Mittwoch, 2. Oktober 2013
Wittgenstein: Was kann die Philosophie?
Das Ich tritt in die Philosophie dadurch ein, dass die Welt „meine Welt" ist.
Die Tatsachen gehören alle nur zur Aufgabe, nicht zur Lösung.
Der Sinn der Welt muss außerhalb ihrer liegen. In der Welt ist alles, wie es ist, und geschieht alles, wie es geschieht; es gibt in ihr keinen Wert – und wenn es ihn gäbe, so hätte er keinen Wert.
Wenn es einen Wert gäbe, der Wert hat, so muss er außerhalb alles Geschehens und So-Seins liegen. Denn alles Geschehen und So-Sein ist zufällig.
Es ist klar, dass sich die Ethik nicht aussprechen lässt. Die Ethik ist transzendental. (Ethik und Ästhetik sind Eins.)
Nicht wie die Welt ist, ist das Mystische, sondern dass sie ist
Wir fühlen, dass selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind. Freilich bleibt dann eben keine Frage mehr; und eben dies ist die Antwort.
Die Lösung des Problems des Lebens merkt man am Verschwinden dieses Problems. (Ist nicht dies der Grund, warum Menschen, denen der Sinn des Lebens nach langen Zweifeln klar wurde, warum diese dann nicht sagen konnten, worin dieser Sinn besteht.)
Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich. Es ist das Mystische.
Die richtige Methode der Philosophierens wäre die: Nichts zu sagen, als was sich sagen lässt, also Sätze der Naturwissenschaft – also etwas, das mit Philosophie nichts zu tun hat -, und dann immer, wenn ein anderer etwas Metaphysisches sagen wollte, ihm nachzuweisen, dass er gewissen Zeichen in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat. Diese Methode wäre für den anderen unbefriedigend – er hätte nicht das Gefühl, dass wir ihn Philosophie lehrten – aber sie wäre die einzig streng richtige.
Ich glaube, meine Stellung zur Philosophie dadurch zusammengefasst zu haben, indem ich sagte: Philosophie dürfe man eigentlich nur dichten.
Ludwig Wittgenstein, aus: Tractatus, 5. 642; 6.4321; 6.41; 6.421; 6.44; 6.52-6.53; Vermischte Bemerkungen, Ffm. 1994, S. 58
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