Sache bewerten.

Wenn dies nicht die Absicht ist, wenn man nicht bewerten und verwerten will, und sei es zu Erkenntniszwek- ken, kann man kein Modell entwerfen.

Merke: Ohne eine solche Absicht lässt sich eine Sache gar nicht als 'sie selbst' bestimmen; nicht unterscheiden, was dazu gehört und was kontingent ist.


26. 10. 16


Theorie und Praxis. 

Ein Schema ist ein Funktionsmodell. 
Wozu etwas funtionieren soll, ist, worauf es ankommt. 

Ob oder ob nicht ist ein technisches Detail.

11. 12. 16



Das Schema ist ein praktisches Ding. 

Im Schema wird von allem abgesehen, was nicht zum Wesen der Sache gehört. 
Was ist das Wesen der Sache? 
Dasjenige an ihr, worauf ich es jeweils abgesehen habe. 

Im Schema fallen Abstraktion und Reflexion zusammen. 
Denn merke: Das Schema ist ein praktisches Ding (und so ist das Wesen der Sache).

10. 12. 16



Schema und Hermeneutik. 

Die Wissenschaftslehre ist das Schema – modern: theoretische Modell – eines tatsächlichen Denkens, sofern es als vernünftig gelten soll. Aber das ist erst die halbe Miete; bleibt immer übrig das hermeneutische Problem, ein tat- sächliches Denken so zu deuten, dass es dem Modell entspricht; oder eben nicht.

Mit andern Worten,  die Wissenschaftslehre ist nach ihrem Abschluss so kritisch wie an ihrem Anfang.

8. 1. 16


Der Begriff einer Sache. 

Der Begriff einer Sache ist ein Schema all dessen, wozu man sie brauchen zu können meint. 
So ist er entstanden, so hat er Bestand. Doch mal fasst er zu wenig und mal zuviel.

8. 12. 16. 




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Freitag, 16. Dezember 2016

Das Mysterium des Anfangs.



Wenn ich jetzt (zum Beispiel) völlig frei und ohne den nothwendig bestimmenden Einfluß der Naturursachen von meinem Stuhle aufstehe, so fängt in dieser Begebenheit sammt deren natürlichen Folgen ins Unendliche eine neue Reihe schlechthin an, obgleich der Zeit nach diese Begebenheit nur die Fortsetzung einer vorherge- henden Reihe ist. 

Denn diese Entschließung und That liegt gar nicht in der Abfolge bloßer Naturwirkungen und ist nicht eine bloße Fortsetzung derselben; sondern die bestimmenden Naturursachen hören oberhalb derselben in Anse- hung dieses Eräugnisses ganz auf, das zwar auf jene folgt, aber daraus nicht erfolgt und daher zwar nicht der Zeit nach, aber doch in Ansehung der Causalität ein schlechthin erster Anfang einer Reihe von Erscheinungen genannt werden muß.
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Kant, Kritik der reinen VernunftB 478 Akademie-Ausgabe: Die Antinomie der reinen Vernunft: Anmerkung zur dritten Antinomie, S. 312

 
Nota. – Nun wird zu Recht eingewandt: Ab er dass du aus deinen Entschlüssen die 'Naturwirkungen' überhaupt ausschließen kannst, wird ja gerade bestritten! Was du für deinen freien Willen hältst, ist nichts als die Summe von Eindrücken, die von außen auf dein Gemüt wirken. – Geht es um eine Frage der Psychologie? Die hat ihre eigenen Verfahren und ihre eigenen Maßstäbe. Philosophisch ist entscheidend: Die äußeren Eindrücke wirken nicht unmittelbar bestimmend auf die Handlung, sondern verwandeln sich zuerst in Motive. Der Philososoph sagt: Das Motiv muss ich zuerst zu meinem machen, ehe es mein Handeln bestimmen kann; aber das kann ich ja unterlassen! Kommt sogleich der Einwand: Das ist ein schlechter Zirkel! Mit dem Ich begründest du die Frei- heit der Wahl, aber die Freiheit der Wahl brauchst du, um einen Begriff vom Ich überhaupt erst zu begründen.

So steht es immer ex aequo, hängt, welche Philosophie man wähle, wirklich davon ab, was man für ein Mensch ist?

Was haben wir für ein Glück, dass an dieser Stelle ganz wider ihre Gewohnheit die experimentelle Seelenkunde der Philosophie unter die Arme greift: Im Gehirn entsteht zwischen dem Moment, in dem sich das sog. Bereit- schaftspotenzial gebildet hat  das womöglich restlos durch äußere Eindrücke geprägt war –, und dem Moment, in dem die Entscheidung wirklich fällt, eine Pause von rund einer Fünftelsekunde: Es ist die Zeit, in der das Ge- hirn zögert und verschiedenen Möglichkeiten erwägt. Solange könntet es zu den Anmutungen des 'Bereit- schaftspotenzials' nein sagen – und nochmal von vorn anfangen. Und wenn es nichts anderes gäbe – diese Fünftelsekunde ist der empirische Beweis, dass es eine Freiheit der Willensentscheidung gibt. Ein ganz andere Frage ist, ob ein jeder davon Gebrauch machen will.
JE

9. 12. 15 



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Montag, 12. Dezember 2016

Freiheit ist eine bloße Idee.



Denn wir können nichts erklären, als was wir auf Gesetze zurückführen können, deren Gegenstand in irgend einer möglichen Erfahrung gegeben werden kann. 

Freiheit aber ist eine bloße Idee, deren objektive Realität auf keine Weise nach Naturgesetzen, mithin auch nicht in irgend einer möglichen Erfahrung, dargetan werden kann, die also darum, weil ihr selbst niemals nach irgend einer Analogie ein Beispiel untergelegt werden mag, niemals begriffen, oder auch nur eingesehen werden kann. Sie gilt nur als notwendige Voraussetzung der Vernunft in einem Wesen, das sich eines Willens, d.i. eines vom bloßen Begehrungsvermögen noch verschiedenen Vermögens (nämlich sich zum Handeln als Intelligenz, mithin nach Gesetzen der Vernunft, unabhängig von Naturinstinkten, zu bestimmen), bewußt zu sein glaubt. 

Wo aber Bestimmung nach Naturgesetzen aufhört, da hört auch alle Erklärung auf, und es bleibt nichts übrig, als Verteidigung, d.i. Abtreibung der Einwürfe derer, die tiefer in das Wesen der Dinge geschaut zu haben vorgeben, und darum die Freiheit dreust vor unmöglich erklären. Man kann ihnen nur zeigen, daß der vermeintlich[96] von ihnen darin entdeckte Widerspruch nirgend anders liege, als darin, daß, da sie, um das Naturgesetz in Ansehung menschlicher Handlungen geltend zu machen, den Menschen notwendig als Erscheinung betrachten mußten, 

und nun, da man von ihnen fodert, daß sie ihn als Intelligenz auch als Ding an sich selbst denken sollten, sie ihn immer auch da noch als Erscheinung betrachten, wo denn freilich die Absonderung seiner Kausalität (d.i. seines Willens) von allen Naturgesetzen der Sinnenwelt in einem und demselben Subjekte im Widerspruche stehen würde, 

welcher aber wegfällt, wenn sie sich besinnen, und, wie billig, eingestehen wollten, daß hinter den Erscheinungen doch die Sachen an sich selbst (obzwar verborgen) zum Grunde liegen müssen, von deren Wirkungsgesetzen man nicht verlangen kann, daß sie mit denen einerlei sein sollten, unter denen ihre Erscheinungen stehen.
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I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, A/B 121


Nota. - Intelligenz ein "Ding an sich"? Aber ein Ding an sich ist Noumenon; wie die Freiheit selber ein reines Gedankending, das lediglich anzunehmen ist, um in den Phänomenen einen Sinn erkennen zu können.

Lediglich? "... daß hinter den Erscheinungen doch die Sachen an sich selbst (obzwar verborgen) zum Grunde liegen müssen, von deren Wirkungsgesetzen man nicht verlangen kann, daß sie mit denen einerlei sein sollten, unter denen ihre Erscheinungen stehen"! Da hält er sich doch wieder eine Hintertür auf: Was von vorn (im Auge des Menschen) als Freiheit erscheint - nämlich im Handeln - , ist von hinten (im Auge einer höheren Intelligenz?) vielleicht doch in einem verborgenen Wirkungsgesetzt begründet...

Und das ist eine von den vielen Stellen, wo wir uns darin erinnern, dass er "das Wissen aufheben" wollte, "um zum Glauben Platz zu schaffen". Mit andern Worten: Das, was an seinem Ding-an-sich mehr wäre als bloßes Noumenon, gehörte in die Theologie; in der Philosophie hat es nichts zu suchen, und deswegen bleibt er an der Stelle auch stets im Konjunktiv.
JE








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Sonntag, 11. Dezember 2016

Theorie und Praxis.



Ein Schema ist ein Funktionsmodell. 
Wozu etwas funtionieren soll ist, worauf es ankommt. 
Ob oder ob nicht ist ein technisches Detail. 




Samstag, 10. Dezember 2016

Das Schema ist ein praktisches Ding.


ulrich-rapp
 
Im Schema wird von allem abgesehen, was nicht zum Wesen der Sache gehört. 
Was ist das Wesen der Sache? 
Dasjenige an ihr, worauf ich es jeweils abgesehen habe. 

Im Schema fallen Abstraktion und Reflexion zusammen. 
Denn merke: Das Schema ist ein praktisches Ding (und so das Wesen der Sache). 


Nachtrag, 31. 1. 17

Das muss man sich klarmachen: Eine Schere zum Beispiel ist, für sich betrachtet, auch nur ein Schema; das Schema einer Handlung: des Schneidens. Zu einer wirklichen Schere wird sie erst, wenn einer mit ihr schneidet. Wenn er sie aber als Briefbeschwerer verwendet, ist sie ein Briefbeschwerer.


Donnerstag, 8. Dezember 2016

Der Begriff einer Sache.


 
Der Begriff einer Sache ist ein Schema all dessen, wozu man sie brauchen zu können meint.
So ist er entstanden, so hat er Bestand. Doch mal fasst er zu wenig und mal zuviel.









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