Dienstag, 7. Juli 2015

Fichte radikalisiert Kant; II.


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Kants Hauptwerk sind die Drei Kritiken. Darin analysiert ("kritisiert") er die tatsächlich zu beobachtenden Leistungen des menschlichen Geistes; die "reine" (theoretische) Vernunft, die "praktische Vernunft" (das moralische Wollen) und die Urteilskraft (worin er in kurioser Weise ästhetische Wertungen und Zweckerwägungen zusammenfasst).
 
Daraus, dass diese Leistungen tatsächlich geschehen, schließt er, dass ihnen jeweils ein "Vermögen" zugrunde liegen muss. Und ebenso, wie die Drei Kritiken offenbar ohne vorherigen Plan auf einander folgten, liegen Kants drei "Vermögen" unvermittelt neben einander, ohne dass ihr wechselseitiges Verhältnis klar würde. (Das ist ein ganz langes Kapitel für sich...)
 
Fichte "radikalisiert" Kant nun dahingehend, dass er überhaupt nur ein geistiges Vermögen voraussetzt, das an und für sich praktisch ist und das er in jeweils verschiedenen Hinsichten als "produktive Einbildungskraft", als schlechthinniges "Streben" oder eben als das (transzendentale) "Ich" bestimmt. Wobei festzuhalten ist, dass sein (einziges) "Vermögen" ebenso wenig wie Kants (drei) Vermögen naturalistisch oder psychologisch gemeint sind; so, als ob man sie durch empirische Forschung im Organismus "nachweisen" könnte. Sie sind "transzendental" gemeint: nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Sinnzuschreibung.Auch in sittlicher Hinsicht radikalisiert Fichte Kant. Über jenen wurde gesagt, sein "kategorischer Imperativ" sei viel zu formal und inhaltsleer, als dass sich ein lebendiger Mensch daran ausrichten könnte. In Wahrheit ist er noch längst nicht formal genug und enthält noch viel zu viel Positives. Vernünftiger Weise lässt sich nur ein Imperativ aufstellen: Handle jederzeit nach deinem selbstverantworteten Urteil, Punkt.

aus e. online-Forum, 19. 10. 2007 


Nota. - Fichte hat Kant noch viel weiter radikalisiert. Kant hatte die 'apriorischen' Bewusstseinsformen zwar ins Subjekt verlegt - aber ohne anzugeben, wie sie dort hineingekommen sein mögen (und hält der Vorstellung von "eingeborenen Ideen" die Tür offen). Fichte dagegen verlegt alle Tätigkeit ins Ich; und alles Vorstellen ist Tätig- keit. Und die ganze Welt ist uns nur durch unser Vorstellen und in unserer Vorstellung gegeben. Und darum ist jeder Gedanke, den Noumena könne "im Grunde" vielleicht doch etwas Reales entsprechen, ein Ungedanke. Insbesondere ist das Ding-an-sich ein 'Grenzbegriff von rein negativem Gebrauch': Es bezeichnet nichts Denk- bares.
JE



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